Man steigt über Stufen in die Schlucht des Sellent-Flusses hinab und macht Gaspar seine Aufwartung. Gaspar schießt mit einer Urgewalt aus dem Gestein und taucht die Umgebung in einen Nebel aus Wasser ein. Das Mikroklima ändert sich Schritt für Schritt. Je tiefer man die Schlucht hinabsteigt, desto mehr taucht man in eine Art Urwald ein, sattes Grün, Moos und dichter Baumbewuchs bestimmen das Bild. Das Rauschen und Brausen nimmt an Intensität zu und mit einem Mal steht man fast mitten im Wald unter dem wunderschön gelegenen Gorgo de la Escalera. Ein vergleichbar malerisch und leicht zugänglicher Wasserfall liegt unweit von hier acht Kilometer von Quesa entfernt, ebenfalls mitten in der Natur.
Ein wenig erinnert der Landkreis La Canal de Navarrés an einen Ausflug in das in der Marina Alta gelegene liebliche Vall de Gallinera, das man den Fluss entlang hochfährt, um über das Bergtal Vall de Ebo zurückzukehren. Diese Berge bieten Wanderern, Radfahrern und Tagesausflüglern ein immenses Naherholungsgebiet, das im Sommer 2022 allerdings von einem furchtbaren Waldbrand heimgesucht wurde. Ein ähnliches, noch intaktes Landschafts- und Naturerlebnis bietet der Landkreis Canal de Navarrés, und es liegt gar nicht so weit weg davon, man kann auch über Ontinyent nach Xàtiva fahren und schon ist man 15 Kilometer von Anna entfernt. Eine landschaftlich sehr reizvolle Autofahrt, die sich mit einem Abstecher in das zauberhafte Dorf Bocairent verbinden lässt.
Eine malerische Panoramastraße, die CV-580, führt von Anna aus in diese Berggegend hinein über Chella, Bolbaite, Navarrés, Quesa bis ins 23 Kilometer entfernte Bicorp hinauf. Nur 16.000 Menschen leben in dem Gemeindeverbund aus acht Dörfern und das auf einer Fläche von 700 Quadratkilometern. Sicherlich, jedes einzelne Dorf hat seinen Besuchern etwas zu bieten, was hängen bleibt ist Eindruck verwinkelter Gassen, die sich die Dorfhügel hinauf schlängeln und die von weiß gekalkten Fassaden mit wuchtigen Holztüren umgeben sind. Fernab der touristischen Pfade spricht man dort einen ganz eigenen Dialekt, eine Mischung aus Spanisch, Valenciano und Aragonesisch. Um die Mittagszeit liegt ein Duft von Ofenreis – arroz al horno – oder nach den deftigen Reiseintöpfen – arroz caldoso – und Gazpacho Manchego in der Luft.
Man sollte in einer der Dorfmetzgereien vorbeischauen. Würste zählen zu den Spezialitäten und werden auf herzerwärmend freundliche Weise an den Touristen gebracht. Wer es deftig mag und ein wenig Schmugglerromantik einsaugen möchte, die bekannte Caliqueño-Zigarre stammt aus Chella und wird bis heute dort hergestellt. Chella hat einen schönen Dorfkern und am Rande des Dorf stürzt ein spektakulärer Wasserfall 25 Meter in die Tiefe.
Die Flussläufe, Wasserfälle, Wälder und Naturgebiete machen den Canal de Navarrés zu einem attraktiven Naherholungsgebiet sowohl für Familien als auch Freizeitsportler. Aber auch einige Highlights für landeskundlich interessierte Besucher kann der Kreis bieten. In Anna lohnt es sich, sich für eine Führung im Palast des Grafen von Cervellón unter V 616 551 877 anzumelden. Der Palast steht auf der ursprünglichen Burg von Anna, die Jaime I. im Jahr 1244 dem Santiago-Orden vermachte. Eine Burg aus der Zeit vor der Reconquista und Jaime I. thront heute noch über Bolbaite, einem Nachbardorf mit einem sehr malerischen Flusslauf.
In Anna aber vermachte Felipe III. die Burg 1604 der Papst-Familie Borja, die darauf den barock-arabisch geprägten Palast errichten ließ und ihn aufgrund der Nähe zu ihrem Machtzentrum Xàtiva nutzen konnte. Heute gehört der mit dem Palast in Gandía vergleichbare Prachtbau der valencianischen Familie Trenor und er besticht durch prächtige Gemächer, verschnörkelt-verspielte Arabesken, Mudéjar-Fliesen, romantische Bogengänge und den wunderschönen Patio mit dem Brunnen.
Wer gerne mal erleben möchte, wie Olivenöl hergestellt wird, kann die Almazara Pepe Ginia in Navarrés besuchen, wo bereits in der vierter Generation ausgezeichnetes Natives Olivenöl gepresst wird. Eine Führung kann man über www.almazarape peginia.com buchen.
Die Gegend wartet auch mit Höhlenmalereien aus der Bronzezeit auf, bekannt sind Szenen von Jagd und Honigsammeln aus der Cueva de la Araña bei Bicorp. Einen guten Einblick bietet ein 3,7 Kilometer langer Rundweg in Bicorp, bei dem man verschiedene Höhlenmalereien bewundern kann.
Die Webseite lacanalturis mo.com führt eine Vielzahl von Wanderungen, Radtouren und Vogelbeobachtungstouren auf, die man unternehmen kann. Der Schwierigkeitsgrad der Touren ist angegeben. Landschaftlich traumhaft gelegen sind das Benefetal-Hochtal und das Quellgebiet um den Río Fraile über Bicorp. Beide gelten zurecht als Geheimtipp. Das Wald- und Quellgebiet lässt sich auch hervorragend bei einer Radwanderung entlang der BTT-8-Tour entdecken. Die 32 Kilometer lange und gut ausgeschilderte Tour ist technisch nicht sehr anspruchsvoll und kann mit jedem Tourenfahrrad oder E-Bike gefahren werden. Die Batterien sollten aber gut geladen sein, denn auf den ersten zehn Kilometern geht es ordentlich nach oben, aber dann fährt man gemütlich schöne Wald- und Schotterwege am Fluss entlang, bis man bei einem Campingplatz ankommt. Dann geht es wieder bergauf und bergab hinunter zurück nach Bicorp.