Route zu verborgenen Seen: Wandern in Alicantes Wüste

Ein Ziel der geheimnisvollen Art sind die Lagunas de Rabasa. Die halb-natürliche Landschaft entstand offenbar durch einen Betriebsunfall.
Alicante - Etwas Fata-Morgana-haftes hat diese Landschaft ja an sich. Allein von ihrer Optik her: Gewässer inmitten einer trockenen, an eine Wüste erinnernden Umgebung. Dann auch das Überraschende, wenn man sie erblickt. Erst wenn man nahe an die verborgenen Seen tritt, sieht man sie. Schließlich ist da noch ihre Präsenz im Bewusstsein der Stadt Alicante. Mal ist der Ort, von dem wir sprechen, an der Costa Blanca in aller Munde. Dann fragt man sich wieder, ob es ihn wirklich gibt. Unsere Route führt zu den Lagunas de Rabasa, einem außergewöhnlichen Ziel für einen urbanen Wander-Ausflug an Spaniens Mittelmeerküste.
Costa Blanca: Route zu verborgenen Seen - Wandern in Alicantes Wüste
Wo sich die verborgenen Seen befinden, ist zunächst einfach zu sagen: An der Grenze von Alicante und San Vicente, zwischen dem Viertel Rabasa, dem städtischen Friedhof und der Autobahn A-70. Über welche Route man zu ihnen gelangt, daran scheiden sich allerdings bereits die Geister. Denn: Ein offizielles Ziel zum Wandern sind die Lagunen keineswegs, sondern eher ein Betriebsunfall. Ein Bergwerk, das hier Mitte des 20. Jahrhunderts für die Gewinnung von Tonerde zugange war, brach bei der Arbeit bis ans Grundwasser durch, wodurch sich plötzlich die Baugruben in bis zu 70 Meter tiefe Wasserbecken verwandelten.
Mit welchem Hintergrund die Bildung der Seen in Alicante Wüste geschah, und ob deswegen in den 1970ern der Betrieb des Werks stoppte, ist in der Stadt tatsächlich bis heute ein Mysterium geblieben. Fest steht lediglich, dass sich die ihrem Schicksal überlassenen Teiche nach und nach in ein immer natürlicheres Ökosystem verwandelten, in dem nunmehr teils überraschende Flora und Fauna der spanischen Costa Blanca einen Unterschlupf findet und Umweltfreunde begeistert. Drei große Wasserbecken dieser Art findet man auf unserer Route zu den geheimnisvollen Lagunas de Rabasa. Zum Thema: Unbekannte Seiten der Küste
So gut wie immer gefüllt: Urbane Alternative
Das größte Becken, im Norden des Areals, misst 30.000 Quadratmeter, das mittlere erstreckt sich über 20.000, und das kleinste, das man aus dem Viertel Rabasa kommend als erstes erreicht, auch noch 8.000 Quadratmeter. Alle drei sind der Planung des Bergwerks entsprechend parallel, in Richtung Südosten-Nordwesten, angelegt. Hinzu kommen noch drei kleinere, rein natürliche Wasserbecken. Diese jedoch füllen sich je nach Jahreszeit und Regenmenge mal oder trocknen zeitweise völlig aus. Die halbnatürlichen großen Lagunen dagegen haben die erstaunliche Eigenschaft, so gut wie immer mit Wasser gefüllt zu sein.
Und dadurch entwickeln die Seen von Rabasa, in dieser knochentrockenen Gegend um sie, auf den Besucher eine eigenartige Wirkung. Eine seltsame Anziehungskraft hat dieser Standort, der zuletzt wieder boomte, als im Rahmen der Corona-Maßnahmen die Stadtgrenzen abgesperrt waren und Ausflügler statt ins bergige Hinterland der Küste zu fahren zum Luftschnappen auf urbane Routen zurückgreifen mussten. In aller Munde war die seltsame Seen- und Wüstenlandschaft von Alicante auch, als hier in früheren PP-Zeiten eine Urbanisation entstehen sollte, oder auch ein Ikea kurz vor dem Bau war.
Ertränkte Geschichten: Sinne und Sünden
Diese Ikea-Pläne wurden letztendlich verhindert: Ob durch die grün orientierten Kräfte im Rathaus oder vielmehr die politischen Korruptionsskandale, ist nicht eindeutig belegt. Ein Wille, die Lagunas de Rabasa zu einem anerkannten Umwelt-Ziel zu machen, besteht jedoch seitens der Stadt nicht. Vielleicht ja, um den Seen nicht eine weitere Eigenschaft zu nehmen: Das Verschwindenlassen von Dingen und Geschichten, die lieber nicht an die Oberfläche gelangen sollten. So wurden in den Tiefen der sonderbaren Becken schon jede Menge Waffen gefunden, gestohlene Autos und durchaus auch Kadaver.
Ihre stumme Tiefe, inmitten der geschäftigen Stadt der Küste, übt – das zeigen wiederkehrende Schlagzeilen – auch auf allerlei Übeltäter, die ihre Schuld in der einsamen Wüste ertränken wollen, eine starke Anziehungskraft aus. Das spürt man, dieses dunkle Etwas, wenn man entlang der Seen spaziert. Es lohnt sich, bei ihrem Erforschen die Sinne zu aktivieren, gut hinzuschauen, auch zu -hören. Nicht nur wegen der ertränkten Sünden zwielichtiger Alicantiner, sondern auch wegen der Natur. Viel davon scheint das vor Trockenheit nur so strotzende Gelände mit kaum einem Baum ja nicht zu bieten.
Gut eine Viertelstunde: Autobahn in Sicht
Aber durchaus gedeihen diverse Pflänzlein auf den Hügeln, zwischen den Steinen und verteidigen ihr Lebensrecht in Alicantes (beinahe-)Wüste. Auch diskrete Tiere – Vögel wie der Zwergtaucher oder die Stockente – huschen immer wieder durch die Schilfgräser oder bewegen sich still über oder unter dem Wasser. Es dauert nicht lange – eine gute Viertelstunde bei ordentlichem Marsch vom Parkplatz an der Militärkaserne (cuartel militar) im Viertel Rabasa aus –, bis man bei den Lagunen ist. Verpflegung für ein Picknick mitzunehmen, ist für den Ausflug eine gute Idee.

Jedoch sollte etwas Zeit für das Suchen eines bequemen Rastplatzes an den Becken eingeplant werden. Bänke oder zumindest provisorisch vorbereitete Sitzplätze wird man keine finden. Am besten, man nutzt die Hänge der Hügel zum Verweilen. Und dann lohnt sich auch das – vorsichtige – Besteigen der letzteren. Denn von oben bekommt man überaus interessante Perspektiven zu sehen. Erstaunlich, wie nah wir uns etwa an dem Universitätsort San Vicente befinden, oder in welcher direkten Nähe die Autos auf der Autobahn in Richtung Murcia oder Valencia vorbeisausen. Sie ahnen ja gar nicht, dass es hier Wasser gibt, in so einer Fülle.
An den Spitzen der Schilfgräser: Kein schwarzes Loch
Von der A-70 aus, wir haben es ausprobiert, sind die Lagunas de Rabasa nämlich nicht zu sehen und höchstens durch die Spitzen der höchsten Schilfgräser zu erahnen. Eine Autobahnausfahrt mit der Aufschrift „Lagunas de Rabasa“, das fordern Umweltschützer der Costa Blanca ja nicht. Aber zumindest Info-Schilder, verbesserte Pfade, Broschüren und vor allem in der Stadt Alicante einen allgemeinen Sinn für die Natur dieser einzigartigen periurbanen Landschaft. Dass nicht wenigen Besuchern der Seen jeglicher Respekt fehlt, das zeigen leider die an zahlreichen Stellen verteilten Abfälle – ob es sich um Picknickreste handelt oder um aus Baustellen weggeworfene Trümmer.
Einige Blogger, die von den Lagunas de Rabasa berichten – wir schließen uns an –, laden daher dazu ein, beim Besuch des Areals auch die eine oder andere Tüte zum Einsammeln unnatürlicher Reste mitzubringen. Denn man muss kein Taucher der Guardia Civil sein, um zu wissen, dass es in Wirklichkeit ja gar nicht stimmt, dass Alicantes verwunschene Becken alles Alte und Unerwünschte, wie ein schwarzes Loch, einfach so verschlucken würden. Daher erzählen sie durchaus auch einiges über Spaniens bittere Kapitel der Vergangenheit.
Ärger mit fliegenden Kugeln: Vorsicht, Mountainbiker
Reste alter Verteidigungsanlagen aus dem Spanischen Bürgerkrieg grüßen nämlich von Gipfeln einiger Hügel rund um die Lagunen. Wer will, kann diese Ruinen erforschen und die strategisch besten Aussichten genießen. Man sollte aber beim Aufstieg – die Pfade sind rutschig und bröckeln – wieder vorsichtig sein. Im Trend sind die Lagunas de Rabasa derzeit immer mehr bei Jägern. Das sorgte unter Anwohnern allerdings zuletzt für Kritik. Denn schließlich wollen die Mountainbiker oder Crossläufer nicht – wie neulich im nahegelegenen Gebiet des Monte Orgegia – mit einem Hasen verwechselt und von einer Kugel getroffen werden. Auch wenn eine solche Schlagzeile zu Alicantes Fata-Morgana-haften Seen fast passen würde.