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Orihuela unter Wasser: Für Betroffene war „Dana“-Unwetter 2019 kein Film

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Von: Stefan Wieczorek

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Die Klima-Katastrophe „Dana“ flutete 2019 den gesamten Süden der Costa Blanca. Wer denkt in Coronavirus-Zeiten noch daran? Und was macht der Wiederaufbau?

Orihuela - Ein heißer Sommer an der Costa Blanca. Auf einer Fiesta verlieben sich die Jugendlichen Ana und José - und träumen davon, ihre Provinz zu verlassen. Doch das Unfassbare geschieht: Ein mächtiges Gewitter bricht aus und überflutet die Vega Baja, den Landkreis von Ana und José. Straßen, Häuser, alles wird überschwemmt, Autos weggespült. Aus dem grünen Ackerland wird eine Lagune - aus der Liebesgeschichte ein Thriller. „El agua“ heißt der Film von Elena López aus Orihuela. Das Verrückte: Noch bevor sie ihn drehen konnte, wurde aus dem Drehbuch Wirklichkeit.

In einer überschwemmten Stadt in Spanien stehen drei Menschen auf einem Balkon.
In Orihuela sorgte eine „Dana“ im September 2019 für eine Jahrhundertflut. © Ángel García

Denn im September 2019 passierte es wirklich. Über der Mittelmeerküste von Spanien öffnete das Wetterphänomen "Dana" den Himmel. Tonnen Regenwasser fielen herab. Stau- und Ufermauern brachen. Die Vega Baja stand am Freitag, dem 13., unter Wasser. Für Bewohner, Landwirte und Unternehmer entstanden Schäden in Milliardenhöhe. Fast vergessen ist die Katastrophe heute, in der neuen Not des Coronavirus. Doch im Katastrophengebiet tut sich was. Schäden werden repariert, Ufer befestigt, Pläne für eine erneuerte, nachhaltige Gestaltung der Küste geschmiedet.

„Dana"-Sturm entblößte alte Mängel im Bau und Instandhaltung der Vega Baja

Die Reparatur der Staumauer in Guardamar vor zwei Wochen war ein solcher, „Dana“-geschuldeter Eingriff. Guardamar, an der Mündung des Flusses Segura, der die Felder der Vega nährt, bekam am Ende der Katastrophe mit Wucht alles ab: Wasser, Gräser, Abfälle. Acht Monate später reparierte das Wasserwirtschaftsamt CHS das Flussbett. Und fischte dabei abermals tonnenweise Abfälle heraus, die das eifrige Konsumverhalten der Bürger in Covid-19-Zeiten aufzeigten.

Idylle bietet ein Drohnen-Video vom Fluss zwischen Orihuela und Guardamar. Doch der Schein trügt. Brutal entblößte der Sturm Jahrzehnte alte Mängel in Bauplanung und Instandhaltung der Vega. Ufermauern brachen, Gräser verstopften den Fluss – dafür bekam das CHS viel Kritik ab. Aber die Katastrophe geschah auch aus anderen Gründen: Wegen des sorglos gebauten Straßennetzes etwa, das den natürlichen Abfluss des Wassers blockierte. Auch wegen kurzsichtiger Stadtplanung oder wegen mangelhaften, mitten in die Landschaft gebauten Wohnsiedlungen.

Klimawandel an Costa Blanca: Heftige, plötzliche Gewitter in neuen Formen

Das CHS macht jetzt seine Hausaufgaben und repariert die Schäden am Fluss. Jene Mauer von Almoradí etwa, die brach und die Landschaft bis nach Guardamar in einen See verwandelte, ist nun neu und fest. Auch in Formentera del Segura und Rojales erneuerte das Wasserwirtschaftsamt Ufermauern sowie auch den Damm in Santomera in Murcia. Um weitere Defekte kümmert sich ein neuer Ausschuss: Plan Vega RenHace, gesteuert vom Land Valencia, besetzt mit Experten aus verschiedenen Bereichen wie Geographie, Raumplanung, Stadtentwicklung und Ökologie.

Menschen waten durch Hochwasser in einer Stadt an der spanischen Mittelmeerküste.
In Orihuela stand im September 2019 wegen "Dana" die City unter Wasser. © Ángel García

Ende 2019 gegründet, soll der Plan – soweit es noch geht – die Strukturmängel in der südlichen Costa Blanca korrigieren und zugleich aus der Vega Baja eine Referenz für nachhaltige Wasserwirtschaft an der Mittelmeerküste schaffen – entsprechend der heutigen Ansprüche des Klimawandels. Denn „Dana“, hier sind Experten sich fast einig, war keine Ausnahme, sondern vielmehr ein Warnsignal. Plötzliche, heftige, bisher ungekannte Wetterkapriolen seien der Ausdruck des Klimawandels, und eben keine lineare Entwicklung. Das erklärt etwa Jorge Olcina, einer der Direktoren von Vega RenHace.

Plan: Kanal, der bei „Dana“-Sturm bei Orihuela für Horror-Bilder sorgte, umleiten

Der Wiederaufbau der beim Unwetter zerstörten Costa Blanca könnte angesichts von Klimawandel exemplarisch für das ganze Mittelmeergebiet in Europa sein. Darauf hoffen die Experten, und haben die Schaffung eines Forschungszentrums für Klimastudien zu den ersten 18 Schritten für die Neugestaltung der Vega Baja gemacht. Im Mai fand die erste Sitzung der Expertengruppe Plan Vega RenHace statt – wegen des Coronavirus war es eine Online-Konferenz. Doch vor allem einer der 18 Punkte sorgte für Zündstoff.

Denn RenHace kündigte an, bei Orihuela die Rambla de Abanilla, einen natürlichen Kanal im Gebirge, umzuleiten. Bei der „Dana“ sorgte der Kanal für die Horror-Bilder mit den vielen umgekippten Autos. Nun soll er nach Norden geleitet werden. Dort wäre das Auslaufen nicht so tückisch. Sagen die Experten. Die Orte dort fürchten jedoch, bei der nächsten „Dana“ unterzugehen. Redován zeigte das CHS, das gerade am Kanal zugange ist, bereits bei der Staatsanwaltschaft an - und traf die falschen vermeintlichen Übeltäter. Denn die CHS-Reparaturarbeiten hatten nichts mit dem Plan Vega RenHace zu tun.

Vor einer bergigen Landschaft in Spanien liegen umgekippte Autos im Schlamm.
Bei Orihuela riss das Dana-Hochwasser 2019 Autos mit sich. © Ángel García

Nach „Dana"-Hochwasser zahlte Land Valencia 12,3 Millionen Euro an Betroffene

Für ein weiteres Problem in der Vega Baja hat der Expertenplan womöglich eine Lösung gefunden: Die quer durch den flachen Kreis gebauten Land- und Nationalstraßen sowie die Autobahn AP-7, die bei der Flut das Wasser wie Dämme stoppten. Der RenHace-Ausschuss übertrug dem Land Valencia nun den Vorschlag, die Verkehrsadern so umzubauen, dass sie Wasser durchlassen. In derselben Sitzung wurde zudem ein altes Projekt neu aufgegriffen: Die Verbreiterung der CV-95 nach Torrevieja, ein Nadelöhr, das ständig für Staus sorgt.

Doch Valencia hat auch schon reichlich mit den Zahlungen an bei der Katastrophe geschädigten Menschen zu tun. 511.000 Euro flossen im Mai 2020 an 228 Betroffene. 12,3 Millionen wurden in den vergangenen Monaten in 7.450 Überweisungen gezahlt. Auf 21 Millionen Euro stieg zuletzt der Fonds für zerstörten Hausrat. Weitere 30 Millionen Euro entschädigen für kaputte Gebäude. Angesichts der Covid-19-Lage, das teilte Valencia bereits mit, verzögerten sich diese Hilfen jedoch. Eine der Direkthilfen vom Land kam wegen der Pandemie ganz zum Erliegen.

Auf einem verwüsteten Gelände im Osten Spaniens liegen mehrere Autowracks.
„Dana“-Hochwasser: Monate später sah die Vega Baja, hier Almoradí, noch so aus. © Rathaus Almoradí

Nach „Dana“-Hochwasser hat Madrid noch kein Geld an Betroffene gezahlt

Acht Monate nach der „Dana“-Katastrophe ist dagegen das versprochene Geld vom Staat nicht in Sicht. Das erzürnt die Vega Baja, die nicht vergessen hat, wie Spaniens Präsident Pedro Sánchez (PSOE) das Hochwasser nur aus dem Helikopter betrachtete (siehe Tweet unten). Wütend kündigte Orihuelas Bürgermeister Emilio Bascuñana (PP) an, Sánchez und auch Landeschef Ximo Puig (PSOE) - dieser besuchte die Vega nach der Flutkatastrophe mehrmals - zu schreiben. Die finanzielle Notlage im Kreis sei mit der Sars-CoV-2-Krise hochkritisch geworden.

Doch auch die Bürger der Vega Baja scheinen ihren Anteil zu vergessen. Das zeigte bei den Reperatur-Arbeiten des Wasserwirtschaftsamtes CHS der viele Müll am Damm in Guardamar. Es war Plastik aus Haushalten aller Orte, an denen der Fluss Segura und seine Nebenkanäle vorbeifließt: Von Rojales über Orihuela bis nach Murcia. Dabei hatten doch Ökologen nach der „Dana“ so auf die Vermeidung von Müll gepocht. Denn der wandle nicht nur das Klima – sondern verstopfe auch das Flussbett und Kanäle für einen geregelten Abfluss des Wassers.

„Dana“-Film zur Katastrophe sucht Darsteller: Jugendliche, Migranten, Senioren

Ob der Aspekt Umwelt im noch unvollendeten „Dana“-Film vorkommt? Wünschenswert wäre es, denn er zielt auf die Jugend ab. Viel Neues schwemmte das Hochwasser, das das Drehbuch prophezeit hatte, für Filmemacherin Elena López aus Orihuela herbei. Unter anderem Bilder der realen Not, die kein Horror mit Schauspielern war. Gesucht werden für „El Agua“ („Das Wasser“) übrigens noch Darsteller: Von jugendlichen Draufgängern über rustikale Landarbeiter, arabische Migranten bis zu 99-jährigen „energischen“ Frauen. Anmeldungen laufen über die Film-Webseite https://www.elaguafilm.com.

Für die „Dana“-Opfer nahm Sänger Jesús Lorenzo 2019 das Lied „Fuerza Vega Baja" - "Sei stark, Vega Baja" auf. Im Clip sind Bilder vom Katastrophengebiet zu sehen:

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