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Ultraläufer in Murcia: Wie ein Deutscher den Transeuropalauf erfand

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Von: Sandra Gyurasits

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Ein älterer Mann hält ein Plakat in die Kamera mit der Aufschrift: „Lisbon to Moscow“
Deutscher Ultraläufer in Puerto de Mazarrón: Wie Manfred Leismann den Transeuropalauf erfand © Sandra Gyurasits

42, 100, 200 oder 5.000 Kilometer: Für Manfred Leismann ist keine Distanz zu groß. Der Ultraläufer blickt in Murcia auf eine bemerkenswerte Karriere zurück. Ein Highlight ist der Transeuropalauf vor 20 Jahren.

Mazarrón – Manfred Leismann unterschreibt seine E-Mails mit dem Zusatz „Der schnellste Hahn Deutschlands“. Das hat einen Grund. Aber dazu später. Im Leben des 76-Jährigen dreht sich alles ums Laufen. Das war bereits als Junge so. „Ich bin schon damals gelaufen und keiner konnte mithalten.“ Und so ist es noch heute. Manfred Leismann, der mit seiner Frau Brigitte die Winter auf dem Campingplatz Las Torres in Puerto de Mazarrón im Südosten von Spanien verbringt, ist Ultraläufer, was nach Untertreibung klingt, wenn er seine Geschichte erzählt.

Dass er auf seine Läufer-Karriere mit unzähligen Marathons, zig 100- bis 400-Kilometerläufen und der Krönung, einen 4.724 Kilometer-Transamerikalauf, zurückblickt, hat einen Anlass. Am 19. April 2003, also vor 20 Jahren, hat er den ersten Transeuropalauf mit organisiert und ist auch mitgelaufen. 5.036 Kilometer von Lissabon nach Moskau in 64 Tagesetappen ohne Ruhetag. Das sind pro Tag fast 79 Kilometer, also 64 Ultraläufe hintereinander.

Deutscher Ultraläufer in Murcia: Wie Manfred Leismann auf den 5.036 Kilometer langen Transeuropalauf kam

Die Idee zu dem Transeuropalauf hatte Manfred Leismann, als er im Keller aufräumte und ihm dabei eine Landkarte in die Hand fiel. „Ich habe die Strecke von Lissabon nach Moskau ausgemessen und dabei den Transeuropalauf erfunden“, sagt er. Gemeinsam mit Ultraläufer Ingo Schulze gründete er den Verein Transeuropalauf, fuhr Strecken ab, machte Orientierungspunkte für die Sportler wie Unternehmen oder Gebäude ausfindig und suchte eine autobahnfreie Route. „Die Organisation hat eineinhalb Jahre gedauert“, erzählt Manfred Leismann. Noch einmal würde er das aber nicht machen. „Organisieren und mitlaufen, das hat mich umgehauen.“ Dennoch kam er als 13. von insgesamt 44 Teilnehmern ins Ziel.

Nach dem schönsten seiner Läufe gefragt, sagt er spontan: „Der Transamerikalauf“, der ihn später auch dazu anspornen sollte, den Transeuropalauf ins Leben zu rufen. Von dem Lauf von Los Angeles nach New York erfuhr Manfred Leismann durch das Buch „Das Rennen“ von Tom McNab. Der Autor beschreibt den erbarmungslosen Wettkampf beim Transamerikalauf 1931. „Als ich hörte, dass das Rennen 1995 wieder stattfindet, habe ich gebrannt.“

Deutscher Ultraläufer in Murcia: 21 Kilometer zur Arbeit laufen und wieder zurück

Manfred Leismann sprach mit seinem Arbeitgeber in Leverkusen und bekam die Unterstützung, die er brauchte, um sich „diesen Traum zu erfüllen“. Sein Training bestand unter anderem darin, 21 Kilometer von zuhause zu seiner Arbeit und wieder zurück zu laufen. Zur Vorbereitung gehörten auch etliche Ultraläufe, wie der 148-Kilometer-Lauf in Brühl, 342 Kilometer von Wien nach Budapest, der nonstop 264-Kilometer-Lauf in Ungarn oder der 100-Kilometer-Lauf auf der Bahn im Saarland. Dabei umrunden die Athleten ganze 250 Mal das Stadion auf einer 400-Meter-Bahn. Das macht Spaß? „Was Schöneres gibt es nicht“, sagt Manfred Leismann. „Man hat seinen Gegner auf der Bahn immer im Blick.“

Als Manfred Leismann zu laufen begann, gab es noch keine Wettbewerbe. „Erst in den 70er Jahren haben die Wandervereine auch Volksläufe organisiert.“ Er machte sofort mit. 1971 war ein besonderes Jahr für ihn. Er heiratete Brigitte, die er ebenfalls mit dem Laufen infizierte, wie er sagt, und lief seinen ersten Marathon. „Ich wollte wissen, wo meine Grenze liegt.“ Er kam in weniger als drei Stunden ins Ziel.

Deutscher Ultraläufer in Murcia: Den 100-Kilometer-Lauf unter zehn Stunden geschafft

Dabei sollte es nicht bleiben. Im Alter von 25 Jahren ging er an den Start für seinen ersten Ultralauf, 100 Kilometer in 24 Stunden. „Ich hatte mir vorgenommen, unter den zehn Stunden zu bleiben.“ Doch daraus wurde nichts. „Ich hatte einen gleichaltrigen Lauf-Partner, der, immer wenn ihn ältere Läufer überholten, hinterherrannte und irgendwann nicht mehr konnte.“ Bei Kilometer 74 wollte er aufhören. Doch Manfred Leismann blieb bei ihm. „Die letzten 16 Kilometer sind wir gemeinsam gewandert und nach 11 Stunden 15 Minuten ins Ziel gekommen.“

Ein Läufer mit blauen Trikot von Bayer reckt den rechten Arm zum Zeichen des Sieges in die Höhe.
Ultraläufer Manfred Leismann im Ziel des Transamerikalaufs in New York 1995 © Manfred Leismann

Der nächste Anlauf, die 100 Kilometer unter zehn Stunden zu schaffen, musste warten. Die Leismanns zogen berufsbedingt nach Berlin. Leismann vernachlässigte das Training auch wegen der beiden Kinder. 1985 stieg er wieder ein und blieb beim Hamburg-Marathon auf Anhieb unter drei Stunden. 1986 beglich er die noch ausstehende Rechnung und schaffte den 100-Kilometer-Lauf in Biel in der Schweiz unter zehn Stunden. „Der Start war um 22 Uhr, man läuft nachts, wenn alles ruhig ist und man sich auf sich selbst konzentrieren kann“, erzählt er. „Wenn dann die Sonne aufgeht, schwebt man.“

Deutscher Ultraläufer in Murcia: „Ich laufe seit 30 Jahren und habe nur Freude und Spaß gehabt“

Ob er mal ans Aufhören gedacht hat? „Nein, nie“, sagt er. Diese ganze Läuferszene habe ein faszinierendes Flair. „Ich laufe seit 30 Jahren und habe nur Freude und Spaß gehabt“, versichert er. „Die Euphorie, das ist ein schönes Erlebnis.“ Vom so genannten Runners High und den Glücksmomenten hält er wenig. „Die Geschichte ist doch dümmlich“, meint er. „Jeder, der auch nur ein bisschen läuft, redet gleich vom Runners High. Die Leute wollen sich nur interessant machen.“

Einen der nächsten Läufe, den Manfred Leismann anvisiert, ist der Mad Chicken Run im September in Cottbus. Die Läufer müssen in 24 Stunden 60 Kilometer laufen. Der Chicken Run hat jedoch nichts mit dem eingangs erwähnten „schnellsten Hahn Deutschlands“ zu tun. „Immer wenn ich im Publikum jemanden sehe, den ich kenne, krähe ich wie ein Hahn, aber richtig laut, das ist mein Markenzeichen“, erklärt Leismann.

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