Alarm im Viertel am Trockenfluss: Katastrophe von 1982 in Alicante bleibt Warnung

Mit beeindruckenden Bildern und Geschichten erinnert sich San Gabriel an das Hochwasser im Oktober 1982. Die Gefahr bleibt an der Costa Blanca wegen Baumängeln und Gewittern bestehen.
Alicante – Der mächtige Wums, der allen die Augen öffnete, schwappte eigentlich erst 2019 über den Süden der Costa Blanca. Nach dem extremen Gewitter-Phänomen Dana brach das Wasser über die Ufer des Segura und ertränkte die Tiefebene von Orihuela bis Guardamar. Seitdem werden millionenschwere Pläne zur Hochwasser-Vermeidung geschmiedet, Baumängel und der Klimawandel diskutiert, Flussbetten, Bewässerungskanäle und Trockenflüsse (Ramblas) ausgemistet. Der erste Alarm der demokratischen Ära Spaniens war für die Provinz Alicante aber schon 1982 im Viertel San Gabriel erfolgt. Eine Warnung, die bis heute aktuell bleibt.
Costa Blanca: Alarm im Viertel am Trockenfluss - Katastrophe als Warnung
Am 20. Oktober regnete und stürmte es heftigst im Süden der Region Valencia. Die Mauer des Stausees von Tous etwa hielt dem Druck nicht stand und zerbarst. An der Costa Blanca schossen feuchte Massen vom Maigmó-Gebirge durch den Trockenfluss Barranco de las Ovejas. An dessen Mündung aber war ein neues Viertel erbaut: San Gabriel. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten sich hier an Alicantes Südrand Arbeiterfamilien niedergelassen, angezogen durch die Düngerfabrik La Cros. Umweltstudien waren vor 100 Jahren beim Errichten von Siedlungen und Infrastrukturen noch kein Thema. Ein Hochwasser-Alarm war nicht in Sicht.
Der Trockenfluss, der auf natürliche Art Regen ins Meer ableitet, wurde von den neuen Siedlern gar nicht groß als eine solche Rambla wahrgenommen. Siehe sein Name: Barranco de las Ovejas, Schlucht der Schafe. Viel eher wurden Hirten und Herden im trockenen Flussbett gesichtet als reißende Ströme vermutet. Bis 1982. Die Riada - Überschwemmung - traf das muntere und fleißige Völkchen ohne jede Warnung. Ein Ungeheuer aus Wasser, Schlamm und Schaum raste mitten durch die Siedlung am Ufer der Rambla. Mit unbändiger Wucht wurden Autos fortgerissen, Straßen und die Schienen zerstört, Häuser geflutet.
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Zwei Menschen starben: Hochwasser 2019 entlarvt Mängel
Ein Schock war das für die Gemeinschaft des Viertels mit dem Engelsnamen. Menschen kamen tagelang nicht in ihre Häuser. Besitzstücke wurden fortgeschwemmt. Zwei Menschen starben. Das Entsetzen blieb lange bestehen. San Gabriel richtete sich aber auf, dank großem Einsatz der Bewohner und gewichtiger Investitionen der Verwaltungen. Mit hohen Mauern wurde der Trockenfluss im Süden von Alicante neu befestigt und mit dem Meer in Einklang gebracht. Der Umbau war sogar ein Vorbild für spätere Eingriffe in anderen Teilen der Costa Blanca, etwa bei der Einbettung des Segura in den 1990er Jahren.
Doch ausgerechnet dessen Hochwasser vor drei Jahren und das anschließende Nachdenken machten viele Mängel in den Konstruktionen zur Vermeidung von Überschwemmungen offenbar. Im Segura etwa gelang 2019 der Abfluss der großen Wassermassen nicht. Und zwar nicht nur, weil das Flussbett und zahlreiche Kanäle durch wuchernde Gräser und Abfälle verstopft sind. Sondern auch, weil sie durch Straßen blockiert waren, oder eine ins Meer ragende Mauer in Guardamar verkehrt gebogen ist und die Flussmassen in der Mündung festhält. Doch auch im Trockenfluss-Viertel San Gabriel wurde nicht alles richtig gemacht.
Tiefe Brücke gefährliches Hindernis: Doku voller Geschichten
Die Autobrücke, die über das Flussbett verläuft, ist etwa so tief gebaut, dass sie bei einer erneuten Extremlage zum tückischen Damm mutieren könnte. Verstärkt wird die Gefahr dadruch, dass der Trockenfluss vor allem auf dem urbanen Stück mit Abfällen (Räder, Tüten, sogar Einkaufswagen) und wuchernden Pflanzen gefüllt ist. Diese Einsicht war auch Thema im 40-jährigen Gedenken der Katastrophe, das San Gabriel derzeit emotional begeht. Quer durch das Viertel, an den beiden Schulen, am Seniorenzentrum, an der San-Gabriel-Kirche, am Sitz des Anwohnervereins sind beeindruckende Fotos von der „Riada 1982“ ausgestellt.

In einer sehenswerten Doku, die noch am Donnerstag und Freitag, 27. und 28. Oktober, um 19 Uhr beim Anwohnerverein (Calle Los Cincuenta 1) aufgeführt wird, kommen bewegende Erinnerung der Menschen zutage, die die Katastrophe 1982 in ihrem Trockenfluss-Viertel hautnah miterlebten. Menschen, die damals den reinsten Schock erlitten, sich aber schnell aufrafften, um anzupacken, zu helfen, sichern und retten. Der damals junge Helikopterpilot etwa, der seine Lizenz riskierte, als er Menschen ohne jede Erlaubnis von den Hausdächern auf die rettende Straße heruntertransportierte.
Oder Menschen, die damals Kinder waren, und den Angriff des Wassermonsters auf ihr Viertel als Abenteuer erlebten. „Das Meer hat sich vergrößert!“, rief ein kleiner Junge damals. Die ältere Jugend suchte Zuflucht auf aufregenden, normalerweise unerreichbaren Plätzen: Hohen Pfählen, Mauern, Dächern. Kuriose Geschichten werden erzählt: Ein aus dem Schlamm ausgegrabener Fernseher wurde gereinigt, getrocknet, und lief dann wieder - jahrzehntelang. Aber eines berichten mehrere Zeitzeugen unisono: Dass sie noch heute aufschrecken, wenn sie eine dunkle Wolke über ihrem Südbezirk erblicken.
Noch bis 28. Oktober bleibt die Ausstellung zur „Riada 1982“ im Sitz des Anwohnervereins San Gabriel hängen (Calle Los Cincuenta). Geöffnet 11.30 bis 13.30 und 19 bis 21 Uhr. Vom 4. bis 25. November kann man die Bilder im Centro Municipal de las Artes anschauen. Öffnungszeiten: 9 bis 14 Uhr, 16.30 bis 21.30 Uhr.