Costa Blanca: Illegale Häuser werden nachträglich legal - Neue Lizenz macht‘s möglich

Hunderttausende Häuser an der Costa Blanca wurden während des Booms illegal gebaut, Käufer waren oftmals unwissende Ausländer. Mit einer neuen Lizenz werden diese Häuser jetzt nachträglich legal - und eine Infokampagne richtet sich gezielt an betroffene Ausländer.
Valencia - Es scheint alles so perfekt. Der Traum vom Haus in Spanien erfüllt sich endlich, beim Kauf läuft alles reibungslos, im Grundbucheintrag steht jetzt Meier statt García als Eigentümer, die Lage auf dem Land ist wundervoll, der Garten sowieso. Erst Jahre später, als die Meiers in ihrem Rathaus an der Costa Blanca eine Baugenehmigung für Renovierungsarbeiten beantragen, stellen sie fest, dass sie ein illegales Haus gekauft haben. Eine Immobilie, die auf „suelo no urbanizable“, nicht bebaubarem Grund, errichtet wurde. Aus dem Traum wird ein Alptraum.
Costa Blanca: Etliche Eigentümer illegaler Häuser sind Ausländer
Fälle wie diese gibt es zu Zehntausenden in der Region Valencia, aber auch in Andalusien oder Murcia. Vor allem während des Immobilien-Booms an der Costa Blanca, ab den späten 1980ern und bis in die 2000er Jahre hinein, wurden Häuser hochgezogen, wo nie welche hätten stehen dürfen. Nicht selten verdienten findige Stadträte oder Beamte im Bauamt mit, wenn sie ein Auge zudrückten. Die valencianische Landesregierung rechnete noch bis vor kurzem mit 350.000 solcher Immobilien, mittlerweile schätzt sie die Zahl auf knapp 200.000, wie viele es wirklich sind, weiß momentan noch niemand.
„Zigtausende Eigentümer solcher illegalen Häuser sind Ausländer. Von denen haben 99,9 Prozent die Immobilien nicht selbst gebaut, sondern erst im Nachhinein gekauft – ohne zu wissen, dass das Haus illegal ist. Sie kauften in gutem Glauben und wurden zu Opfern“, sagt John Michael Kirby. Beispiele gibt es viele, von Einzelpersonen bis hin zu großen Bauskandalen wie dem in dem Dorf Llíber an der Costa Blanca mit 300 Geschädigten, vorwiegend Briten, die illegale Häuser auf nicht bebaubarem Grund kauften.
Lösung für illegale Häuser an Costa Blanca mit Erklärungen auf Englisch
Der englische Bauingenieur Kirby hat nun eine klare Mission im Auftrag des valencianischen Bauministeriums: Den ausländischen Besitzern solcher Immobilien Lösungen aufzuzeigen – in einer Sprache, die sie verstehen, im wörtlichen wie im übertragenden Sinne. Sein Werkzeug: Die neue Lizenz MIT, Minimización de Impacto Territorial, die Kirby und Valencias Bau-Generaldirektor Vicente García jetzt bei einer englischsprachigen Infoveranstaltung in L’Alfàs del Pi vorgestellt haben – in einem Ort an der Costa Blanca, in dem mehr Ausländer als Spanier leben.
Zum Thema: Diese Kosten kommen beim Hauskauf in Spanien auf Sie zu.
Denn mit der neuen MIT-Lizenz können solche Gebäude an der Costa Blanca nachträglich legalisiert werden. „Die Region Valencia stand jahrzehntelang für eine aggressive, undurchsichtige Baupolitik. Wir wollen zeigen, dass sich die Zeiten geändert haben, mit einer transparenten, demokratischen und nachhaltigen Baupolitik, die nah am Bürger ist. Für eine bessere Zukunft, in der so etwas nicht noch einmal passiert“, meinte García.
„Baupolizei“ für die Costa Blanca: Agentur soll weitere illegale Häuser verhindern
Doch lädt eine nachträgliche Legalisierung illegaler Bauten an der Costa Blanca nicht geradezu ein, noch mehr Immobilien in die Landschaft zu setzen, die nicht zum Bauen ausgewiesen ist? Um das zu verhindern, hat die Landesregierung parallel zur MIT-Lizenz die Agentur AVPT, Agencia Valenciana de Protección del Territorio, ins Leben gerufen, die Anfang des Jahres ihre Arbeit aufnahm. „Sie ist so etwas wie die Baupolizei und schiebt illegalen Aktivitäten sofort einen Riegel vor. Die städtischen Bauämter haben meist überhaupt nicht die personellen Kapazitäten, um Bauarbeiten zu überwachen“, erklärt Kirby. Rathäuser können sich der Agentur – noch – freiwillig anschließen, damit die AVPT uneingeschränkt in der Gemeinde handeln kann. Kurioserweise sind jedoch viele Rathäuser mit einer langen Liste von Korruptionsskandalen im Baubereich unter den Gemeinden, die sich der Agentur nicht angeschlossen haben.
Doch zunächst einmal zurück zur neuen MIT-Lizenz. „Die Liste der Probleme, die ein illegales Haus nach sich zieht, ist lang. Es wird keine Erstbezugslizenz (Licencia de primera ocupación) ausgestellt und es dürfen keine Renovierungs- oder Instandhaltungsarbeiten geschweige denn Erweiterungen durchgeführt werden. Entweder, man lässt das Haus also verkommen, oder man verstößt gegen das Gesetz, wenn man trotzdem Arbeiten durchführt“, zählt Kirby auf. Ohne Erstbezugslizenz besteht kein Anspruch auf Müllabfuhr, Wasser-, Strom- und Kanalisationsanschluss. „Und in vielen Rathäusern wird die Anmeldung bei der Gemeinde, Empadronamiento, verweigert. Auswanderer haben dadurch unter Umständen keinen gemeldeten Wohnsitz mehr“, zählt Kirby auf. All das löst die neue Lizenz, die seit dem Sommer beantragt werden kann.
Lizenz für illegale Häuser beantragen: Zuständig sind Rathäuser an Costa Blanca
Zuständig für die Ausstellung der MIT ist das Bauamt im jeweiligen Rathaus an der Costa Blanca. „Parallel zur Infokampagne für Bürger geben wir gerade auch Richtlinien an die Sachverständigen in den Bauämtern heraus“, erklärt Kirby. Voraussetzungen für die Erteilung der Lizenz sind, dass das Wohnhaus auf „suelo no urbanizable“ gebaut und der Bau vor dem 20. August 2014 fertiggestellt wurde. Wenn auf einem Hektar nicht bebaubarem Land weniger als zehn Wohnhäuser stehen, wird dazu ein individueller Antrag gestellt, sind mindestens zehn Immobilien pro Hektar betroffen, ein gemeinsamer. Für den individuellen Antrag muss ein Betroffener zunächst einmal eine Erklärung, DSI genannt, abgeben, und nach deren Genehmigung den eigentlichen Antrag, begleitet von einer Reihe Dokumenten, einreichen.
Die Mitarbeiter im Bauamt erstellen dann einen Bericht, die finale Entscheidung treffen die Stadträte im Plenum. „Die baulichen Anforderungen, die erfüllt werden müssen, damit die Lizenz erteilt wird, sind nach landesweiter Norm recht gering. Es soll ein agiler, schneller und einfacher Prozess für die Betroffenen sein“, sagt John Kirby in der Hoffnung, dass die Gemeinden mit der Landesregierung an einem Strang ziehen werden. Das Problem sind jedoch die schon jetzt oft langen Wartezeiten in den Rathäusern. Und: „Theoretisch können die Bauämter eigene Anforderungen stellen, etwa Baumaßnahmen, die der Antragssteller zunächst umsetzen muss“, sagt Kirby.
„Schlichtweg betrogen“: Ausländer wussten oft nicht, dass ihr Haus illegal ist
Zumindest, um einen schnellen Ablauf zu gewährleisten, hat die Landesregierung aber noch ein Ass im Ärmel: Die sogenannten Ecuv, Entidad Colaboradora Urbanística de la Comunidad Valenciana. Dabei handelt es sich um private Unternehmen oder Einrichtungen, die die Erteilung urbanistischer Lizenzen wie die MIT abwickeln dürfen – gegen Bezahlung, versteht sich. Das valencianische Bauministerium rührt jetzt jedenfalls erst einmal kräftig die Werbetrommel für die neue Lizenz, nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch bei den Rathäusern. „Die Licencia MIT bringt nur Vorteile. Die Eigentümer haben endlich vollen Anspruch auf alle Leistungen rund ums Haus und auf Genehmigungen für Bauarbeiten, zumal der Wert ihrer Immobilie natürlich mit der Legalisierung steigt. Und die Rathäuser können für legale Häuser die volle Grundsteuer IBI verlangen, für illegale jedoch nicht“, sagt Kirby. Schlussendlich, meint der Engländer, gehe es auch um die soziale Eingliederung der Betroffenen, und um die Zukunft tausender Familien.

„Die Betroffenen wurden beim Hauskauf in vielen Fällen schlichtweg betrogen. Doch es geht mir auch grundsätzlich um die Rechte der Ausländer, die hier an der Costa Blanca leben, aber von den Verwaltungen oftmals gar nicht wahrgenommen werden“, sagt Kirby. Die MIT-Lizenz mehrsprachig gezielt Ausländern zu erklären, sei ein erster Schritt, um das zu ändern – zumal diese naturgemäß ein Ablaufdatum hat.
Gemeinsam stark: Ausländer an Costa Blanca sollen sich zusammentun
„Viele sind sich gar nicht bewusst, welche Macht alle Residenten und Nicht-Residenten an den Küsten haben könnten, wenn sie gemeinsam agieren würden“, meint der Brite und nennt ein paar Zahlen: 877.000 Ausländer sind in der Region Valencia gemeldet, allein rund 350.000 Briten besitzen ein Haus in der Region. Mehr als 21 Prozent der touristischen Einnahmen in der Region Valencia generieren Freunde und Angehörige, die ausländische Hausbesitzer besuchen – knapp 100.000 Arbeitsplätze hängen mit dem Residenzialtourismus zusammen. Und: Jede fünfte Immobilie in Valencia gehört einem Nicht-Spanier.
Infos für Betroffene
John Kirby hat für Ausländer online einen Kanal eingerichtet, in dem er mit kurzen Videos alles Wissenswerte rund um die MIT-Lizenz, die Agentur AVPT und ähnliches erklärt. Die Videos sind auf Englisch und Spanisch, teilweise auch auf Deutsch abrufbar.