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Der Tod feiert mit: Stiertreiben in Valencia fordern sieben Menschenleben

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Von: Stephan Kippes

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Ein Mann bringt sich vor einem angreifenden Stier in Sicherheit,
Die Stierhatzen haben bereits sieben Menschenleben in der Region Valencia gefordert. © Oliver Stahmann

Die Region Valencia muss bereits sieben Tote und etliche Verletzte bei den Sommer-Fiestas beklagen. Schuld daran tragen die beliebten Stiertreiben.

Update, 29. August: Das Treffen zwischen Vertretern der Stiertreiben und der Landesregierung Valencia hat zu keinem konkreten Ergebnis geführt. Die Kommission empfiehlt eine strengere Überwachung der Sicherheitsmaßnahmen und ruft Festbesucher, die daran teilnehmen, zu Vernunft und Vorsicht auf. Ferner sollen die Organisatoren der Volksfest-Spektakel besser für die Durchführung der Stiertreiben geschult werden und es sollen mehr Informationskampagnen gefahren werden, um Gefahrensituationen zu vermeiden. „Sobald eine Situation bemerkt wird, die einen Verstoß gegen das Reglement darstellen könnte, müssen sofort Maßnahmen ergriffen werden, der Leiter des Festakts oder Stierexperte müssen benachrichtigt und das Spektakel ausgesetzt werden, bis die Situation sich wieder normalisiert“, meinte Staatssekretär José María Ángel. Niemals dürfe man den Respekt vor Stieren verlieren.

Valencia – Der Sommer ist eine einzige Fiesta an der Costa Blanca, mit langen Tagen am Strand, lauen Nächten mit Freunden auf den Sommerfesten, mit Musik, Feuerwerk und dem Tod. Bei den traditionellen Stiertreiben in der Region Valencia haben in diesem Sommer sieben Festbesucher tödliche Verletzungen erlitten, weil sie auf die Hörner genommen wurden, schwere Quetschungen oder Knochenbrüche erlitten haben – wohlgemerkt bei Volksfesten, zuletzt am gestrigen Donnerstag in Beniarbeig. Von der Zahl der Verletzten gibt es nicht einmal verlässliche Angaben.

Stiertreiben an der Costa Blanca: Kaum ein Politiker wagt, sie infrage zu stellen

Nur wenige Politiker in Valencia wagten es, diese Spektakel infrage zu stellen. Einige Mutige wie der Bürgermeister von Tavernes de la Valldigna, Sergi González, mussten in Kauf nehmen, eine wütende Meute vor dem Amtssitz erdulden zu müssen, die „ihr Recht“ auf Tradition und Fiesta samt Stiertreiben einfordert, hierzulande in ihrer „harmlosesten“ Form als bous al carrer bekannt.

Das Stadtoberhaupt der linksregionalen Compromís-Partei spricht dagegen von einer „offenkundigen Tierquälerei“, die völlig unvereinbar mit aktueller Tierschutzpolitik sei. „Man redet viel darüber, dass solche Spektakel verboten werden müssten. Wir haben das eben getan.“ Klare Worte, zumal beim jüngsten Protest gegen diese Stierhatzen in El Verger am vergangenen Wochenende die Tierschützer mit vermummten Gesichtern ihr Protestplakat in die Höhe hielten und anonym ihre Botschaft verkündeten – aus Angst vor Anfeindungen und zerstochenen Reifen.

Tote bei Stiertreiben: Landesregierung Valencia reagiert

Bei sieben Toten im Juli und Augst kann aber auch die Landesregierung Valencia nicht mehr wegschauen und hat nun die Stierkampf-Vereine einbestellt. Weil es seit 2015 nicht mehr so viele Tragödien bei Volksfesten gab und die Saison der Stiertreiben noch nicht einmal zu Ende ist. Bei jedem Unfall bei einem Musik-Festival wie zuletzt die Tragödie beim Medusa-Fest stehen die Organisatoren mit einem Bein im Gefängnis, bei einer sich abzeichnenden Häufung von Verkehrsunfällen mit Radfahrern stellt man die Straßenverkehrsordnung auf den Prüfstand - bei einem Todesfall bei Stiertreiben dagegen feiert man die nächste Fiesta weiter, im Nachbarort, wo wieder jedermann, unabhängig, ob er in diesem Moment im Vollbesitz seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten ist oder nicht, auf Tuchfühlung mit halbwilden Kühen und Jungstieren gehen kann.

So wie Maria, die Französin. In der Szene löste ihr Tod am Donnerstag Betroffenheit aus, denn sie machte bei vielen Spektakeln an der Costa Blanca mit. Die Frau war aber 73 Jahre alt, als sie bei den Stiertreiben in Beniarbeig angeblich von einer Kuh erfasst, mit dem Horn in der Brust aufgespießt und gegen die Gitter der Schutzkäfige gedrückt wurde. Sie war sofort tot. Wahrscheinlich wusste Maria doch aufgrund ihrer Erfahrung, auf was für ein Risiko sie sich einließ. Was ist mit dem 64-jährigen französischen Touristen, der in Pedreguer hinter den Gittern, aber doch ganz vorne dran die spanische Tradition erleben wollte, bis er vom Horn eines Stiers erfasst wurde? Wie kann es sein, dass immer wieder Minderjährige mitmischen, wie etwa in Náquera, wo zwei Jugendliche von einem Stier mit Feuerwerk auf den Hörnern verletzt wurden und das Spektakel abgesagt werden musste? Wer musste der Mutter des 18-Jährigen die Nachricht vom Tod ihres Sohnes überbringen, der zwei Tage nach dem Volksfest in Soneja an den Folgen der Verletzungen starb?

Gefährliche Stiertreiben an der Costa Blanca - Immer mehr Anhänger ohne Erfahrung

All das trug sich bei Volksfesten zu, bei denen der Schutzpatron der jeweiligen Ortschaft gefeiert wurde. Die Rede ist nicht von professionellen Stierkämpfen, da steht ein ausgebildeter Torero einem Kampfstier gegenüber und nicht eine euphorische Dorfbevölkerung, und, wie man hört, auch immer mehr Besucher ohne Erfahrung, hinzu kommen mehr Alkohol, mehr Drogen und weniger Angst. Die Landesjustizministerin Gabriela Bravo fordert nun die Überprüfung der Sicherheitsprotokolle und Schutzmaßnahmen bei Stiertreiben. „Wenn wir die Traditionen bewahrt werden sollen, dann muss es so sein, dass das Leben der Personen nicht in Gefahr ist.“

Die Unglücksfälle bei den Stiertreiben haben das ausgelöst, worum Tierschützer sich schon seit Jahren bemühen. Eine öffentliche Debatte darüber, ob diese Art von Veranstaltungen noch in die heutigen Zeiten passen und mit den Tierschutzbestimmungen vereinbar sind. Auf offene Ohren sind Tierfreunde dabei zuletzt nicht gestoßen. Nach der Pandemie und all ihren Einschnitten und Verboten musste der Aspekt des Tierschutzes doch der weit verbreiteten Meinung weichen, dass man den jungen Leuten nun auch mal ihren Spaß lassen müsse und es Schlimmeres gebe, als ein paar Kühe und Jungstiere, die Straßen auf und ab trotten, bis sie mal am Schwanz gezogen werden. Bei sieben Toten und den mehreren Schwerverletzten hört der Spaß auf, da kann man sich nicht hinter Festtraditionen verbunkern. Entweder sind diese Stierhatzen alles andere als wie behauptet ein harmloser Fiesta-Spaß -oder die Sicherheitsmaßnahmen bei den Veranstaltungen sind ungenügend. Bei den Sanfermines laufen ausgewachsene Kampfstiere durch die Straßen Pamplonas und dieses Jahr ist kein Läufer dabei gestorben.

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