Früher formten Pitres mit Capilerilla, Mecina mit Mecinilla und Fondales sowie Ferrerirola mit Atalbeitar drei unterschiedliche Gemeinden. Ihr zunehmender Bevölkerungsschwund machte drei verschiedene Rathäuser mit der Zeit immer unhaltbarer, sodass sie 1975 schließlich fusionierten, mit Pitres als Verwaltungszentrum. Den eigenwilligen Namen, den sie der Gemeinde gaben, La Taha, klauten sie von ihren arabischen Vorfahren. Als Taha wurden im islamischen Königreich Granada nämlich aus mehreren Dörfern bestehende Verwaltungseinheiten bezeichnet. Jene, die seinerzeit in der Zone existierte, nannte sich Taha de Ferreyra und umfasste neben den heute zur Taha gehörenden noch die benachbarten Dörfer Portugos und Busquistar.
In La Taha findet man all das vor, was einem in den Sinn kommt, wenn man an die Alpujarra denkt. Enge Gassen – in den Ortskernen kann man sich nur zu Fuß fortbewegen – und durch die Lage an Abhängen oft auch sehr steile Gassen. Die urigen Häuser mit ihren dicken Mauern und kleinen Fenstern, die im Sommer vor der Hitze und im Winter vor der Kälte schützen sollen. Nur wenige Häuser sind mit Rollläden oder neuen Türen modernisiert worden, in vielen hängen indes noch ganz traditionell die ortstypischen Jarapas (halb Decke, halb Teppich) vor der Tür. Charakteristisch sind auch die für hoch gelegene Bergdörfer ungewohnten Flachdächer. Mit Holzbalken und Schiefersteinen errichtet, werden sie mit Tonerde bedeckt, sodass Gras auf ihnen wachsen kann und die Häuser auf natürliche Weise von Feuchtigkeit und Kälte isoliert werden.
Archetypisch für die Alpujarra und in den Dörfern der Taha allgegenwärtig sind auch die so genannten Tinaos, seltsame „Unterführungen“, die unter den Häusern hindurchführen und in denen der private und der öffentliche Raum quasi verschmelzen. Und außerhalb der Ortschaften erfüllt die Landschaft ebenfalls alle in die Alpujarra gesteckten Erwartungen: das Rauschen des Wassers, ob von Bächen oder Bewässerungskanälen, ist ständiger Begleiter, terrassenförmig angelegte Gärten oder Obstbaumfelder allenthalben und traumhafte Ausblicke auf Berge und schluchtige Täler.
Als richtiges Dorf ist von den sieben Ortsteilen der Taha eigentlich nur die „Hauptstadt“ Pitres zu bezeichnen, die an der Hauptstraße von Pampaneira nach Trevélez gelegen immerhin rund 400 Einwohner aufweist. Hier findet man neben dem Rathaus unter anderem ein Gesundheitszentrum, sogar mit Notaufnahme, vor, einen Supermarkt sowie eine Schule. Und dem hungrigen Besucher – den Durst kann man überall an Brunnen stillen – stehen zumindest ein paar wenige Lokale zur Auswahl. Essen gehen kann man in der Taha außer in Pitres nämlich nur noch in Mecina, wo man kurioserweise sogar ein vegetarisches Restaurant vorfindet, das L’Atelier, das auch zwei Zimmer zum Übernachten anbietet. In allen anderen Siedlungen findet man zwar Landgasthäuser vor, wie auch in einigen abseits gelegenen Cortijos, aber keine Restaurants, nicht einmal eine Tapas-Bar. Und richtige Hotels gibt es in La Taha immerhin zwei: Das Hotel de Mecina Fondales in Mecina und das Hotel Fuente Capilerilla in Capilerilla.
Was gibt es zu den Dörfern der Taha noch zu sagen? Ein Großteil der Häuser sind ob der Landflucht nicht ganzjährig bewohnt. Besonders hoch ist der Anteil der Zweitwohnungen, zumeist Weggezogener, in Mecinilla, was man daran merkt, dass dort besonders viele Fassaden nach den Calima-Episoden des Winters noch immer nicht vom Sahara-Staub befreit worden sind. Und die Einwohner sind recht religiös oder müssen es früher zumindest gewesen sein, denn jede Siedlung, ist sie noch so klein, hat wenn nicht eine eigene Kirche, zumindest eine kleine Kapelle.
Fazit: Die Dörfer der Taha sind vor allem jenen zu empfehlen, die Ruhe und Abgeschiedenheit suchen, die, wenn sie denn dort übernachten, von Vogelgesang statt von hupenden Autos oder knatternden Mopeds geweckt werden. Einen längeren Aufenthalt sollte man sich schon vornehmen, wenn er dem Stressabbau dienen soll. Ein Tagesausflug eignet sich eher, um mal eben in Pampaneira eine Jarapa oder in Trevélez einen Schinken zu erhaschen.
Was an Wochenenden, Feiertagen und im Sommer doch sehr viele Leute tun, während man in den Dörfern der Taha selbst in touristischen Hochphasen noch recht einsam unterwegs ist. Den ein oder anderen Wanderer trifft man an, hier und da auch mal einen Einwohner. Schön für die Besucher, zugleich aber traurig für ihre Gastgeber, denn einige Siedlungen wirken nicht nur wie ausgestorben, sie sind es tatsächlich beinahe auch. Mecinilla etwa zählt keine 20 festen Einwohner. Kinder sieht man kaum welche und wenn, gehören sie zu einer Urlauberfamilie oder besuchen ihre Großeltern.
In dieser Hinsicht würde Gerald Brenan die Dörfer seiner geliebten Alpujarra nicht wiedererkennen. Damals, vor 100 Jahren, waren die Häuser noch alle bewohnt und die Straßen voller spielender Kinder. Das aufkommende Problem der Landflucht zeichnete sich indes schon ab. Im eingangs erwähnten Film von Fernando Colomo will Paco, ein junger Mann, der sich mit Brenan anfreundet, dem öden Landleben entfliehen, nach Argentinien, dem damaligen Eldorado spanischer Auswanderer. Und Juliana, die eine Beziehung mit Gerald Brenan eingeht, aus der Elena als Frucht ihrer Liebe hervorgeht, nachdem der Schriftssteller in seine Heimat hatte zurückkehren müssen, gibt ihre Tochter freiwillig weg. Sie händigt sie ihrem einstigen Geliebten aus, als dieser Jahre später, verheiratet, nach Yegen zurückkehrt, um ihr eine bessere Zukunft zu ermöglichen, als jene, die sie in der Alpujarra aufwachsend erwartet.