Warmer Winter in Murcia: Schönes Wetter mit unschönen Folgen

An der Küste von Spanien herrschen ungewöhnlich hohe Temperaturen. Dem Tourismus kommt der warme Winter zugute, die Natur gerät durcheinander, und das hat Folgen.
Murcia – Es ist zu warm in der Region Murcia im Südosten von Spanien. Am 25. Dezember zeigte das Thermometer auf La Manga am Mar Menor und in Cabo de Palos an der Küste von Cartagena 25 Grad Celsius an. Urlauber sonnten sich am Strand, nahmen ein Bad im Meer oder feierten Partys wie in Orihuela in Alicante. Der Präsident des Hotelverbandes Hostecar, Juan José López, bestätigte, dass die Tourismusbranche von dem ungewöhnlich warmen Winter profitiert. Ersten Schätzungen zufolge könnten die wenigen geöffneten Hotels auf La Manga und in Cartagena auf eine Auslastung bis zu 80 Prozent während der Feiertage gekommen sein.
Was die Gastwirte und Hotelbetreiber im Süden von Spanien als Segen empfinden mögen, bereitet den Landwirten Sorgen. Obst und Gemüse wie Artischocken, Salat und Trauben brauchen die Kälte, um ihren natürlichen Zyklus zu vollenden bevor sie auf den Markt kommen, hieß es. Pflanzen seien von den Temperaturschwankungen genauso betroffen wie Menschen, sagte der Leiter für Pflanzenschutz im Landesministerium für Landwirtschaft in Murcia, Francisco González. So würden Salat und Artischocken innen hohl werden, wenn es länger zu warm sei. Kernlose Weintrauben würden Kerne bekommen und von den Supermärkten abgelehnt werden, um Kundenbeschwerden zu vermeiden.
Warmer Winter in Murcia: Hohe Temperaturen in Spanien bringen die Natur durcheinander
Auch die Obstbäume kommen durcheinander. Bauern in Cieza schlugen kürzlich Alarm, nachdem sie beobachtet hatten, dass ihre Bäume zaghaft die ersten Blüten sprießen ließen, zwei Monate zu früh. Der Präsident des Bauernverbandes Coag in Cieza, Miguel Ángel Piñera, bezeichnete die Situation als ungewöhnlich und beunruhigend. Er könne sich nicht daran erinnern, in den 30 Jahren, die er auf den Feldern arbeite, jemals eine Obstblüte an Heiligabend gesehen zu haben, sagte Piñera gegenüber der Zeitung „La Verdad“. Es habe bis jetzt nicht ein einziges Mal gefroren, nicht einmal in den kältesten Gebieten. In einem normalen Jahr gebe es mehr als 20 Tage mit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt in den frühen Morgenstunden.
Das Problem: Die Pflanzen brauchen Kälte, um Winterruhe zu halten und sozusagen Kraft zu sammeln für die Blütezeit im Januar oder Februar. Wenn sie jetzt blühen und plötzlich Kälte hereinbricht, erfrieren sie, oder sie sind bereits abgefallen, wenn sie eigentlich sprießen sollten.
Warmer Winter in Murcia: Schönes Wetter mit negativen Auswirkungen
Die angenehme Winterwärme hat noch weitere negative Effekte, zum Beispiel der Befall durch Schädlinge. Pflanzenschutz-Beauftragter González wies auf die vielen Schmetterlinge hin, die derzeit umherflatterten. Dabei sollte es im Winter keine Falter geben. Die Schmetterlinge würden Eier auf den Blättern legen, aus denen Larven schlüpften, die die Pflanze durch ihre Gefräßigkeit schädigten. So geschehen bereits vergangenen Winter, der auch sehr mild war. Betroffen von Schädlingen waren Mandelbäume. Noch ein Nachteil der Wintermilde: Die Pflanzen benötigen mehr Wasser als bei Kälte und Wasser ist vor allem im Süden von Spanien ein immer knapper werdendes Gut.
Der Winter 2022 wird nicht der einzige kleine Sommer sein, den die Landwirte erleben werden. Der Agrarsektor ist sich durchaus bewusst, dass die Zukunft eine große Umstellung erfordert. Der Präsident des Bauernverbandes Coag in Murcia, José Miguel Marín, fand deutliche Worte: Die Tage der traditionellen Landwirtschaft in der Region seien gezählt, nicht nur wegen des Klimawandels, sondern auch wegen steigender Kosten und Wassermangels vor allem in der Region Murcia. Dürren würden zyklisch verlaufen, darauf könne man sich einstellen, aber gegen die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels sei man machtlos, so Marín. Deshalb sei es erforderlich, darüber nachzudenken, nur noch Pflanzensorten anzubauen, die nicht viel Kälte brauchen.
Warmer Winter in Murcia: Schon der Herbst war der wärmste seit 62 Jahren
Das staatliche Wetteramt Aemet bewertet den Herbst in der Region Murcia als wärmsten der vergangenen 62 Jahre. Die Durchschnittstemperatur betrug 19,6 Grad Celsius, 2,4 Grad mehr als gewöhnlich. Zudem wurde von September bis November eine Niederschlagsmenge von nur 72,4 Liter pro Quadratmeter registriert, das entspricht nur 66 Prozent des Wertes, der im gleichen Zeitraum 2021 gemessen wurde. Der September 2022 war der heißeste September des 21. Jahrhunderts mit einer Durchschnittstemperatur von 23,9 Grad. Am heißesten war es mit 38,5 Grad am 9. September in Librilla. Bemerkenswert auch der Tiefstwert am 3. September in Cartagena, der nicht unter 26,9 Grad sank.
Die steigenden Temperaturen in der Region Murcia und im ganzen Süden von Spanien haben Folgen, nicht nur für die Landwirtschaft. Auch der Tourismus, der derzeit noch von dem guten Wetter profitiert, wird sich auf drastische Veränderungen einstellen müssen. Wissenschaftlern am Institut für Gesundheit Carlos III in Madrid zufolge wird der Südosten von Spanien zur Wüste werden. Zur Erinnerung: Im Juli wurden in der Region Murcia Höchstwerte von 45 Grad gemessen. Die Temperatur des Mar Menor erreichte ebenfalls einen Höchstwert von 31,2 Grad. Die Experten gehen davon aus, dass es die Touristen in den Norden des Landes ziehen wird. Im Süden und Landesinneren werde es unmöglich werden, wegen der Hitze nachts erholsamen Schlaf zu finden.
Es bestehe auch ein Zusammenhang zwischen Klimakrise und psychischen Problemen, hieß es. Hitzewellen, Schlaflosigkeit und Müdigkeit könnten Angst, Nervosität und Jähzorn auslösen.