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Málaga zwischen Vision und Albtraum: Küstenlinie wird umgebaut, Nationalstraße zum Tunnel

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Von: Marco Schicker

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neue Küstenlinie von Málaga
Blick auf den Masterplan für die neue Küstenlinie von Málaga von der Plaza de la Marina bis zum Beginn des Malagueta-Strandes. Für das Rathaus eine Vision, für Kritiker eine teure Mogelpackung. © Rathaus Málaga

400 Millionen Euro, sechs Jahre und jede Menge Nerven wird die Umgestaltung der Küste von Málaga mindestens kosten. Die Boom-Town an der Costa del Sol kommt aus dem Bauen nicht heraus. Findet die Expo 2027 in einer Großbaustelle statt?

Málaga - Wer schön sein will, muss leiden. Und Málaga möchte ganz besonders schön werden. Diesmal geht es nicht um das x-te neue Hochhaus mit Wohnungen, die nur noch für Besserverdienende in Frage kommen, in Hotels umgewandelte Altstadtpalais oder in Ferien- und Luxuswohnungen verschlimmbesserte alte Fischerviertel, für die die alteingesessene Bevölkerung mit fragwürdigen Methoden aus ihren Wohnungen gemobbt wird. Diesmal geht es um eine Vision für alle. Die Umgestaltung der Küstenlinie.

Das zentrale Projekt ist die Verlegung der Nationalstraße N-340 unter die Erde, auf 2,3 Kilometern Länge von der Avenida Garnica unweit des Bahnhofs unter dem Guadalmedina hindurch, am Hafen vorbei, weiter unter dem Paseo del Parque mit seinen riesigen Palmen und Gummibäumen, bis zum Beginn des Malagueta-Strandes. Oberhalb will sich die Stadt wieder mit dem Meer verbinden, wird versprochen, was physikalisch unmöglich ist, weil die Hafenanlagen dazwischen sind. Platz soll geschaffen werde für Grün- und Flanierflächen und natürlich auch für Kultur und Business. „Scheichs aus Qatar bauen bereits an einem Luxushafen, einem „neuen Puerto Banús“, Gucci-Boutique inklusive. Das Soho-Viertel mit Antonio Banderas Theater wird profitieren, das Guadalmedina-Flussbett, das gleichzeitig zu einem großen Park nach Vorbild des Turia in Valencia werden soll und die gesamte Alameda werden so aufgewertet, die Plaza de la Marina komplett umgestaltet.

Nationalstraße in Málaga wird Tunnel: Smart und grün soll die Promenade werden - und Geld bringen

Dreieinhalb Jahre wird allein die Untertunnelung dauern, an deren Endpunkt an der Calle Gutenberg unterirdisch ein Parkhaus für 550 Fahrzeuge am La Malagueta-Strand angefahren werden kann. Die N-340 wird dann erst am Gibralfaro-Tunnel wieder überirdisch werden, sich dort nach Norden und Osten verzweigen und soll so vor allem den massiven Transitverkehr sozusagen verschwinden lassen, denn die gesamte Costa del Sol fährt momentan munter durch Málaga Capital, auch wenn die Provinzhauptstadt gar nicht das Ziel ist, sondern nur der Airport Málaga oder ein Strand in Torremolinos oder Torre del Mar. Das Projekt ist gigantisch, fast 400 Millionen Euro aus etlichen Töpfen sind veranschlagt und die Zeit wird knapp, denn nur, wenn alles nach Plan läuft, wird das Projekt noch zum Start der Weltausstellung Expo 2027 so halbwegs fertig, die zwar erste Ende Juni vergeben wird, bei der Málaga aber seit Jahren so tut, als hätte es den Zuschlag längst in der Tasche.

plan litoral für Málaga
Der „plan litoral“ für Málaga wird als grün und nachhaltig beworben. Doch die angestammte Bevölkerung sieht sich verdrängt. © Rathaus Málaga

An verschiedenen Knotenpunkten der neuen Küsten-Allee werden sogenannte intercambiadores, Wechselplattformen, den jeweiligen Umstieg von Auto auf Öffis oder Rad- und Fußbetrieb bewerkstelligen, bei der Präsentation fliegen den Journalisten Begriffe wie „ganzheitlich“, „nachhaltig“, „smart“ und „erneuerbar“ wie Farbkugeln beim Paintball um die Ohren . Physischer Baubeginn für den Tunnel soll 2024 sein, d.h. Richtung Zielmarke Expo startet Málaga schon gleich einmal mit einem halben Jahr Verzug. 2025 sollen dann bereits die Arbeiten an der Oberfläche beginnen, wobei die Frage bleibt, was mit den rund 70.000 Autos geschieht, die die Strecke täglich nutzen, wenn sie oben gesperrt, aber unten noch nicht fertig ist.

Neuer Busbahnhof, Parkhaus am Malagueta-Strand: Pläne für die neue Küste von Málaga

Die letzten Bäumchen sollen dann bis 2029 gepflanzt sein. In diesem Jahr 2023 beginnt man mit der Explanada de la Estación am westlichen Ende des Projektes, die nicht direkt mit dem Tunnel verbunden ist. Dort entsteht Málagas neuer Busbahnhof, das alte Gelände, „Los Tilos“ direkt neben dem Bahnhof „María Zambrano“, soll für rund 40 Millionen Euro verkauft werden. An Interessenten wird es nicht fehlen, in Málaga fehlen bereits heute mindestens 100.000 Quadratmeter Büroflächen für die vielen Tech-Firmen und anderen Investoren, die die Stadt stürmen, die sich, in den Worten ihres Bürgermeisters Francisco De la Torre, nicht weniger vorgenommen hat, „als neben Madrid und Barcelona das dritte ökonomische Zentrum Spaniens zu werden“.

Plan für Málagas Küstenpromenade
Sogenannte Intercambiadores sollen als Plattformen für den Wechsel der Verkehrsmittel an Málagas neuer Küstenpromenade dienen. Die Autos fahren darunter. Der Chic ist ein bisschen „retro“. © Rathaus Málaga

6,4 Hektar autofreies Land gewinnt die Stadt durch das Projekt entlang der Küste, wovon ein schmaler Streifen für Gebäude vermarktet wird. Die Grünflächen bekommen eine eigene Entsalzungs- und Aufbereitungsanlage, ebenfalls unterirdisch, die allein 16 Millionen Euro kosten wird. Die Planer sprechen von „sozioökonomischen Wertgewinnen“ in Höhe von rund einer Milliarde Euro, durch Jobs, Investitionen, Tourismus, Verringerung von Abgasen, Lärm und Stressfaktoren und so weiter und kommen so auf eine Rentabilität von knapp 17 Prozent. Natürlich finanziert vordergründig mit Steuergeldern. So einfach ist das.

Visionen und Albträume: Málaga am Scheideweg

Allerdings gibt es Kritiker, die die tatsächlichen Kosten fast doppelt so hoch ansetzen wie die Stadt und vor einem „giganitschen, jahrelangen Chaos“ sprechen und „zu wenig Grün“ bemängeln, was zu dem Verdacht führt, die Stadt könnte die Pläne kurzerhand „anpassen“ und die Bebauung erhöhen. Diese Stimmen kommen von der oppositionellen PSOE. Umweltgruppen fürchten wegen der Bauarbeiten zudem um das „botanische und zoologische Juwel“ des Alameda-Parks, ein beeindruckender „Dschungel“, der nicht nur für Kühle, bessere Luft und lärmarme Entspannung in der sonst sehr quirligen und lauten Stadt sorgt, sondern auch ein Eigenleben im Sinne von überraschendem Artenreichtum entwickelt habe und daher besonders sensibel sei. Stadtplaner sprechen auch von technischen Risiken, „der kleinste Bau- oder Rechenfehler kann so nah am Meer Katastrophen zur Folge haben“.

Die Pläne für Málaga im Video erklärt:

Das Paradies würde zum Albtraum, so die Warnung. Den leben die Malagueños schon jetzt: Während die Mieten in Málaga binnen eines Jahres um fast 25 Prozent anstiegen - so stark wie sonst nirgendwo in Spanien - und man halb belustigt, halb schockiert dabei zusehen muss, wie vor allem Ausländer in die ersten Wolkenkratzer, die 111 Meter hohen Torres Martiricos eines deutschen Investors, in subjektiv nicht unbedingt hochwertig ausgestattet wirkende 60-Quadratmeterwohnungen für 250.000 Euro das Stück einziehen, fragen sich viele Bürger, wann so ein Tunnel an der Küste wohl wirklich fertig sein wird, wenn Málaga es binnen zehn Jahren nicht einmal schafft, zwei neue Metrostationen in Betrieb zu stellen (angeblich will sie es ab 27. März geschafft haben).

Zum Thema: Vorzeitiger Goldrausch - Wie Málaga um die Weltausstellung Expo 2027 buhlt.

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