Doch dann kam Corona, 2020 ging an der Meerenge kaum noch was, - 2021 dann wurde die Operation Paso del Estrecho ganz abgesagt -, über zwei Jahre blieb die Grenze zwischen Europa und Marokko praktisch geschlossen. Die Öffnung verzögerte sich wegen politischer Querelen zwischen Rabat und Madrid über die Westsahara-Frage sowie den Schutz der Grenzen vor Flüchtlingswellen. Sowohl Corona wie die postkoloniale Postur Spaniens und königlich-marokkanische Eitelkeiten hinsichtlich der Westsahara haben sich entspannt, Spanien schlug hinsichtlich der Westsahara-Politik eine umstrittene Kehrtwende ein, knickte, so sehen es Kritiker, vor Mohammed ein.
Die Grenzen zwischen Marokko und den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla sind seit 17. Mai 2022 bereits offen, die Marokkaner halten, wie gewünscht, die Flüchtlinge besser zurück als zuvor und vorigen Sonntag lief daher auch die logistisch höchst komplizierte Aktion Paso del Estrecho an, die auch bedeutet, dass sich viele Familien nach drei Jahren wiedersehen können.
Rund 1.000 Ärzte, dazu etliche freiwillige Helfer hat Marokko in halb Europa sowie unmittelbar an den Grenzen aktiviert, um die vielen Reisenden auf den Rastplätzen zu betreuen, die sowohl in Tanger, Alhucemas und Nador als auch auf europäischer Seite in Almería, Algeciras, Motril, Alicante, in Sète in Frankreich oder in Genua in Italien eingerichtet sind, an Autobahnen und an Häfen vor allem, aber auch an Airports. Hinter dieser Reisehilfe steckt die Stiftung Mohammed V., die sich mit den spanischen und anderen EU-Behörden abstimmt. Jetzt, da Marokko und Spanien alte Fehden beigelegt haben, soll das, so die Hoffnung, so reibungslos wie lange nicht funktionieren.
Am vorigen Sonntag, 5. Juni, ging die Reisewelle los, bei der die Meerenge von Gibraltar als eine Art Flaschenhals fungiert. Eine erste, im doppelten Sinne „heiße Phase“ erleben wir dieser Tage um den 8. und 9. Juni 2022 zum Eid al-Adha, dem islamischen Opferfest, die nächste große Welle wird für Ende Juni mit Beginn der Ferien in Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien erwartet. Das spanische Innenministerium hat 16.000 Einsatzkräfte, also jeden zehnten verfügbaren Polizisten, für diese Einsätze abkommandiert. Marokko setzt allein zwischen Algeciras und Tanger 14 Fähren im Dauerbetrieb ein, mit 47 Fahrten pro Tag, zwei davon können auch LkW laden. Insgesamt werden zwischen Nord und Süd 32 Fähren mit 570 wöchentlichen Fahrten eingesetzt.
Zum Thema: Patria und Petersilie - Spaniens kuriose Grenzen.