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Die große Explosion von Cádiz 1947 - Tödliches Geschenk aus Deutschland

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Von: Marco Schicker

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Cadiz nach der großen Explosion von 1947
Cádiz 1947: Ein Trümmerfeld nach der Explosion des Marine-Arsenals. © Archivo Municipal

1947 zerstörte eine gigantische Explosion große Teile von Cádiz. Mindestens 150 Menschen starben, tausende wurden verletzt. Auslöser waren deutsche Bomben und franquistische Schlamperei.

Cádiz – Dass Nazideutschland Francos Spanien nicht nur zum Testen neuer Waffen im Spanischen Bürgerkrieg benutzte, wie in Guernika, sondern auch Altbestände ablegte, bekamen die Bewohner von Cádiz vor 75 Jahren tödlich zu spüren. Am 18. August 1947 flog das Marinearsenal der Armada in die Luft. Es lag unweit des Hafens und direkt an Wohnvierteln.

Das Munitionslager der „Unterwasserabwehr“ war vollgestopft mit 2.200 Wasserminen, Granaten, Torpedos, aber auch hunderten Wasserbomben des Typs D aus Deutschland. 1942 hatten die Deutschen die Munition, die schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg nicht mehr als einsatztauglich galt, Franco „geschenkt“. Offiziell aber verkaufte man den Spaniern die Lieferung als Hilfe, um eine womöglich bevorstehende Invasion der Alliierten auf der Iberischen Halbinsel abzuwehren, die man für 1943 erwartet hatte. Die Franco-Armee stopfte auf Anweisung Deutschlands so viel Munition in ihre Hafendepots wie sie nur konnte.

Es kam anders, die Alliierten landeten in Italien und in der Normandie. Doch so töteten deutsche Bomben auch noch über zwei Jahre nach Kriegsende Menschen. Im Unterschied zum relativ sicher zu lagernden TNT, im Zweiten Weltkrieg quasi Standard, bestanden die Wasserbomben auch aus Nitrozellulose, vulgo Schießbaumwolle, die als Zündbeschleuniger verarbeitet war. Allerdings destabilisiert sich die Verbindung, ein Salpetersäureester, ab 30 Grad schnell, zersetzt sich in einer exothermen Reaktion, setzt also Hitze frei.

Explosion von Cádiz 1947: Apokalyptische Bilanz, sehr viele Kinder unter den Toten

Als ein riesiger orangefarbener Feuerball Himmel und Erde zerriss, es war kurz vor zehn Uhr abends, also beste spanische Abendessenszeit, dachten viele zunächst an eine Atombombe, denn der Rauch formte sich zu einem riesigen Pilz über Stadt und Hafen. Die Ausmaße der Katastrophe, die für Cádiz mit dem Tsunami nach dem Erdbeben von Lissabon 1755 die größte der neueren Geschichte wurde, lassen sich nur erahnen: Druckwelle und Feuer machten das Fischer- und Matrosen-Barrio San Severiano dem Erdboden gleich, die Viertel Barriada España und Bahía Blanca wurden schwer zerstört, die Armensiedlung Campo de la Mirandilla fiel wie ein Kartenhaus zusammen. Schwere Zerstörungen erlebte das Waisenhaus Hogar del Niño Jesús und das Krankenhaus Madre de Dios. Selbst das Dampfschiff Plus Ultra, 1,5 Kilometer vor der Küste, bekam einen Trümmerregen ab.

Hospiz „Casa Cuna“ in Cádiz
Das 1621 gegründete Hospiz „Casa Cuna“ in Cádiz nach der Explosion am 18. August 1947. © Archivo Municipal

Die Bilanz war apokalyptisch: Offiziell 150 Todesopfer, darunter sehr viele Kinder, waren zu beklagen. Zeitzeugen sprechen von „viel, viel mehr“, von Tagelöhnern, Armutsflüchtlingen, die rund um den Hafen lagerten. Ihre Kadaver habe man einfach auf Lkws verladen und irgendwo verscharrt, glauben Angehörige einer Opferorganisation, die bis heute gegen das Vergessen dieser menschengemachten Katastrophe ankämpft.

5.000 Verletzte wurden mehr geschätzt als gezählt, 2.000 Häuser hatten Schäden erlitten, 500 davon mussten ganz abgerissen werden. Die Tore der Kathedrale wie der Stierkampfarena wurden durch den Druck regelrecht aufgesprengt. Nur die massive Stadtmauer verhinderte noch mehr Tote in der unmittelbaren Altstadt. Die Franco-Behörden kehrten den Heroismus der Helfer in Uniform hervor, hielten sich hinsichtlich der Ursache aber vornehm zurück, ganz vertuschen konnten sie sie nicht. Es wurden provisorische Wohnviertel zusammengezimmert, Wohnungen, die bis heute vor sich hin schimmeln und auseinanderfallen.

Eine Entschädigung für das Leid und die Verluste verweigerte das Franco-Regime ebenso wie deren demokratische Nachfolger. Viele ähnliche Unfälle, Brände, Explosionen, Zugunglücke, vor allem in den 1940er Jahren, schoben Francos Lautsprecher gern „Kommunisten“, Republikanern, Saboteuren des Untergrunds in die Schuhe und hatten so neue Anlässe für Verhaftungswellen und Hinrichtungen. Die Ursache der Explosion von Cádiz konnten sie nicht verschleiern, das Leid der Opfer aber schon.

Zum Thema: Nuklearunglück von Palomares - Unfallzone 56 Jahre später noch immer verstrahlt.

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