Trinidad erklärt auf einer Bürgerversammlung, dass sie nicht wisse, was sie tun solle. Im Februar bekam sie einen Brief vom alten Vermieter, der nur kurz erklärte, dass der Eigentümer gewechselt habe und sie "morgen ihre Schlüssel abgeben" solle. Mehr stand dort nicht. Sie denke nicht daran zu gehen, wohin auch. Sie lebt hier seit 31 Jahren, ihr halbes Leben, zahlt 230 Euro Miete. Viel mehr könne sie sich mit ihrer schmalen Rente ohnehin nicht leisten. Über 100 Familien in El Perchel von Málaga bekamen solche Briefe. Gentrifizierung heißt der Fachbegriff dafür.
Die Stadt könne nichts dagegen tun, sagt sie. Und lügt. Denn sie weist Bebauungsgebiete aus, erteilt Abriss- und Baugenehmigungen. Seit 2017, so Gutiérrez, versuchen Anwälte die Leute zu vertreiben. Remedios Ramos, Abgeordnete von Podemos im Stadtrat ergänzt, "seitdem unterließ es der Altbesitzer auch, die Häuser und Anlagen zu pflegen", gezielte Verwahrlosung, um die Menschen loszuwerden. Dabei gibt es einen Plan der Stadt, Plan Especial de El Perchel Sur, der wörtlich als Ziel formuliert, dass "die bestehende Bevölkerungsstruktur erhalten" werden soll und es gezielte Renovierungsmaßnahmen in benachteiligten, lies: armen Vierteln geben werde.
Doch in der Praxis geschah das Gegenteil, für die Straßen Montalbán, Callejones del Perchel, Malpica, Huerto de la madera, Arco und Angosta del Carmen sind die Tage gezählt, die Stadt setzt auf Ferienwohnungen und Hotels. Der gleiche "modus operandi" setzt sich in Santa Julia fort, auch in Bahnhofsnähe, hier sind es 200 Familien, die meist über 20 Jahre hier leben, mit "Altverträgen" also. Auch hier kam die Verwahrlosung und mit dem Besitzerwechsel auch Mietsteigerungen von 30 bis 70 Prozent auf einen Schlag.
Die Mieter von Perchel und Santa Julia kämpfen nun gemeinsam, auf ihrer Seite stehen linke Parteien und die Gewerkschaft CC.OO., die beklagt, dass die Stadtentwicklung in Málaga eine "würdige und leistbare Wohnung" unmöglich mache. Zumal "in Málaga über die Hälfte der Arbeitenden und fast 60 Prozent der Rentner noch immer ein Einkommen unter dem gesetzlichen Mindestlohn" erhalten. 700 Euro Monatseinkommen ist der Schnitt der betroffenen Mieter - genauso hoch ist in Málaga mittlerweile der durchschnittliche Mietpreis einer Wohnung.
Alternative Kultur unerwünscht: Wie das Kulturzentrum „La Casa invisible“ in Málaga ums Überleben kämpft.
Es gab es die ersten Zwangsräumungen, von Protesten begleitet waren sie, als es auch eine Mutter mit Baby traf. Einige wurden gerichtlich gestoppt. Doch ist die monetäre Dampfwalze aus Nachfrage-Boom, kaufkräftiger Kundschaft und skrupellosen Immobilienentwicklern überhaupt aufzuhalten? Geld machen, ist ja nicht verboten. Was Bürger und oppositionelle Gruppen fordern, ist ein Ausgleich durch die Politik, der beiden Gruppen gerecht wird.
Armut darf kein Kündigungsgrund der Wohnung sein, das Gesetz sehe zahlreiche Hilfen vor, die das verhindern sollen, von Mietzuzahlungen bis zu sozialem Wohnungsbau. Es gibt auch gesetzliche Vorgaben, was die Instandhaltung von Wohnhäusern betrifft, Besitzerwechsel hin oder her. Doch ohne den Willen der Politiker, diese Mittel anzuwenden, bleibt es bei den Spannungen und der Perspektivlosigkeit. Die Baufirmen brauchen nur abwarten und nichts tun. Ihre Anwälte spielen weiter mit Zuckerbrot (Ablöse) und Peitsche (Räumung). Bis dann die Bagger anrücken.
Zum Thema: Boom-Town Málaga - Hochhäuser, Ferienwohnungen und die Expo 2027