2023 ginge es bereits in die sechste Amtszeit in der sechstgrößten Stadt Spaniens. Am 21. Dezember 2022 wird de la Torre 80 Jahre alt. Doch für ihn scheint das ein Grund zu sein, nach vorne statt zurück zu schauen. Denn seine Stadt boomt und steuert auf ein besonderes Highlight zu, das seine nächste Amtszeit krönen soll: Die Weltausstellung 2027. Ob Málaga den Zuschlag zur Expo erhält, wird sich vor den Kommunalwahlen in Spanien im Mai 2023 entscheiden, de la Torre ist sehr zuversichtlich, sogar die sozialistische Regierung in Madrid unterstützt das Projekt des PP-Politikers, mit Personal, Diplomatie und Geld.
Er sei „25 Stunden am Tag Bürgermeister“ erklärt de la Torre gerne, er, der einst sogar auf einen Kabinettsposten in der Regierung Aznar verzichtete, um seiner Stadt dienlich zu sein. Ein Liberaler, ein gemäßigter Konservativer, mit einem feinen, nicht zu aufdringlichen Touch Populismus schreibt „El País“ über ihn und würdigte seine Leistung gerade mit einem langen Artikel mit dem Titel „Málaga ist in Mode“, der auch der aktuelle Stadt-Slogan ist.
Freilich hat de la Torre einen Boom initiiert, der nicht ohne Schattenseiten bleibt. Seine Kritiker machen hinter dem festgeschraubten Lächeln des drahtigen Politikers ein gerüttet Maß Ignoranz gegenüber wachsenden sozialen Spannungen in der „Boom“-Town aus, werfen ihm einseitige und kurzsichtige Stadtentwicklung zu Gunsten der Bau- und Tourismusindustrie vor, die er mit Mega-Events übertönen lasse, während Mieten und Quadratmeterpreise für Immobilien in Málaga selbst für Familien in Lohn und Brot unleistbar würden.
Die soziale Balance in der Hauptstadt der Costa del Sol sei immer mehr gefährdet, das zeigt auch die Kriminalitätsstatistik. Dass die angestammte Bevölkerung Málagas aus ihren Vierteln vertrieben werde, während das historische Zentrum zu einer hochpreisigen Feiermeile für Junggesellenabschiede und Airbnb-Wüste verkommen sei, das gehe auf seine Kappe, lautet die Kritik vornehmlich von der politischen Opposition, aber auch Bürger- und Nachbarschaftsgruppen. Ob es wirklich in der Macht eines Bürgermeisters liegt, die Gentrifizierung einer beliebten Küstenstadt wie Málaga zu verhindern, sei dahingestellt. Allerdings fällt auf, dass immer mehr Wolkenkratzer und Wohntürme genehmigt und eine luxuriöse „seafront“ geplant werden, während es um Grünflächen in Málaga ärmlich bestellt ist. Das einzige große Projekt in diese Richtung, der Umbau des Flussbetts des Guadalmedina, kommt nicht so recht voran.
Viele Probleme der Stadt, vor allem die soziale Schieflage und wachsende Armut, lächelt de le Torre professionell weg. Er zeigt sich lieber mit Málagas hübschestem Sohn Antonio Banderas als in den Schmuddelvierteln der Stadt. Die Calle Larios ist sein Revier, nicht Málagas größte Armenküche in Miraflores. Und die Feria de Agosto ist ihm lieber als schmuddelige, selbstbestimmte Kulturprojekte wie in der konfliktiven „Casa Invisible“. Verlierer gehören wohl zum Geschäft, sind der Preis für Glanz und Gloria. Manche Kritiker gehen noch weiter, beschreiben ungesunden Filz rund um einen eitlen, städtischen Sonnenkönig. Nunja, immerhin regiert er an der Sonnenküste. Doch dass er das Potential seiner Stadt mittlerweile lieber mit Madrid und Barcelona als mit Valencia oder Sevilla vergleicht, sehen nicht wenige als Ansätze für starrsinnigen Größenwahn.
Doch de la Torre, Vater von vier Kindern, studierter Soziologe und Agaringenieur, kann auch auf viele Erfolge verweisen, er bringt Investoren an die Costa del Sol und punktete vor allem bei der kulturellen Anziehungskraft der Stadt: Er realisierte das Picasso-Museum, das Picasso-Geburtshaus, das Museum Thyssen Málaga und brachte Filialen des Centre Pompidou und des Sankt Petersburger Staatsmuseums an die Costa del Sol. Für Letzteres, das als Russisches Museum Málaga firmiert, erhielt er einst von Putin die Puschkin-Medaille, die er dem Kriegsverbrecher 2022 erst nach öffentlichem Druck und Kritik aus den eigenen Reihen zurückgeben mochte. Eine gewisse infantile Eitelkeit trat dabei zu Tage und eine ideologische Flexibilität, nennen wir sie Opportunismus, die de la Torre nachweislich wesenseigen ist.
Zwar stellen seine Biographen die Ernennung zum Präsidenten der Provinzverwaltung Málaga 1971, also noch mitten in der Franco-Diktatur, als „Zeichen der Öffnung“ dar, die der „Liberale“, als er ein „Spanien für alle“ forderte, angeblich mit seinem Rausschmiss 1975 bezahlte. Doch eine schlüssige Begründung dafür, warum er nach Francos Tod gleich 1976 als öffentlich Bediensteter ausgerechnet in der Partei Reforma Democrática (RD) des langjährigen Franco-Ministers und -Vertrauten Manuel Fraga anheuerte, geben sie nicht. Mit den neuen Zeiten sah man de la Torre plötzlich bei Andalusiens Sozialdemokraten (PSD), er war unter der PSOE ab 1978 sogar zwei Jahre Andalusiens Wirtschaftsminister sowie Kongressabgeordneter.
Beim Putschversuch 1981 versorgte der Hinterbänkler seine Parlamentskollegen über ein kleines geschmuggeltes Transistorradio, das er abhörte, indem er so tat, als ob er schliefe, mit wichtigen Informationen über die wirkliche Lage im Land, erzählt eine Anekdote. Über die Partido Reformista Democrático (PRD) und das Centro Democrático y Social (CDS) kommt de la Torre in den 90er Jahren zur Volkspartei, PP, und beginnt dort seinen Aufstieg im Rathaus von Málaga, das er seitdem nicht mehr verlassen hat und wohl so bald auch nicht verlassen möchte, – zumindest nicht vor der Expo 2027 in Málaga.