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Quallen in Valencias Oceanográfico: Meeresmuseum zeigt Medusas aus Spanien und aller Welt

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Von: Anne Thesing

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Quallen können einem zwar an den Stränden Spaniens immer wieder die Badelust verderben, aber sie haben auch ihren Reiz. Worin der liegt, zeigt das Meeresmuseum Oceanográfico in Valencia.

Valencia - Irgendetwas Kleines treibt da im Aquarium. Dreck, könnte man meinen. Oder Plastik-Partikel. Erst beim genaueren Hinschauen sieht man das winzige Wunder. Hunderte millimeterkleine Schirme, aus denen kaum sichtbare Fäden hängen. Es sind Baby-Quallen.„Sie wachsen sehr schnell“, sagt Miguel Candelas und zeigt weitere Becken, in denen man sie schon eher als Quallen erkennt - als die Meeresbewohner also, die auch in Spanien immer wieder für Unannehmlichkeiten an den Stränden sorgen. Noch bevor sie als Miniaturschirmchen herumtreiben, sind sie übrigens noch keine Quallen, sondern Polypen, die hier im Oceanográfico in Valencia in einem anderen Becken winzig klein an Plastikscheibchen kleben. Sie sind das erste Stadium dieses komplexen und zugleich einfachen Lebewesens, vor dem wir Menschen einerseits die Flucht ergreifen, das uns aber andererseits so faszinieren kann.

WasserzooOceanográfico Valencia
Wo?In der Ciudad de las Artes y las Ciencias
AdresseCarrer d'Eduardo Primo Yúfera, 1B, 46013 Valencia
ÖffnungszeitenTäglich von 10 bis 20 Uhr

Quallen als Zuschauermagnet: Ausstellung in Valencia mit großem Erfolg

Seit April 2017 stellt das Meeresaquarium Oceanográfico in Valencia Quallen aus. Nachdem auch diese Einrichtung wegen der Coronavirus-Pandemie vorübergehend schließen musste, ist sie seit dem 1. Juli mit den in Spanien geltenden Sicherheitsmaßnahmen wieder geöffnet. Neben den anderen Meeresbewohnern, die in der Anlage leben, können damit auch die Quallen wieder besucht werden. Sie schwimmen in 16 verschiedenen Becken, sind mal größer, mal kleiner, mal farbig, mal transparent, aber immer ein Zuschauermagnet. Zurzeit bekommen die Besucher hier auf das Museum verteilt insgesamt 14 verschiedene Quallenarten aus aller Welt zu sehen. Jede hat ihr eigenes Becken, „sonst würden sie sich gegenseitig auffressen“, sagt Miguel Candelas und schließt die Tür zu dem kleinen Ausstellungsraum wieder zu, in dem die Entwicklung vom Polypen zur Qualle und das Wachsen der Nesseltiere in Gefangenschaft demonstriert werden.

„Eigentlich war die Schau auf zwei Jahre angelegt, aber der Erfolg war so groß, dass wir sie als Dauerausstellung aufgenommen haben“, sagt Candelas. Der Biologe aus Pego ist seit 2006 im Oceanográfico beschäftigt. Mit dem Einzug der Quallen wurde er zum Experten für die Nesseltiere. Kaum einer kann so detailliert und engagiert über diese Tiere berichten wie er.

Auch wenn mal wieder eine Quallenplage an Land geschwemmt wird, zieht man ihn zu Rate – dabei sind Quallen genau das für Miguel Candelas am allerwenigsten: eine Plage. „Je besser wir sie kennenlernen, umso besser verstehen wir sie“, sagt er, und wir lassen uns darauf ein, indem wir für eine Weile die Sorge, beim Baden mit einem der Nesseltiere in Berührung zu kommen, vergessen, um sie von einer anderen Seite kennenzulernen. „Wer sie hier im Oceanográfico sieht, staunt über ihre Schönheit“, sagt Candelas. „Und darüber, wie entspannend es ist, sie im Wasser treiben zu sehen.“

Zum Beispiel die Spiegeleiqualle, die in einem der Zylinder im Eingangsbereich des Oceanográfico schwimmt. Wobei schwimmen wohl nicht das richtige Wort ist. Sie scheint sich eher pumpend fortzubewegen. „Quallen haben Muskeln, um ihren Schirm zu öffnen und zu schließen und so voranzukommen“, sagt der Biologe. Für ein Schwimmen gegen den Strom reicht es jedoch nicht – die Richtung, in die das Wasser fließt, ist auch die Richtung, in die die Quallen sich treiben lassen.

Eine Person steht vor einem Aquarium, in dem Quallen schwimmen.
Mehr als eine Plage: Quallen sind faszinierende Meeresbewohner. © Ángel García

Damit die Quallen in ihren Aquarien nicht gegen die Wand stoßen und sich dabei verletzen, sind die Ströme, die im Ocenográfico künstlich erzeugt werden, genau kalkuliert. Wie viele andere Faktoren auch, die bei der Aquarienhaltung von Quallen beachtet werden müssen. „Viele glauben, dass sie leicht zu halten sind, da sie am Strand massenweise auftauchen“, sagt Candelas. „In den Aquarien sind sie aber sehr empfindlich.“

Quallen auf Nahrungsjagd: Oceanográfico in Valencia züchtet Plankton

Neben den Strömungen sind Temperatur, Salzgehalt und Ernährung entscheidend für die Entwicklung der Glibbertiere und müssen jeweils variiert werden, um ihnen das Wachstum zu ermöglichen. Auf dem Speiseplan steht tierischer Plankton, sogenannter Zooplankton. Auch dieser wird speziell im Oceanográfico gezüchtet – und landet schließlich im Mund der Qualle, oder auch in ihren Mündern. „Einige haben nur einen Mund, andere haben tausende“, sagt Candelas – und zwischen den stimmungsvoll beleuchteten Aquarien mit ihren transparenten Bewohnern nimmt die Faszination für diese geheimnisvollen Lebewesen immer mehr zu.

Doch zurück zur Nahrungsaufnahme. Das Futter gelangt durch Mundarme in den Mund der Qualle, welche sich im Innern des Schirms befinden und den Plankton wiederum von den Tentakeln überreicht bekommen. Diese hängen am Schirmrand und enthalten das, was uns Menschen solche Angst macht: giftige Nesselzellen, die der Qualle die Jagd auf Nahrung ermöglichen.

Bei der Berührung mit diesen Zellen gelangt das Gift in den Körper des Feindes, die künftige Nahrung wird gelähmt – und verspeist. Soweit kommt es beim Menschen nicht, aber auch bei uns kann die Berührung mit dem Gift mehr oder weniger unangenehm oder sogar gefährlich sein – je nach Quallenart, Stelle der Berührung und Gesundheitszustand des Menschen. Eine Erfahrung, die sicherlich schon manch ein Badegast gemacht hat.

Quallen und Polypen: Kuriose Fortpflanzung

Im Oceanográfico droht diese Gefahr zum Glück nicht. Im nächsten Aquarium, das Miguel Candelas ansteuert, befinden sich Lungenquallen. „Sie sind die größten Quallen im Mittelmeer und haben tausende Münder“, sagt der Biologe und zeigt auf blumenkohlröschen-ähnliche Gebilde, die aus der Mitte des Schirmes hinunterhängen.

Weiter geht es zu den Leuchtquallen mit ihren langen Tentakeln und zu den Orangenen Quallen, die sich mit ihren gelben Schirmen im größten Quallenbecken Europas in 5.000 Liter Wasser vergnügen. „Sie können bis zu 4,5 Meter lang werden“, sagt Candelas, was aber von dem ihnen zur Verfügung stehenden Platz abhänge. In einem benachbarten Zylinder treiben Ohrenquallen, die im Oceanográfico auch als Nahrung für ihre Quallen-Kollegen gezüchtet werden.

Mehrere Leuchtquallen schwimmen in einem Aquarium.
Die Leuchtqualle (Pelagia noctiluca) ist die häufigste Qualle im Mittelmeer. © Ángel García

Ein Kuriosum ist die Mangrovenqualle, die nicht im Wasser treibt, sondern auf dem Rücken auf dem Meeresgrund klebt, wo sie sich für Photosynthese Licht – in diesem Fall von Strahlern – auf den Körper scheinen lässt. Eine für eine Qualle untypische Position, denn eigentlich sind es ja nicht die Quallen, sondern die Polypen, die fest auf dem Meeresgrund ankern. Und aus denen dann Quallen werden, die wiederum Polypen erzeugen. Ein Kreislauf, bei dem man nicht weiß, wo er begonnen hat und wo er endet. „Das ist wie die Frage, ob zuerst das Huhn oder das Ei da war“, sagt Candelas.

Fangen wir trotzdem beim Polypen an, um zu verstehen, wie der Übergang von einem zum anderen Stadium und die Fortpflanzung funktionieren. Unter bestimmten Wasser- und Temperaturbedingungen, die je nach Art variieren, erzeugt der Polyp Quallen. Eine Befruchtung gibt es nicht, die Vermehrung erfolgt, indem er sich in mehrere flache Körpersegmente abschnürt, die sich loslösen und zu Quallen entwickeln.

Diese wiederum vermehren sich auf sexuellem Weg – die Eier der weiblichen Qualle werden befruchtet, es bilden sich Larven, die sich am Boden festsetzen und zum neuen Polypen heranwachsen. Der Kreislauf zwischen Qualle und Polyp ist geschlossen – wobei es auch einige Quallen gibt, die ohne Polypenphase auskommen.

Quallen überleben am Strand nur wenige Minuten

Diese kuriose Fortpflanzung der Quallen scheint immer besser zu fruchten. Das zumindest ist unser Eindruck, wenn wir die Glibbertiere massenweise im Meer treiben oder am Strand liegen sehen – wo sie übrigens nur wenige Minuten überleben, während sie ihr Gift noch rund 48 Stunden nach Verlassen des Wassers aussenden können.

Doch hat die Zahl der Quallen tatsächlich zugenommen? Fakt ist: Die meisten Quallen mögen es warm. „Die Sommer werden immer länger und damit auch der Zeitraum, in dem sie sich fortpflanzen“, sagt Candelas, gibt aber zugleich eine Entwarnung für Urlauber. „Wenn an einem Tag Quallen am Strand auftauchen, werden sie nach maximal zwei bis drei Tagen wieder weggeschwemmt.“ Das bestätigt auch das Meeresinstitut des CSIC in einem Artikel der Zeitung „Información“. „In den 105 Sommertagen hat jeder Strand maximal an 15 Tagen Quallen und niemals an mehr als drei aufeinanderfolgenden“, heißt es dort über die Situation in Katalonien, die sich auf die valencianische Küste übertragen lasse. Das entspricht 14 Prozent des gesamten Sommers. Zahlen, mit denen man leben kann.

Gelblich leuchtende Ohrenquallen schwimmen durchs Wasser.
Kaum schmerzhaft ist die Berührung mit einer Ohrenqualle. © Ángel García

Sofern es dabei bleibt, was auch und vor allem vom Menschen abhängt. Steigende Temperaturen als Folge des Klimawandels kommen den Quallen genauso entgegen wie die Zunahme ihrer Nahrung – ein Ergebnis der Überfischung. Laut der Europäischen Kommission fischen wir zwei bis drei Mal so viele Tiere aus dem Wasser, wie das Ökosystem von alleine reproduzieren kann. Die Folge: Quallen müssen das Plankton, ihre Lieblingsspeise, mit immer weniger anderen Meerestieren teilen. Der Überschuss an Futter lässt sie aufleben.

Bedrohte Quallen: Gefahren durch Eingriffe des Menschen ins Ökosystem

Zumal sie kaum noch jemand beim Fressen bedroht. „Wir eliminieren immer mehr ihrer natürlichen Feinde“, sagt Candelas. Zu denen zählen zum Beispiel die Unechte Karettschildkröte und der Rote Thun, beide vom Aussterben bedroht. Je mehr wir von ihnen fangen, umso besser für die Quallen. „Eine Schildkröte kann bis zu einer Tonne Quallen pro Woche fressen, sagt Josep María Gili vom CSIC gegenüber „Información“.

Die Liste der Eingriffe des Menschen ins Ökosystem, die den Quallen das Leben erleichtern, lässt sich um einiges fortführen. Einleitungen aus Landwirtschaft und Kläranlagen fördern das Wachstum von Algen und Plankton – noch mehr Futter für die Quallen. Zudem verbrauchen Algen und Plankton Sauerstoff, den andere Meerestiere zum Überleben benötigen, Quallen dagegen sind in dieser Hinsicht anspruchsloser.

Küstenbauten wie Häfen, Dämme, Plattformen, Fischfarmen oder auch Schiffsrumpfe liefern den Polypen erstklassiges Material zum Festankern. Wassertanks der Schiffe transportieren sie in Meere, in die sie aus eigenem Antrieb nie gelangen würden. „Quallen sind ein Indikator für ein Ungleichgewicht im Meer“, fasst es Candelas zusammen.

Mehrere Personen laufen vor dem Eingang des Oceanografico in Valencia.
Quallen und mehr: Das Oceanográfico in Valencia ist wieder geöffnet. © Ángel García

Quallen als Delikatesse: Nahrhaft und fettarm

Der Meeresbiologe steht mittlerweile vor einem Aquarium im Oceanográfico in dem seine Lieblingsqualle, die Rhopilema esculentum, schwimmt, deren braune Mundarme an Flammen erinnern. „Leider ist es eine der essbaren Quallen“, sagt er. Essbar? Appetitlich sieht sie nicht gerade aus, aber ja, man kann einige der Nesseltiere nach spezieller Zubereitung tatsächlich essen. Bisher sind sie vor allem in asiatischen Ländern eine beliebte und erstaunlich nahrhafte Speise. Quallen enthalten neben Salz und Wasser, das 98 Prozent des Tiers ausmacht, auch Proteine, Natrium, Kalzium, Kalium und Magnesium. Und das ganz ohne Fett und Cholesterin.

Doch längst nicht alle Quallen sind essbar und bevor sie auf dem Teller landen, muss das Gift aus den Tentakeln unschädlich gemacht werden, wofür es verschiedene Methoden gibt. Ihre erstaunlich krustige Struktur erhalten sie durch das Einlegen in einer Mischung aus Salz und Alaun. „Einen Eigengeschmack haben sie nicht. Sie nehmen den Geschmack an, den man ihnen gibt“, sagt Miguel Candelas.

Miguel Candelas zeigt auf ein Plakat mit Erklärungen zu Quallen.
Experte für Quallen: Miguel Candelas im Oceanográfico. © Ángel García

Dann sind Quallen also doch zu etwas nutze? Keine gute Frage für den Biologen. „Das ist typisch für uns Menschen, wir wollen für alles eine Erklärung“, sagt er. Dabei hätten auf ökologischem Niveau alle Tiere ihre Funktion. „Wir sollten uns lieber fragen, was wir falsch machen, dass es so viele von ihnen gibt. Der Strand ist nicht unser Schwimmbad. Wir wollen gerne alles entfernen, um ihn für uns zu haben. Aber wir müssen im Gleichgewicht mit der Natur leben, sonst zerstören wir am Ende uns selbst.“

Die Quallen werden wir dagegen nicht zerstören. Wären wir oder sonst ein Lebewesen dazu fähig, hätten sie wohl kaum so lange überlebt. „Man hat 540 Millionen Jahre alte Fossilien dieser Tiere gefunden. Sie haben die gleiche Form wie die heutigen Quallen“, sagt Candelas.

Zufrieden wirft er noch einen Blick auf die beruhigenden Bewegungen seiner Lieblingsqualle. Sie ist wirklich schön. Es hat sich gelohnt, die Quallen von einer anderen Seite kennenzulernen.

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