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Ausflug ins weiße Dorf Mojácar: Idole des heiligen Hügels

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Von: Stefan Wieczorek

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Eine schöne Ecke mit Tor einer weissen Ortschaft.
Mojácar, immer wieder entzückend: Beim Rundgang sollte man Karte und Google Maps wegstecken. © Rathaus

Einen besonderen Zauber übt der Ort ganz am Rande Andalusiens aus. Keine Sorge, wenn man sich verläuft: Im Labyrinth der weißen Gassen steht dem Besucher der geheimnisvolle Indalo bei.

Die weißen Dörfer in Andalusien sind für Touristen im Süden von Spanien ein strahlender Leckerbissen. Jedoch lohnt es sich, beim Besuch genau hinzuschauen, und zwar nicht nur auf die Sehenswürdigkeiten im Reiseführer. Denn jedes der andalusischen Dörfer erzählt eigene, faszinierende Geschichten, die man eigentlich erst dann kennenlernt, wenn man auf die Menschen achtet. Auf Menschen von heute, die jetzigen Bewohner, aber auch auf ihre Vorfahren, die mehr und weniger bekannten Andalusier der örtlichen Geschichte. Der Ausflug nach Mojácar etwa führt uns zweieinhalb Jahrtausende durch die Zeiten, wobei wir starke Wasserträgerinnen bewundern, auf Walt Disney stoßen, und uns ein geheimnisvoller Ur-Einwohner Almerías begleitet.

Andalusien: Ausflug in weißes Dorf - Sehenswürdigkeiten von Mojácar

Schon bevor man überhaupt richtig da ist, grüßt in Mojácar die Figur mit den freundlich ausgestreckten Ärmchen, über denen sich eine bogenartige Form wölbt. Vor 2.500 Jahren malte ein jungsteinzeitlicher Mensch das geheimnisvolle Männeken auf eine Wand 100 Kilometer nordwärts (Cueva de los Letreros). Der Indalo wurde zum Markenzeichen der ganzen Provinz Almería, fand aber nirgendwo solchen Anklang wie hier, unter den Bewohnern des Dorfes auf dem „heiligen Berg“. Ja, tatsächlich ist das die Bedeutung des iberischen Wortes monxacar, aus dem sich das heutige Mojácar ableitete. Etwas Besonderes ist dieser „heilige Berg“ allein als eines der von der Vereinigung Los Pueblos Más Bonitos de España offiziell gelisteten weißen Dörfer Andalusiens.

Doch das am äußeren Rand der andalusischen Region, nahe an Murcia gelegene Mojácar versprüht noch eine ganz eigene Magie. Und dafür sorgen einige prägende Figuren. Erst einmal natürlich unser Ur-Almerianer. Der Indalo ist der stetige Begleiter bei jedem Besuch in diesem weißen Dorf. Ob man will, oder nicht – selbst, wenn man sich im Labyrinth der entzückenden Altstadt verläuft (und das sollte man tun!), ist das Strichmännchen omnipräsent. An allen möglichen Ecken und Wänden, aus Stein, Gips, Glas oder als Mosaik, läuft der Indalo wie ein fröhlicher Schutzengel immer mit. Eine heilige Simplizität zeichnet das so universell ansprechende Figürchen aus. Offene Arme, darüber der Bogen, der bereits an Mojácars Orts-Silhouette erinnert.

Ohne Google Maps: Gegen Hunger und Krankheit

Ähnlich gewölbt krönt nämlich das strahlende Dorf den 170 Meter hoch gelegenen Gipfel des „heiligen“ Hügels am Ende der Sierra Cabrera. Ein Besuch ohne ein krönendes Panoramabild mit Mojácar im Hintergrund ist daher undenkbar. Im Inneren erinnert der Ort an ein surreales Gemälde. Nicht nur nach links, rechts, geradeaus scheren die engen Gassen aus. Auch waghalsige Höhenunterschiede sind auf dem Rundweg zu meistern. Es verblüfft, wenn man auf einmal an einer völlig unerwarteten Ecke eines schon vorher gesehenen Platzes wiedererscheint. Es tut gut, sich einfach mal gehen zu lassen, statt auf die Karte zu starren oder Google Maps zu folgen. Man wird schon – unter gütiger Aufsicht des Indalo natürlich – am richtigen Ort ankommen.

Diese Einsicht pflegten die Bewohner schon über Jahrhunderte, lange bevor man überhaupt das Wort Tourismus entwickelt hatte. Aus Kalkresten oder Ton kritzelte man das Strichmännchen mit dem Bogen an die Wände. Als Idol, das vor bösem Zauber, schlechtem Wetter, Krankheit und Hunger schützen würde. Dazu muss man sagen, dass Mojácar noch tief ins 20. Jahrhundert hinein ein sehr ärmlicher Ort war, sogar ohne fließend Wasser. Besonders prägend blieben Volkstraditionen wie die Gestalt der andalusischen Wasserträgerinnen, die von der Quelle unten die Krüge in den Ort schleppten. Eine solche Mojaquera findet sich als Skulptur auf einer der zentralen Wegmarken, dem Platz an der Kirche Santa María.

Historisches Bild von Frauen mit Kopftüchern und Krügen auf dem Kopf.
Mojaqueras, die ikonischen Wasserträgerinnen des Dorfes. © Casa Canana (Foto vom Foto, Stefan Wieczorek)

Andalusiens weißes Dorf Mojácar: Sehenswürdigkeiten und Tipps

Das Innere der Kirche Santa María, deren Mauern an eine Festung erinnern, ist von andalusischem Weiß geprägt. Sowie von einem Kunstwerk über dem Altar, die ein interessanter Einwanderer schuf: Der Deutsche Maler Michael Sucker lebte in den 80ern in Mojácar – und verinnerlichte die Ortsseele offenbar bestens. Dies verrät der genaue Blick aufs Wandgemälde. Die Arme nach außen breitet der große Christus hier aus, darüber wölbt sich, als biblisches Zeichen des Neuanfangs, der Regenbogen. Der Indalo lässt hier natürlich grüßen, dessen anerkannter Name übrigens auch Iberisches mit Frühchristlichem vereint: indal war bei den Urbewohnern der Begriff für Gottheit. Sankt Indaletius dagegen soll im 1. Jahrhundert Christi Botschaft nach Almería gebracht haben.

Geschwisterlicher Visionär: Besonderes Spanien-Faible

Vielleicht ereignete sich in Mojácar auch im Geiste des Indalo eine bemerkenswerte Episode der spanischen Reconquista. Alavez, der muslimische Ortschef, soll sich geweigert haben, die Stadt aufzugeben. Er sei „genauso Spanier wie Sie“, so sein berühmtes Zitat an die Katholischen Könige bei der Begegnung mit dem Gesandten am Maurischen Brunnen (Fuente Mora) Nie habe er Christen angegriffen, versicherte der Muslim und forderte: Wie Geschwister sollten Kreuz und Mondsichel miteinander leben. Tatsächlich ließ das Königshaus das Wunder walten, wenn auch nicht lange. Mojácars Mauren wurden letztendlich zwangsgetauft oder vertrieben. Doch Alavez blieb, als Visionär eines (un?)möglichen Friedens, eine der Ikonen der Ortsgeschichte.

Eine Strichmännchen-Figur an einer weißen Wand.
Mojácars Ur-Almerianer: Der Indalo grüßt aus allen möglichen weißen Ecken. © Turismo Mojácar

Zuletzt führt unser Weg an einem besonderen Namen vorbei: Walt Disney. Die arme Wäscherin Isabel Zamora soll den legendären Macher von Kinderfilmen 1901 in Mojácar zur Welt gebracht haben, doch alsbald nach Amerika ausgewandert sein. In Chicago habe sie den kleinen José (später Walter) einer reichen Familie zur Adoption gegeben. Für die Version sprechen sogar einige stichhaltige Indizien. Isabel, die Mojaquera, war ortsbekannt. Disney selbst, der ein besonderes Spanien-Faible an den Tag legte, ließ in den 40ern intensiv im Ort forschen. Beweise fand er aber nicht, weil Spaniens Bürgerkrieg gerade die entsprechenden Akten vernichtet hatte. Sonst würde heute vielleicht eine lustige Maus oder eine Ente namens Donald die weißen Wände von Mojácar zieren. So bleibt der heilige Berg, auf dessen Gipfel sich das weiße Dorf wölbt, das Reich des geheimnisvoll freundlichen Ur-Almerianers.

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