Diese Konstellation zwischen einem konservativen und einem reformistischen Kontrahenten zieht sich bis hinunter in die Region Valencia. Man sieht deutlich, dass südlich von der Provinzstadt Alicante in den landwirtschaftlich geprägten Gebieten der Costa Blanca die PSOE schlechter dasteht und sich anders gibt als etwa im mondänen Gandía oder in Dénia oder Jávea, wo eher „sanfte“ Modernisierer mit absoluten Mehrheiten fest im Sattel sitzen. Bei dieser Landtagswahl, bei der wirklich ein Mandat von den 99 zu vergebenden über die künftige Regierungsbildung entscheiden kann, wird es auch wichtig sein, wo die Stimmen herkommen.
So wird es die Volkspartei in der Marina Alta schwerer haben, wo ihr der Dünkel der Korruption und aggressiven Baupolitik noch anhaftet, als in der Vega Baja, in der ja neben der Landwirtschaft der Immobiliensektor boomt. Mit der Bildungspolitik und dem Pochen auf Castellano als Unterrichtssprache machen die Konservativen im Süden Alicantes mehr Stiche als nördlich davon. Dort ist die Regionalsprache reibungslos im Unterricht integriert. Gerade in der Bildungspolitik hat die regionale Partei Compromís viele Punkte bei jungen Wählern sammeln können. Die Valencia-Castellano-Dialektik kann bei dieser Wahl durchaus eine Rolle spielen, wohl mehr im Süden als im Norden.
Beim Gesundheitswesen nehmen Sozialisten gerne die Region Madrid ins Visier und sprechen von Demontage. Doch die Sanidad in Valencia vergleicht PP-Kampagnenchef Miguel Barrachina nicht von ungefähr mit einem „Kollaps“. Über eine Million Valencianer setzen angeblich auf das private Gesundheitssystem. Die Sozialisten räumen Versäumnisse ein, können aber darauf verweisen, dass die Wartezeiten noch unter dem Spanienmittel liegen. Glatt aber ist die Rückführung privat verwalteter Krankenhäuser nicht gelaufen, weder in Dénia, wo der Prozess noch nicht abgeschlossen ist, noch in Torrevieja, wo die Klagen der Patienten nicht abreißen. Dem Gesundheitswesen setzen nicht nur geringe Haushaltsmittel zu, sondern auch die demographische Entwicklung und ungünstig geregelte Länderfinanzierung.
Die Wohnungspolitik, ein weiteres Schlachtfeld in diesem Wahlkampf, kann man in Valencia nicht als sozial bezeichnen. Sozialwohnungen jedenfalls hat die Linksregierung keine errichtet. Und der Wohnraum wird zusehends knapp. Junge Familien drängen raus in die Peripherie, weil sie keine Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsplätze finanzieren können. Das ist die Kehrseite dieses Modernisierungsprozesses, den sich etwa Dénias Bürgermeister Vicent Grimalt (PSOE) gerne auf die Fahne schreibt, mit seinen Luxusrestaurants und der schicken Innenstadt.
Wirtschaftlich wächst Valencia über dem Durchschnitt und es entstehen mehr neue Arbeitsplätze als in vielen Regionen Spaniens. Doch die laue Produktivität und Strukturschwäche bremsen die Region aus, in der Landwirtschaft, Bau und Tourismus als die Wirtschaftsmotoren gelten und die Löhne 13 Prozent unter dem Durchschnittswert und die Arbeitslosigkeit über dem Mittel in Spanien liegen.
Den Wandel des Produktionsmodells hat die Regierung eingeleitet mit der Batterienfabrik von Volkswagen in Sagunto. Eine Investition von drei Milliarden Euro. Das schlachtet Puig aus und feuert Breitseiten auf eine Volkspartei ab, deren frühere Regierungschefs mit zweifelhaften pharaonischen Projekten und Korruptionsskandalen wie dem Gürtel-Fall in Erinnerung bleiben. Der Wähler, meinen die Sozialisten, müsse zwischen „Gürtel“ oder Volkswagen entscheiden. Was wenig mehr als ein griffiger Wahlkampfslogan ist, die beiden großen Volksparteien PP und PSOE liegen politisch viel näher beieinander als ihre potentiellen Bündnispartner, die rechtspopulistische Vox und die alternativen Linksparteien Compromís und Unidas Podemos. Steht man eher rechts oder links der Mitte, vor dieser Entscheidung werden viele Wähler am Sonntag stehen.