Größte byzantinische Begräbnisstätte der gesamten Iberischen Halbinsel entdeckt

Archäologen haben in Rojales eine spektakuläre Grabanlage freigelegt. Auf der Iberischen Halbinsel ist kein byzantinischer Friedhof besser erhalten. Das deutsche Max Planck Institut liefert wertvolle Gen-Infos.
Rojales – Ausgrabungen durch Archäologen im Süden der Costa Blanca haben die bisher größte bekannte Begräbnisstätte aus byzantinischer Zeit freigelegt, die die ganze Iberische Halbinsel zu bieten hat. Und nicht nur das: Die Nekropole mit 300 Gräbern auf dem Hügel Cabezo del Molino von Rojales ist auch der besterhaltenste Friedhof aus der bisher wenig erforschten Ära, die das 6. und 7. Jahrhundert in Spanien umfasste. Das erklärte in diesen Tagen Archäologin Teresa Ximénez vom archäologischen Provinzmuseum Marq in Alicante, die das EU-geförderte Projekt an der Mittelmeerküste leitet.
Costa Blanca: Größte Begräbnisstätte byzantinischer Zeit entdeckt
An der herausragenden Entdeckung hat auch das deutsche Max Planck Institut entscheidend mitgewirkt. Die Archäologen aus Spanien beauftragten das Forschungsinstitut in Jena damit, genetische Informationen aus den geborgenen Überresten zu entnehmen und zu untersuchen. Auf diese Weise konnten die Forscher neben dem Geschlecht und Alter der Verstorbenen den Zeitpunkt der Begräbnisse auf dem historischen Friedhof im Süden von Alicante ermitteln: Vor etwa 1400 Jahren, als die heutige Costa Blanca tatsächlich Teil des byzantinischen Reiches war. Als Spania, die westlichste „oströmische“ Provinz.
Bei der Erforschung des Areals in einer Gegend, die immer wieder Archäologen überrascht, arbeiten die Provinzverwaltung, das Marq, die Stadt, das lokale Archäologiemuseum, die Universität León und das genannte deutsche Max Planck Institut zusammen. Eine herausragende Entdeckung nicht nur für Spanien ist die bisher größte byzantinische Begräbnisstätte der Iberischen Halbinsel. Schließlich sind die Überbleibsel der spanischen Byzanz-Epoche äußerst rar gesät. Kein Wunder: die westlichste Provinz Ostroms bestand im 6. und 7. Jahrhundert nach Christus keine 100 Jahre, bevor sie wieder an die Westgoten fiel.
Konstantes Symbol: Christen wollten Auferstehung nicht „gefährden“
Dennoch reichte die Zeit für die byzantinischen Bewohner, ihre Kultur und Bräuche in Spanien zu entfalten. 300 Gräber errichteten die Siedler im nun erforschten Gebiet an der Costa Blanca auf einer versteinerten Düne. 30 dieser Gräuber haben die Archäologen bereits ausgegraben, und dabei die Überreste von 50 Menschen verschiedener Alter und Geschlechter ausfindig gemacht. Auch Grab-Beigaben wie Broschen und Keramik entdeckten die Forscher auf dem 1400 Jahre alten Friedhof. Eine Konstante, die sich in den Gräbern wiederholte, ist das Monogramm XP: Ein zentrales Symbol der frühen Christen, neben dem Kreuz und dem Fisch.
Auch die Art der Bestattung in der Grabstätte spricht Bände über die damaligen Menschen und ihre Vorstellungen vom Tod. Die Verstorbenen wurden mit ganzem Körper vergraben. Die Einäscherung, die man, siehe Dama de Elche, seit Jahrhunderten an der antiken Costa Blanca praktiziert hatte, wurde im byzantinischen Reich abgelehnt. Die frühen Christen sahen sich so in der Nachfolge Christi: Dieser war nach dem Tod am Kreuz unverbrannt ins Grab gelegt worden, um am dritten Tage mit Haut und Haar wiederzuerscheinen. Diese leibliche Auferstehung der Toten wollte man sozusagen durch keine Einäscherung gefährden.
Köpfe im Westen: Projekt um drei Jahre verlängert
Bis heute tun sich besonders die Orthodoxen Christen ungemein schwerer mit der Einäscherung als das westliche Christentum. Eine weitere Eigenschaft der Verstorbenen in der größten Begräbnisstätte der Iberischen Halbinsel: Sie wurden mit dem Kopf Richtung Westen begraben: Auch das sei „ein Brauch der frühen christlichen Ära“, erläutert Archäologin Teresa Ximénez. Auf diese Weise blickten die Toten sozusagen der aufgehenden Sonne im Osten entgegen, von wo Christen das Wiederkommen Christi erwarteten. Dass in mehreren Gräbern der Stätte in Rojales Menschen zusammen begraben wurden, lasse laut der Forscherin auf eine tödliche Epidemie schließen, vielleicht sogar die Justinianische Pest anno 541.

Ein „überraschendes und einzigartiges Gelände“ sei der byzantinische Grabhügel, freut sich Teresa Ximénez und mit ihr das ganze Archäologen-Team. Bereits seit den Iberern im 4. Jahrhundert vor Christus sei die Stelle genutzt worden, später von den Römern, und nach den Byzantinern tummelten sich auch die Mauren auf dem Hügel. Aber was machte das Areal im Süden der Costa Blanca so interessant? Viel spreche dafür, dass sich hier ein Flusshafen befand, so Ximénez, aber es sei „noch zu früh, um es sicher zu wissen.“ Weitere drei Jahre werde nun auf dem Cabezo weitergeforscht und das EU-geförderte Projekt daher ausgeweitet.
In den Tagen der Verstorbenen: Von Friedhof zu Freilichtmuseum
Passender konnte der Zeitpunkt für die Verkündung der spektakulären Entdeckung an der Costa Blanca übrigens nicht sein. In der Woche von Allerheiligen und Allerseelen, wenn Spanien seiner Verstorbenen besonders gedenkt, machte das Rathaus Rojales bekannt, dass innerhalb seiner Ortsgrenze sich die größte byzantinische Begräbnisstätte der Iberischen Halbinsel befinde. Das Gelände soll nun für den Besuch von Touristen vorbereitet werden. Das städtische Kulturamt plant, die Begräbnisstätte in ein Freilichtmuseum umzugestalten, und so womöglich die schönsten Friedhöfe der Costa Blanca um ein attraktives Ziel zu erweitern.. Die geborgenen Kunstwerke der byzantinischen Ruhestätte sollen im Archäologiemuseum Rojales landen.