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Solarenergie ja, aber: Deutsche führt Widerstand gegen Mega-Solarpark in Andalusien an

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Von: José Antonio Nieto

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Ein riesiges Gelände in einer Ebene vor bergiger Kulisse ist eingeebnet worden.
Die Pläne zur Installation von Mega-Solarparks sprießen zurzeit überall in Spanien wie Pilze aus dem Boden. In ländlichen Gebieten werden ihnen oft riesige Naturflächen geopfert. © Jennifer Cross

„Erneuerbare ja, aber nicht so“ ist zum Kampfspruch von Umweltorganisationen und Bürgerbewegungen geworden, die überall in Spanien gegen Mega-Projekte protestieren, die kaum als nachhaltig berwertet werden können. Ein solches will auch die deutsche Residentin Claudia Scholler im Hinterland der Costa de Almería verhindern. Im Interview mit den Costa Nachrichten erklärt sie warum.

Lucainena - Claudia Scholler lebt seit 27 Jahren in Spanien. Seit 23 Jahren betreibt sie im Valle del Saltador bei Lucainena de la Torres im Südosten von Andalusien das Cortijo El Saltador, ein Ferien- und Seminarhaus. Just durch dieses Tal soll nun eine Hochspannungsleitung verlaufen, um den Strom eines anliegenden Mega-Solarparks zu befördern. Von dem Projekt sind neben ihr noch zahlreiche weitere Anwohner betroffen, alteingesessene Spanier wie zugezogene Ausländer. Scholler, streitbar, mit ökologischem Gewissen und sprachlich gewandt, hat sie zusammengebracht und ihren Widerstand organisiert. Für ihre Rolle als Anführerin einer Protestbewegung, der Plataforma de Protección del Valle de Lucainena, ehrt sie die Umweltorganisation Grupo Ecologista Mediterráneo (GEM) mit dem Premio Duna, eine renommierte Auszeichnung, die ihr im Juni verliehen wird.

Woher rührt ihre unnachgiebige Opposition gegen das Solarpark-Projekt?

Die riesige Anlage, etwa 500 Hektar groß, entsteht in nur 800 Meter Entfernung zum Ortskern von Lucainena und die Starkstromleitung führt ausgerechnet durch ein landschaftlich und ökologisch wertvolles Tal. Außerdem werden zahlreiche Existenzen gefährdet, da vielen Anwohnern der Ruin droht. Und die Betroffenen sind nicht einmal angehört worden, alle ihre Widersprüche wurden einfach ignoriert.

Betreiber wie Befürworter der Anlage argumentieren, dass eine grüne, nachhaltige Energie produziert werden soll.

Natürlich habe ich nichts gegen Erneuerbare Energien. Mein abschüssig gelegenes Landgasthaus konnte ja schließlich auch nur mit Solarenergie funktionieren. Ob des grünen Anstrichs haben sich auch die hiesigen Umweltvereinigungen anfangs schwergetan, sich zu positionieren, inzwischen aber ist ihnen klar, dass Mega-Projekte wie dieses absolut nicht nachhaltig sind. Den Betreibern, ein Investmentfonds aus den USA und ein Installationunternehmen aus Kanada, ist es völlig egal, wie sich ihr gigantischer Solarpark auf die Flora und Fauna hier auswirkt.

Wie wirkt es sich denn aus?

Im Valle del Saltador wird eine Idee zerstört. Die Via Verde lockte Wanderer und Radfahrer, förderte einen nachhaltigen Tourismus. Im Tal wird außerdem eine eco-colmena betrieben, ein ökologischer Bienenstock, dessen Bienen der Lebensraum geraubt wird. Es gibt hier auch eine Bauernhof-Schule, die nun, wo die Bagger bereits das Terrain für den Solarpark bearbeiten, keine Schulklassen mehr empfängt, weil die Kinder den Staubwolken ausgesetzt wären.

Sie sprechen von ruinierten Existenzen. Werden die Anwohner nicht entschädigt?

Anders als in Deutschland werden in Spanien für Solarparks und Strommasten keine Mindestabstände vorgeschrieben. Das heißt, solche Installationen können einem direkt vor die Tür gesetzt werden und man hat keinen Anspruch auf eine Kompensation. Deshalb musste ich viele Spanier auch überzeugen, sich überhaupt dagegen zur Wehr zu setzen.

Inwieweit schadet das Projekt Ihnen persönlich?

Das Cortijo war für mich auch eine Altersvorsorge. Ich bin mittlerweile 65 geworden, wollte es verkaufen und fand auch einen Interessenten, der ein buddhistisches Zentrum daraus machen wollte. Nun wird das Gelände bald von Strommasten umringt sein, der Verkauf wird nun nicht mehr zustande kommen und ein anderer Käufer wird wohl schwer zu finden sein. Anderen Anwohnern geht es noch schlimmer, sie blicken von ihren Fenstern bald auf ein Solarfeld.

Wie konnte das Projekt gegen die Interessen der Anwohner vorangebracht werden?

Das Projekt in Lucainena kam 2021, während der Pandemie auf den Tisch. Und die Pläne wurden mit Unterstützung des Rathauses ungewöhnlich schnell vorangetrieben, wobei die Bevölkerung kaum darüber informiert wurde.

Die Einwohner in Lucainena sollen indes mehrheitlich dafür gewesen sein.

Anfangs war das so. Weil sich die Leute die Realität, die ihnen drohte, nicht richtig vorstellen konnten. Nun, wo im Zuge der Arbeiten Sandstürme über ihr Dorf wehen, sehen es viele bereits anders. Die Stimmung ist aber auch gekippt, weil dank einer neuen Montessori-Schule viele junge Familien mit Kindern zugezogen sind, die eine andere Einstellung mitbringen.

Über Sandpisten fahrende Lastwagen haben eine große Staubwolke verursacht.
Die Arbeiten zur Einebnung des Geländes für den Mega-Solarpark in Lucainena sind bereits in vollem Gange und wirbeln mächtig Staub auf, der auch über das nah gelegene Dorf weht. © Jennifer Cross

Und der Bürgermeister von Lucainena?

Der hat sogar eine 180-Grad-Wende vollzogen. Hat früher Projekte wie die Via Verde realisiert (die Umwandlung einer ehemaligen Bahntrasse in einen Rad- und Wanderweg, Anm.d.Red.). Nun boxt er alle Solar- und Windpark-Projekte durch, die ihm vorgelegt werden. Er selbst wohnt in Almería, kommt nur an zwei Tagen in der Woche nach Lucainena.

Glauben Sie, dass sich etwas ändern wird, wenn er im Mai abgewählt werden sollte?

Dieses Projekt ist leider schon durch, aber ohne ihn würden uns in Zukunft vielleicht nicht noch mehr solcher Anlagen drohen.

In anderen Gemeinden, wie im benachbarten Tabernas, ist die Entwicklung kaum anders.

In der Tat. Dort müssen immer mehr Olivenbaumfelder den Solar-Parks weichen. Und auch dort werden die Betroffenen hintergangenen. Ich kenne Fälle, in denen Landhausbesitzer nach Strich und Faden belogen wurden, die sich vor dem Kauf erkundigten, und denen der Bürgermeister versprach, dass dort keine Anlagen entstehen würden. Und kurze Zeit später rückten die Bagger an.

Die übergeordneten Administrationen haben die Rathäuser machen lassen. Fühlen sie sich vom Staat im Stich gelassen?

Unsere wie alle anderen gegen solche Mega-Parks kämpfenden Bürgerbewegungen fühlen sich vor allem von der EU verraten. Wegen der Energie-Krise infolge des Kriegs in der Ukraine, wurden die bis dato vorgeschriebenen Umweltprüfungen aufgehoben, um Projekte zu beschleunigen. In den Tagen darauf wurden in Spanien rund 600 Projekte abgesegnet. Die Genehmigungen erfolgen in Wellen, für Ende April wird eine weitere solche Welle erwartet.

Die Provinz Almería ist denn auch kein Einzelfall?

Ganz und gar nicht. In anderen Gebieten Andalusiens, etwa im Hinterland von Cádiz, Málaga oder Granada droht sogar noch Schlimmeres. Dort werden auch sehr viele Ausländer betroffen sein, die sich den Traum von einem Leben in ländlicher Idylle erfüllt haben oder sich mit einem Gästehaus in natürlicher Umgebung ein Standbein aufgebaut haben. Eine Karte im Internet, die täglich aktualisiert wird, zeigt den Standort aller Projekte in Andalusien, die schon genehmigt worden sind. Diese kann man auch anklicken, um etwa zu erfahren, wie groß die Anlagen sein werden, welche Stromleistung sie produzieren sollen oder welche Promotoren hinter diesen stecken.

Zum Thema: Spanien im Solarenergie-Dilemma - Nur die Gier ist stärker als die Sonne

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