Luchse ziehen nach Lorca: Neue Heimat für bedrohte Raubkatze in Murcia

Der Iberische Luchs war vor 20 Jahren in Spanien fast ausgerottet. In den Bergen von Lorca im Südosten von Spanien soll sich die Raubkatze nun wieder heimisch fühlen. Doch sie muss auf der Hut sein.
Lorca – „Einer mehr unter uns“: So lautet der Titel eines Werbevideos der Landesregierung von Murcia im Südosten von Spanien. Gemeint ist der Iberische Luchs, eine der am stärksten vom Aussterben bedrohten Katzenarten. Das Raubtier soll im März in den höher gelegenen Gebieten von Lorca wieder angesiedelt werden, wie der Landesminister für Umwelt, Juan María Vázquez (PP) bei der Projekt-Präsentation mitteilte.
Die ersten beiden Luchs-Paare werden Anfang März in den Sierras del Gigante und Pericay, Lomas del Buitre-Río Luchena und Sierra de la Torrecilla um den Puentes-Stausee erwartet. Die vier Katzen stammen aus Zuchtstationen in Portugal und Jaén in Andalusien. Sie werden nach dem so genannten soft release Verfahren ausgewildert. Das bedeutet, dass die Tiere ihre ersten Wochen in der Region Murcia in zwei Akklimatisierungsgehegen von je einem Hektar verbringen, bevor sie in die freie Wildbahn entlassen werden.
Luchse in Spanien: Bedrohte Raubkatze wird in den Bergen von Lorca angesiedelt
In Freiheit steht ihnen ein 22.500 Hektar großes geschütztes Gebiet zur Verfügung, das Teil des europäischen Netzes für Schutzzonen Red Natura 2000 ist. Noch vor dem Sommer werden zwei weitere Luchs Paare aus Spanien eintreffen. Das Video „Einer mehr unter uns“ soll die Bevölkerung für das Luchserhaltungsprogramm „Lynxconnect“ einnehmen.
„Die Kosten für uns sind minimal im Vergleich zu dem, was er uns bringt“ und „Wir brauchen den Luchs, den Adler, den Falken...“, sagen die Menschen in dem Film, die keine Wissenschaftler sind, die von dem Wert der Luchse überzeugt sind, sondern Jäger und Landbewohner, die eng mit dem Raubtier zusammenleben müssen, das vor 20 Jahren noch am Rande der Ausrottung stand. Heute leben mehr als 1.000 Exemplare in freier Wildbahn verteilt in ganz Spanien, in Andalusien, Extremadura, Kastilien-La Mancha und Südportugal.
Luchse in Spanien: Idealer Lebensraum in Lorca mit viel Kaninchen und wenig Menschen
Auch in Lorca wird der Luchs willkommen geheißen. Eine Umfrage ergab, dass insgesamt 63 Prozent der Befragten dafür, 15 Prozent dagegen und 22 Prozent sich nicht sicher sind. Am höchsten war die Zustimmung in der Gruppe der Umweltschützer, gefolgt von dem Freizeit- und Tourismus-Sektor von Murcia und den Bewohnern in dem Gebiet, in dem die Raubkatze wieder angesiedelt werden soll. Verhaltener fiel die Begeisterung dagegen bei Jägern und Städtern aus.
Ausschlaggebend bei der Wahl des neuen Luchs-Reviers war, dass viele Kaninchen, die Lieblingsbeute der Katze, und wenig Menschen in dem Gebiet leben. Mindestens zwei bis drei Wildkaninchen pro Hektar sollten es sein, bei den Menschen nicht mehr als sechs Einwohner pro Quadratkilometer. Im Vergleich: Im Stadtgebiet von Lorca wohnen 57 Menschen pro Quadratkilometer. Zudem sollte es wenig potenzielle Konfliktpunkte geben, wie Zuchtbetriebe von Schafe, Ziegen, Kaninchen oder Hühnern, die Opfer von einem Angriff werden könnten.

Bevor sich die Experten für die Sierras von Lorca entschieden, legten sie Hunderte von Kilometern zu Fuß und mit dem Fahrzeug zurück, um Kaninchenkot zu untersuchen, die Vegetationsdecke zu messen und illegale Jagdmethoden wie Fallen mit Schlingen auszuschließen. Zudem führten sie eine Studie über möglichen tödliche Zusammenstöße mit Wildtieren im Straßenverkehr durch. 44 Proben von überfahrenen Tieren wurde untersucht. Herauskam, dass 46 fleischfressende Säugetiere unter die Räder gekommen waren, hauptsächlich Hauskatzen und Füchse.
Luchse in Spanien: Geplante Autobahn bedroht Sicherheit der Luchse in Lorca
Die Geschichte vom Luchs, der in Lorca einen neuen Lebensraum finden soll, hat jedoch einen Haken: Dieselbe Landesregierung, die das Projekt Wiederansiedlung des Luches präsentierte, kündigte nur drei Tage später den Bau einer Autobahn zwischen Lorca und Caravaca de la Cruz an, die genau einen Teil des neuen Zuhauses des Luchses durchquert. Die Autobahn ist schon seit 13 Jahren in Planung Dass das 500 Millionen Euro teure Vorhaben jetzt endlich realisiert werden soll, hat eventuell mit der Landtagswahl im Mai zu tun.
Die Umweltschutzorganisation Anse (Asociación de Naturalistas del Sureste) findet: „Keine gute Idee.“ Anse-Sprecher und Biologe Jorge Sánchez kritisiert, dass man Luchse haben wolle, aber nicht die Verantwortung für die Tiere übernehme. Sáchez weist daraufhin, dass die Hauptursache für die Sterblichkeit des Iberischen Luchses der Straßenverkehr sei. Die Spanische Gesellschaft für die Erhaltung und Erforschung von Säugetieren (Secem) findet es absurd und fahrlässig, ausgerechnet in einem Reservoir für Luchse eine Straße durchzuziehen.
Luchse in Spanien: Raubkatzen legen Tausende Kilometer auf der Suche nach neuen Revieren zurück
Die Landesregierung versicherte, dass das Projekt Autobahn angepasst werde, um weder Umwelt noch Luchs zu schaden. Dass das funktionieren kann, zeigt ein Luchs-Gebiet in Granada, das in der Nähe der Autobahn A-92 liegt. Licht- und Schallsensoren verhinderten, dass die Tiere auf die Straße gerieten, hieß es.
Die Luchse beschränken sich bei weitem nicht auf die Gebiete, die ihnen zugewiesen wurden. „Litio“ ist ein Beispiel dafür. Der Luchs machte sich 2018 auf den Weg von Portugal nach Barcelona. Oder „Kentaro“, der 2014 in den Bergen von Toledo freigelassen wurde und 2.400 Kilometer durch den Norden strich, bevor er 2016 in Galicien von einem Auto überfahren wurde.