Altea: Auf königlichen Pfaden - Eine kleine Stadtführung

Auf dem Camino Real in Altea erfahren wir, wie die Stadt wurde, was sie ist und wie sie zu ihrem Namen kam. Von der Altstadt Alteas geht es zum Cap Negret bis an den Fuß der Sierra Bernia an vielen Spuren der Vergangenheit vorbei, die Besucher oft übersehen.
- Der Camino real - Königlicher Weg, ist ein historisches Netz aus Handelswegen, die unter besonderem Schutz standen und auf römische Straßen zurückgehen.
- Auch in Altea ist der Camino real begehbar, an ihm schlängelt sich die Geschichte der Stadt entlang, - mit überraschenden Entdeckungen.
- Während einer Führung oder auf eigene Faust: Der Camino real führt von der Altstadt von Altea entlang des Meeres zum Fluss Algar an vielen historischen Schauplätzen entlang.
Altea - Joan Such hat viel zu erzählen – und er tut es auch. Die Führung entlang des „Camino Real“, des königlichen Wegs oder auch „Grünen Korridors von Altea“, ist auf eine Stunde angesetzt, doch nach anderthalb Stunden haben wir noch nicht die Hälfte der eigentlich gnädigen drei Kilometer geschafft. Unser Guide ist kaum zu bremsen. Und das ist auch gut so, man bereut keine Minute. Die Tourismus-Info Altea bietet solche Touren immer mal wieder rund um Altea auf Spanisch und Englisch an, durch Stadt und Land, auch mal über Stock und Stein. Wir haben uns die kürzeste, aber vielleicht vielseitigste ausgesucht.
Der Camino Real, der „Königliche Weg“, bezeichnet ein Geflecht von privilegierten Handels- und Viehtreiberwegen, das auf römischen Straßen aufbaute. Jener zwischen Altea und Calp, wo auch noch römische und mittelalterliche Spuren des „Straßenbelags“ zu finden sind, gehörte zur Via Dianum von Alicante bis Dénia, die wiederum Teil der Via Augusta war, die von Cartagena kommend – wie alle Wege – nach Rom führte.
Altea feierte zwar 2017 das 400. Jubiläum seines Stadtrechtes, seine Besiedlungs- und Kulturgeschichte reicht aber weit über das Alter der Stadtmauern hinaus. Guide Joan führt uns aus dem Zentrum heraus, entlang des Flusses Río Algar, vorbei am Vulkan von Cap Negret bis zur Villa Gadea, ans Ende der Bucht von Altea.

Alteas Besiedlung über die Berge: Lebensquell Algar
Die Besiedlung der Region begann nicht vom Meer, berichtet der engagierte Stadtführer, sondern vom Lande aus, in der Sierra Bernia mit ihrem eindrucksvollen Grat, der illustriert, warum man in Spanien Gebirge Sägen nennt. Iberische Stämme ließen sich vor rund 7.500 Jahren nieder, was an Höhlenzeichnungen belegt ist, die angesehen werden können. Der Rundweg um die Sierra Bernia ist im Sommer – hitzebedingt – tunlichst zu unterlassen. Von den Bergen aus bahnte sich der stets suchende Mensch seinen Weg flussabwärts bis zum Meer, den Río Algar als Quelle und Garant des Überlebens wissend, auf der Pirsch nach Land, Fisch und fruchtbaren Kontakten.
Verrückte Stockrose oder heilende Griechen? Woher Altea seinen Namen hat
Im achten Jahrhundert vor unserer Zeit stießen Phönizier, Karthager und andere Seevölker mit ihren Begehrlichkeiten auf die Erstbesiedler, ein paar Jahrhunderte danach folgten die Römer. Sie trieben Handel, andere vertreibend, ihre Ansichten und Kenntnisse von Zivilisation mit dem Vorgefundenen verschmelzend.
Mit den Händlern bekamen Gegend und Siedlung Struktur und einen Namen, verschiedene Varianten kursieren, was dieses wohlklingende „Altea“ wohl bedeuten mag.
Die naheliegendste Saga geht auf eine Blume, eine Stockrose, zurück, die Königsmalve, auch als Verrückte Malve, malva loca, bekannt, die hier überall wucherte und auch heute noch zu finden ist. Ihr botanischer Name ist Alcea rosea. Eine andere Version liest Altea als griechische Übetragung für „der Heilende“, im Zusammenhang mit dem Fluss, dessen Wasser die römischen Siedlungen bis zum heutigen El Albir versorgte und wohltuende Wirkungen verbreitet haben soll.

Insgesamt 800 Jahre, ab dem 8. Jahrhundert, herrschten und wirkten die von Nordafrika kommenden Mauren auf der Iberischen Halbinsel. Bis Mitte des 13. Jahrhunderts waren sie auch in der Region Valencia zu finden.
Neue Früchte und Technik für die Bauern von Altea
Dem muslimischen Al-Ándalus, vor allem der ersten Blüteepoche, verdankt Spanien, neben unvergleichlichen Baudenkmälern, sozusagen den zivilisatorischen Antrieb in die Neuzeit. Während Mitteleuropa im Mittelalter festsaß, triumphierten an den maurischen Fürstenhöfen Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft in einer Weise, wie sie das christliche Europa erst wieder mit der italienischen und flämischen Renaissance erleben würde.
Per christlich-jüdisch-muslimischen Patchworks erfolgte in dieser Zeit ein substantieller Ost-West-Wissenstransfer durch Bibliotheken und Schriftschulen, Vorstufen der Universitäten. Neben Philosophie, Astronomie, Mystik, Architektur und Medizin, vermittelten die Mauren auch praktisches Wissen über Ackerbau und Viehzucht.
Den Bauern der Gegend um Altea, zwischen den Taifas von Balansyia (Valencia), Dénia und Alacant gelegen, brachten sie den bis heute sichtbaren Terrassenanbau, die Kanalbewässerung, neue Früchte und mehr Ertrag. Der Bevölkerungszuwachs in dieser Epoche kam nicht von ungefähr.
Orangen und Valencia mögen für uns heute eine Art Synonym sein, doch sie kamen zunächst als bittere Azahar erst mit den Arabern und Berberesken, die süße Variante gar erst im 15. Jahrhundert aus China, vorher waren Mandeln, Oliven. Wein, Getreide das Täglich Brot der Alteaner. Die regionale Spezialität Mispel (Nispero) ist ein Import aus Japan aus dem 18. Jahrhundert.
Piraten vor Altea: Geiseln auf dem Inselchen
Der asturische König Jaume I. zog um 1250 von Barcelona aus gen Süden, um die Iberische Halbinsel der „einzig wahren“ Religion zurückzugeben. In mehreren Wellen, über drei Jahrhunderte, vertrieben die Christen erst die Araber, später deportierten oder meuchelten sie auch Konvertiten, sogar christliche Zigeuner und die Juden, die schon damals als universelle Prügelknaben für menschen- oder naturgemachte Unbill herhalten mussten. Anfang des 17. Jahrhunderts waren weite Teile der heutigen Costa Blanca entvölkert, es erfolgte die Besiedlung durch Familien aus Aragón, Katalonien, Navarra und Mallorca. Die alten Familien bilden bis heute den Kern der Alstadt-Bewohner von Altea.

Aus Arabers und Jaumes Zeiten blieb in und um Altea fast nur die Ruine der Maurenmühle, einem Wasserstellwerk am Fluss Algar sowie die Reste eines kleinen Forts, ebenfalls hoch oben in der Sierra Bernia, das in späteren Jahren als Ausguck gegen die vielen Pirateneinfälle diente, aber nicht viel mehr tun konnte, als die Einwohner per Rauchzeichen vor den anlegenden Brandschatzern zu warnen. Wer sich nicht schnell genug in Sicherheit brachte, wurde meist entführt, etwa auf das kleine Inselchen in der Bucht von La Olla verschleppt. Konnten die Mitbürger das geforderte Lösegeld nicht zahlen, nahm man die Beute als Sklaven mit nach Afrika.
Joan streut in seinen Vortrag detaillierte Rezepturen der Cocas, eine Art valencianischer Blechkuchen oder Pfannenpizza ein, lässt uns auch wissen, welche Flamencotänzer oder Sängerinnen in welcher Villa wann und mit wem ihre Mußestunden verbrachten.
Eine Wehrmühle am Königsweg von Altea, Fincas und eine Einsiedelei
Ein paar hundert Meter den Río Algar hinauf, finden wir nicht nur all die Gewächse mit ihren essbaren Früchten, die hier – trotz rationierten Wassers – geradezu hemmungslos gedeihen, auch die „verrückte“ Malve, also Alteas Namenspatronin, blüht den Routengänger gelegentlich freundlich an. Eine Brücke querend stehen wir vor einem alten, renovierten Natursteingemäuer, einer Wehrmühle aus dem 17. Jahrhundert, die ihr Privileg gegen Wegelagerer zu verteidigen hatte. Wir wandeln jetzt unmittelbar auf jenem „Camino Real“, der, für Jahrhunderte die Lebensader der gesamten spanischen Levante darstellte und heute als roter Faden für das Verständnis der Geschichte der Region dient.
Wie ein knorriger Alter auf einen Stock gestützt, harrt seit mehr als 500 Jahren ein Olivenbaum aus, daneben brütet die Tram-Station Cap Negret, umgeben von Villen und Fincas, wie jene von Montemolar (Mühlberg) aus dem 19. Jahrhundert, eingebettet in Orangen- und Zitronenhaine. Sogar die übermannshohen Kakteen verbreiten Üppigkeit. Rechterhand versteckt, eine Einsiedelei, die Ermita de Santo Tomás, vor der sich Katzen räkeln, als hätte es Hunde nie gegeben. Noch ein paar Schritte, und schon glitzert wieder das Meer, erlöst eine Brise.
Geologie der Costa Blanca und ein Kochtopf, in dem man baden kann

L´Olla (valencianisch für einen ordinären Kochtopf), heute eine Vorstadt Alteas, hat Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert, rund um das Kloster Monasterio del Sagrado Corazón de Jesús gruppiert. Seine Strände sind nicht einmal in der Hochsaison überfüllt, Chiringuitos aller Klassen, das Inselchen, belagert von Jachten und Kayaks. Man muss nicht erst Benidorm gesehen haben, um hier ein Paradies zu erkennen.
Am Vulkankrater von Cap Negret erklärt uns Joan, nahm vor Hunderten Millionen Jahren alles seine Gestalt an, die Küstenlinie, die Gebirge vom Ifach in Calp, über die Sierra Bernia, den wuchtigen Puig Campana bis zur Sierra Helada. Vulkane formten die Gegend, ein geologischer Festland-Verwandter der Balearen. Tiefschwarze Vulkansteine widersprechen, für ein paar Meter, der „Costa Blanca“.
Die Strände entlang geht es auf unserer letzten Etappe an der Fünf-Sterne-Anlage des Hotels Villa Gadea vorbei zur Villa selbst, ein Historismus-Schmuckstück aus dem Besitz eines professoralen Grafen aus dem 19. Jahrhundert, das heute öffentlich ist und der Kultur dient.
Bunker aus dem Spanischen Bürgerkrieg: Erklären statt verstecken
Daneben Spuren der Barbarei: Zwei Bunkeranlagen von 1937, aus der Zeit des Spanischen Bürgerkriegs unmittelbar am Strand errichtet, und gerade erst restauriert. Die Republikaner, die wegen der italienisch-deutschen Unterstützung des Franquismo keine Seehoheit hatten, instsallierten diese Beobachtungs- und Verteidigungspunkte, um einer Invasion vom Meer aus vorzubeugen. Doch die Gegend und damit die Republik wurden von den Franco-Truppen auf dem Landweg erledigt, die Strandbunker nur von Krabben besetzt, später von Touristen-Müll belagert.
Die Stadt Altea entschied, diese bedrohlich dreinschauenden Zeitzeugnisse nicht einem unverfänglich-chilligen Wohlfühlpanorama oder der Geschichtsvergessenheit zu opfern, sondern zugänglich zu machen und zu erklären. Die auf dem Cap Negret dreist bis ans Meer gebaute Villa eines früheren Franco-Generals hat es schließlich auch unbeschadet ins Heute geschafft. Erst zusammen ergeben sie ein schlüssiges Mahnmal der jüngeren spanischen Geschichte und ihrer vielen Geschichten, die der Guide Joan Such so bunt und lebendig zu erzählen weiß, dass man die drei Stunden, die es schließlich geworden sind, fast nicht spürt.