Doch ihr Tiefgang von rund 2,70 Meter machte bald Probleme. Die Küstenwacht übernahm das Schiff und ließ es als Service-Boot während des Zweiten Weltkrieges mit Nachschub für die Marine den mythischen Fluss entlangschippern. 1944 kam es zu einer Kollision, der Dampfer wurde außer Dienst gestellt und vertäut, die Maschinen ausgebaut, zeitweise wurden in den Innenräumen Deutsche eingesperrt, die unter pauschalem Kollaborationsverdacht in den USA verhaftet wurden.
1962 kaufte ein örtlicher Unternehmer das Schiff, um aus ihm ein schwimmendes Hotel mit Restaurant zu machen. Doch der Investor sprang ab, ein Schrotthändler schleppte es nach New Orleans. Hurrican Betsy beschädigte den Dampfer 1965 schwer, der wechselte dann ohne Nutzung mehrmals den Besitzer. 1970 schleppte eine Fischereifirma die „Willow“ über die Karibik nach Honduras, sie sollte zusammen mit Dutzenden anderen Schiffen zu einer schwimmenden Langusten-Zucht- und Verarbeitungsfabrik umgebaut werden. Das Projekt scheiterte, 1972 kaufte das britische Unternehmen Themes International den Dampfer. Erst 1989 tauchte es auch in Großbritannien auf, es wurde 1989 über den Atlantik nach Southampton geschleppt, von dort ging es nach Antwerpen in eine Reparaturwerft. Doch die Restaurierung wurde zu teuer, die Eigentümerfirma ging Pleite, die „Willow“ wurde nach Birkenhead verschoben, 1996 gelangte sie von dort nach Benalmádena, wo sie als Lokal und Bar unter dem Namen „Mississippi Willow“ anlegte und Zigtausenden Touristen ein Instagram-reifes Ambiente zauberte.
„Irrecuperable“, nicht wiederherstellbar, lautet die Bewertung seitens eines Gutachters 2020. Mehrere hunderttausend Euro schulde der Eigentümer dem Hafen für Liegegebühren und andere Kosten. Doch die Besitzer sehen das ganz anders und verklagten Hafen und Stadt auf satte 13,5 Millionen Euro wegen „Nichterfüllung“ des Anlegevertrages. Die Schäden während des Unwetters seien durch mangelnde Sorgfalt beim Vertäuen entstanden, nun sollten Stadt und Sporthafen die Einnahmeausfälle und die Reparatur bezahlen.
Gleichzeitig klagen anliegende Geschäftsleute gegen Stadt und Sporthafen wegen Untätigkeit, auch ihr Image würde durch das Wrack beschädigt. Die Stadt schlägt vor, die Entsorgung des Schiffes zu übernehmen, wenn daraus keine weiteren Ansprüche entstehen. Wie der Hafen an sein Geld kommt, ist dem Rathaus dabei nicht so wichtig. Doch ist das Corpus delicti erst weg, werden die Eigner noch viel weniger bereit sein, irgendetwas zu bezahlen.
Gerichte sollen dieses Problem nun entflechten. Sicher scheint nur, dass Benalmádena die vorletzte, eine Abbruchwerft die letzte Station der „Willow“ auf ihrer langen Odyssee vom Mississippi an die Costa del Sol sein dürfte. Fast 100 Jahre schipperte das Schiff über Flüsse und Meere der Welt, überlebte der Dampfer international Pleiten, Pech und Pannen, um dann chancenlos am „Eisberg“ spanischer Administrationen, Gerichte und „Investoren“ zu zerschellen.
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