1. Costa Nachrichten
  2. Costa del Sol

Marbella: Frau von Ex-Freund ermordet - Auch Rechtssystem versagt bei Gewalt gegen Frauen

Erstellt:

Von: Marco Schicker

Kommentare

Guardia Civil im Einsatz vor Marbella.
Die Guardia Civil suchte vor Marbella weitere Körperteile des gefundenen Mordopfers, der 46-jährigen Natalia. © Guardia Civil

Die Morde an Frauen in Spanien gehen auch im Jahr 2023 ungebremst weiter. In Marbella wurde eine Frauenleiche ohne Kopf und Gliedmaßen angespült und ein Mann des Mordes überführt, in Málaga erschlug offenbar ein Sohn seine Mutter.

Marbella/Málaga - Am Freitag, 8. Januar, alarmierten Besucher des Club 200 an der Playa Real de Zaragoza östlich von Marbella die Polizei. Zwischen sanften Dünen eines noch nicht ganz zugebauten Strandabschnitts wurde ein Leichnam angespült, der Wellengang war hoch, das Wetteramt Aemet hatte sogar eine Warnung herausgegeben. Doch es handelte sich nicht um einen Unvorsichtigen, sondern um ein Mordopfer. Die Guardia Civil barg einen nackten Frauenkörper ohne Kopf und Gliedmaßen, die Mordkommission trat in Dienst.

Nach einigen Tagen, ein Verwandter des Opfers gab sachdienliche Hinweise, wurde es gewiss: Es handelt sich um die 46-jährige Natalia, eine Kolumbianerin aus Cali, die vor rund fünf Jahren nach Spanien zum Arbeiten kam und sich zur Krankenschwester ausbilden ließ. Mit dem verdienten Geld unterstüzte sie ihre bereits 20-jährigen Söhne in der alten Heimat. Erst vor einem Jahr kam auch Leonel H. nach Marbella, er stammt ebenfalls aus der Region Cali, aus Bugalagrande. Er fand einen Job beim Bau und lernte irgendwann Natalia kennen. Fünf Monate führten die beiden eine Beziehung mit vielen Aufs und Abs, die Natalia beendete, „wegen der Gewalttätigkeit ihres Partners“, wie Nachbarn erzählen. Das war im November 2022.

Mord mit Vorspiel: Opfer von Marbella wurde von Ex-Freund angegriffen

Kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember, verprügelte Leonel seine Ex-Freundin. Während einer Diskussion aus Eifersucht, sagen Angehörige, schlug er ihre Nase blutig. Natalia ging zur Polizei, nur zwei Tage später verhängte eine Richterin ein Kommunikations- und Annäherungsverbot. Kommt er ihr in den kommenden 16 Monaten näher als 500 Meter, mache er sich strafbar und würde umgehend sechs Monate in Haft kommen. Dieser Mechanismus, diese Drohkulisse, wirkte schon in vielen Fällen nicht. „Wäre er im Gefängnis, wäre Natalia noch mit uns“, klagt ihre Cousine in den Medien. Natalia bekam nach dem Vorfall nur die niedrigste Schutzstufe des Systems VioGen gegen machistische Gewalt. Es enthielt keine aktiven Schutzmaßnahmen für das Opfer.

Schweigeminute vor Rathaus von Marbella.
Ohnmächtige Gesellschaft: Schweigeminute zum Frauenmord vor dem Rathaus von Marbella. © Rathaus Marbella

Nach dem Mord, den Leonel mittlerweile gestanden hat, brachte er die Leiche mit einem Freund, der als Komplize unter Auflagen schon wieder auf freiem Fuß ist, an den Strand, wo sie den Leichnam zerstückelten, um die Identifizierung zu erschweren. So machen es die Kartelle in Cali auch. Leonel gestand erst kurz vor Ende seiner 72-stündigen vorläufigen Verhaftung, die Polizei erhöhte den Druck, führte ihn zum Strand, nahm DNA-Proben. Nun wartet er in Untersuchungshaft auf seinen Prozess.

Ohnmacht und Wut: Warum kann der Staat die Frauen nicht schützen?

Marbella, die Anwohner, vor allem die Frauen, aus zugewanderten wie einheimischen Milieus, bleiben mit Trauer und auch mit Angst zurück, mit dem Gefühl, dass die Behörden sich machtlos zeigen, das Rechtssystem versagt. „Die Gesellschaft ist entrüstet, die Zahlen sind nicht mehr hinnehmbar. Wir müssen erkennen, dass etwas falsch läuft, wenn behauptet wird, es gibt eine staatliche Politik gegen machistische Gewalt, die Daten (der Verbrechen) aber Jahr für Jahr steigen“. Das erklärte Marbellas Bürgermeisterin Ángeles Muñoz nach einer Schweigeminute vor dem Rathaus, bei dem sie viele Polizisten um sich versammelte, Ortspolizei, Guardia Civil, Nationalpolizei, „alles Männer“, wie eine Beobachterin auf Twitter trocken anmerkt.

Die Bürgermeisterin sprach eine Warhheit aus, die Abschreckung, die Kontrolle funktionieren nicht gut genug, verhindern viele Morde nicht. Einer von drei Frauenmorden wird von Tätern begangen, die vorher wegen Angriffen auf das Opfer gerichtsauffällig waren. Die PP-Politikerin teilte, wohl aus Instinkt, gegen die linke Zentralregierung aus, die groß gegen den Machismo politisiere, aber in der Praxis versage. Die Zahlen zur Gewalt gegen Frauen waren tatsächlich „besser“, als in der Moncloa noch die PP das Sagen hatte. „Besser“, weil die Frauen die Verbrechen damals viel seltener anzeigten. Doch der Wind, wie man so sagt, dreht sich, wohl auch wegen der offenen Politik. Frauen verlieren auch in patriarchalischen Milieus, die übrigens auch katholisch sein können, immer häufiger die Angst. Besser gesagt: Gewinnen an Lebenswillen. Sie wenden sich an Behörden, an Hilfsorganisationen, trauen sich zur Polizei. Aber dann? Dann folgt oft ein juristisches Chaos an der Lebensrealalität vorbei.

Sohn erschlägt Mutter in Málaga

Allein in der Provinz Málaga wurden 2022 80 Prozent mehr sexuelle und gewalttätige Übergriffe auf Frauen angezeigt als 2019. Doch die Konsequenzen für die Täter sind offensichtlich nicht ausreichend. Polizei und Juristen sind selbst nicht zufrieden mit den rechtlichen Handhaben gegen Täter. Doch dass Gesetze und Strafen allein keine Morde verhindern, kann man indes überall auf der Welt beobachten. Und der Fingerzeig einer Bürgermeisterin auch nicht. Die Mörder sind Männer, die Frauen töten, weil sie Frauen sind. Das lässt sich schlecht mit einem kritischen Satz gegen die Behörden abhandeln.

Ein weiterer Mord an einer Frau wird aus El Molinillo, einem Bezirk von Málaga am 15. Januar gemeldet. Am Vormittag rief eine junge Frau die Polizei, als sie ihre 60-jährige Mutter tot auf dem Sofa in deren Wohnung gefunden hatte. Noch am gleichen Tag verhaftete die Nationalpolizei den 39-jährigen Sohn der Frau, der nun im Verdacht steht, seine eigene Mutter erschlagen zu haben. Der Mann wird von den Nachbarn als „konflktiv“ beschrieben, er hatte auch mit seiner eigenen Partnerin häufig lautstarke Streits, er wohnte bei der Mutter, die stetig Zeuge dieser Auseinandersetzungen wurde. Laut Polizei habe er seiner Schwester am Telefon gestanden, „dass du dich nicht erschreckst, aber ich habe vorhin Mama geschlagen“.

Zum Thema: Macho-Gewalt in Spanien: Wenn Frauen des Geschlechts wegen Opfer werden.

Auch interessant

Kommentare