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Telefónica beseitigt letzte Münztelefone: Stilles Auflegen auch an Costa Blanca

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Von: Stefan Wieczorek

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Ein Münztelefon hängt vor einem Bürgersteig und einer spanischen Apotheke.
Letzten Telefonzellen an der Costa Blanca: Hier und da gibt es in Spanien noch Münztelefone, hier Alicante. © Stefan Wieczorek

In Torrevieja sind Anfang 2023 die letzten Telefonzellen aus dem Straßenbild verschwunden. Spaniens neues Telekommunikations-Gesetz machte sie endgültig obsolet.

Torrevieja - Wie Falschgeld, oder Zeitreisende aus einer fernen Vergangenheit, stehen sie vereinzelt noch da: Telefonzellen oder Münztelefone auf Bürgersteigen und Plätzen, auch an der Costa Blanca. Fast ein Jahrhundert lang waren die Straßen-Telefone eine tragende Säule der Kommunikation zwischen den Menschen in Spanien. Doch zunächst schrittweise, dann rasant, wurden sie vom technischen Fortschritt und dem mobilen und digitalen Lebenswandel überrumpelt. In der Stadt Torrevieja sind Anfang 2023 die letzten Telefonzellen beseitigt worden. Das spanische Telekommunikations-Unternehmen hatte vor einem Jahr den Abriss der knapp 15.000 verbliebenen Münztelefone angekündigt. Ein neues Gesetz machte die Geräte im Mai 2022 endgültig obsolet.

Costa Blanca: Telefonzellen beseitigt - Abriss letzter Münztelefone

Bis vergangenen Mai waren Münztelefone im öffentlichen Raum in Spanien tatsächlich noch ein obligatorischer universeller Dienst für Bürger. Und das, obwohl ihr Nutzen de facto bereits fast auf null gesunken war. Nicht einmal ein Anruf pro Woche wurde pro Telefonzelle mehr getätigt. So war das neue spanische Telekommunikations-Gesetz nur die Bestätigung des Offensichtlichen. Trotz Abriss-Offensive sind Anfang des neuen Jahres noch einige Straßen-Telefone verblieben. Nicht jedoch in Torrevieja, wo das Unternehmen Telefónica im Januar 2023 die letzten Telefonzellen beseitigte. An der Kreuzung der Avenida Alfredo Nobel mit der Calle Eneas ließ der Kranlaster vor ein Paar Zuschauern das Relikt aus längst abgeschlossenen Zeiten verschwinden.

Ob Costa Blanca oder New York: Es ist schon überraschend, dass der Abriss der letzten Münztelefone noch in unseren Zeiten von sich reden macht. Ihre Funktion ist eigentlich seit gefühlten Ewigkeiten Vergangenheit. Ihren letzten großen Auftritt vor dem Weltpublikum hatten sie noch um die Jahrtausendwende, als im futuristischen Kino-Hit „Matrix“ (1999) ausgerechnet Telefonzellen-Anrufe zum Reisen durch die Dimensionen dienten. Doch schon Jahrzehnte zuvor hatte die Bedeutung der Straßen-Telefone auch in Spanien deutlich abgenommen, als private Haushalte sich flächendeckend Telefongeräte aneigneten. Es hat etwas Trauriges, dass sie nun endgültig gehen, die so diskreten aber doch so vertrauenswürdigen Apparate unserer Städte.

Für eine Handvoll Münzen: Nie so hübsch wie in London

Bei so vielen menschlichen Situationen standen sie für eine Handvoll Münzen als Helfer bereit: Für Begegnugnen, Beziehungen und Notfälle - stets waren die Telefonzellen auch an der Costa Blanca die persönlichen Verbindungspunkte. Stets war es ihre Kunst, sich an einer diskreten Stelle im Ort, aber doch für alle deutlich sichtbar aufzuhalten, um im Fall der Fälle bereitzustehen, um Probleme zu lösen, Leben zu retten, die Liebe zu tragen. Aber wieviel Übles und Schmutziges mussten die alten Apparate auch über sich ergehen lassen. Kriminelle Taten, die durch heimliche Straßen-Telefonate vorbereitet wurden. Dann auch Vandalismus, Diebstahl. Selbst als WCs für Betrunkene mussten die ollen Münztelefon-Stellen immer häufiger herhalten.

In Spanien waren die Telefonzellen nie so hübsch oder kultig, wie etwa in London oder New York. Daher sind selbst historische Kabinen für das Auge des Bürgers im 21. Jahrhundert unsichtbar geworden. Fast 100 Jahre alt sind die ältesten Straßen-Telefone in Spanien. 1928 installierte die Hauptstadt Madrid die erste spanische Telefonzelle im damaligen Viena Park, dem heutigen Parque del Retiro. Weniger als um eine Zelle, handelte es sich bei der bahnbrechenden Telekommunikations-Vorrischtung eher um einen Kasten, in welchem sich das erste öffentlich nutzbare Telefon der Spanier befand. Sein großer Vorteil: Die Verbindung zum Gesprächspartner geschah automatisch, eine Vermittlung war - zumindest innerhalb der Stadt - nicht notwendig.

Zum Thema: Glocken in Spanien: „Whatsapps“ aus dem Kirchturm

Kabinen erst in den 60ern: Invasion der mobilen Zellen

Beim Telefonieren war die automatische Verbindung ein Quantensprung der 1920er Jahre in Spanien und Europa. Wollte man in den ersten spanischen Telefonzellen jemanden in einer anderen Stadt erreichen, musste man jedoch die Vermittlung kontaktierten. Und dies geschah über eine spezielle Kurbel, die sich am Apparat befand. Fortan sollten sich die öffentlichen Münztelefone immer wieder modernisieren. Erst in den 1960er Jahre erschienen dann die ersten tatsächlichen Telefonzellen, also Kabinen, in denen der Nutzer hineingehen und ungestört sprechen konnte. Die eingeschlossenen Straßen-Telefone wurden zum Hit der Städte und zum festen Element des Alltags. Der Kult-Thriller „La cabina“ (1972) mit José Luis López machte eine Telefonzelle zum Filmstar.

Mit der Ära der Telefone für zu Hause verloren die Münztelefone auch in den spanischen Städten reichlich Nutzer. Dennoch erfüllten sie noch wichtige Zwecke, etwa bei Unfällen zum Wählen des Notrufs oder für Grüße an die Familie aus dem Urlaub. Spätestens mit der mobilen und digitalen Wende des 21. Jahrhunderts war es jedoch vorbei mit der Zweckmäßigkeit der Telefonzellen. Erst die Handys, nun die Smartphones sollten Funktionen bieten, von denen die ollen Apparate auf der Straße nur träumen konnten. Und zudem passen die heutigen Telefone in jede Hosentasche. In den vergangenen Jahren versuchte man ja noch einiges, um den alten Telefon-Säulen und -Kabinen mit neuen Zwecken das Überleben zu schenken.

Ladestationen und WLAN: Mobile Vorteile und Herausforderungen

Einige Gemeinden funktionierten die strategisch ideal platzierten Telefon-Stellen noch in Ladestationen für Smartphones oder in WLAN-Hotspots um. Meist dienten die alten Münztelefone zuletzt aber als Werbeflächen, so auch in Torrevieja, etwa auf der Plaza de Castelar oder auf der Plaza de la Constitución. Ihre Zeit als tragendes Bindeglied zwischen Menschen ist jedoch lange vorbei. Eingenommen haben ihren Platz die mobilen Telefone, die neben ihren unendlich scheinenden mobilen Vorteilen auch jede Menge Herausforderungen mit sich bringen. Allzu leicht werden die Zellen für die Hosentasche zur Droge. Und werden sogenannte „intelligente“ Ampeln wie in Torrevieja in Zukunft zum festen Straßen-Element, wie einst die alten Münztelefone?

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