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Strände ohne Sand: Urlaub an der Costa del Sol vor radikalem Wandel

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Von: Marco Schicker

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Playa Los Boliches in Fuengirola
Mit schwerem Gerät gegen das unvermeidliche Ende der Sandstrände: Hier an der Playa Los Boliches in Fuengirola. © Rathaus Fuengirola

Badehäuser auf Stelzen, vorgelagerte Badeinseln, Strandbars auf Rädern, Hotelunterkünfte im Hinterland. Die Zukunft der Costa del Sol wird weitgehend ohne den geliebten Sandstrand auskommen müssen. Nur ist das den meisten noch nicht klar.

Benalmádena/Málaga – Das Küstenamt der Zentralregierung in Madrid plant bereits bis ins Jahr 2045, der Bürgermeister von Benalmádena möchte erstmal seine Bürger befragen, wie sie sich das Strandleben unter den sich verändernden Bedingungen überhaupt vorstellen. „Denn der Dialog über die Entwicklung unseres Lebens- und Wirtschaftsmodells an der Costa del Sol ist in den letzten Jahren faktisch zum Erliegen gekommen“, findet Víctor Navas.

Teure Flickschusterei nach jedem Unwetter an der Costa del Sol, Millionen "in den Sand" gesetzt. abstrakte, intransparente Küstenpläne, Zuständigkeitschaos oder Improvisation seien nicht die Antwort. Auch wenn die meisten Entscheidungsträger der bitteren Wahrheit des Endes des bekannten Strandlebens noch nicht gewahr sind, ist ihnen doch klar, dass sich hinsichtlich Küstenmanagement etwas ändern muss, das über die Aufrüstung der Strandarbeiter-Kolonnen mit panzerähnlichen Planierraupen hinausgeht.

Nur zehn Prozent der Strände an der Costa del Sol gelten als "stabil"

Strandpromenade Guadalmar während eines Unwetters.
Die Strandpromenade von Guadalmar im Süden von Málaga Stadt ist vom Unwetter heftig gezeichnet. © Bomberos Málaga

Das findet auch der Umweltstaatssekretär aus Madrid Hugo Morán, der kürzlich an der Costa del Sol die Strategie des Küstenamtes vorlegte, die bis 2045 reicht, eine Studie darin ventiliert sogar bis 2100. Das nicht gerade visionäre, aber doch greifbarste Ergebnis darin: Die Strandbars der Costa del Sol werden bald umziehen müssen, denn die Überschwemmungen werden zunehmen, außerdem sind 20 Prozent der Sandstrände in „akutem Erosionsrisiko“, weitere 60 Prozent in starkem oder gemäßigten. Nur rund zehn Prozent der Strände in einer der wichtigsten Urlaubsregionen Spaniens gelten noch als „stabil“. Spaniens Küsten werden von den Effekten des Klimawandels mit am härtesten in ganz Europa betroffen sein.

Sünden aus Jahrzehnten: Strände an Costa del Sol wider die Natur

Das gesamte, über Jahrzehnte zugebaute und denaturalisierte Küstengefüge und damit das Wirtschaftsmodell der Costa del Sol über den Haufen zu werfen, das ist nicht die Sache des Küstenamtes. Lediglich etwas mehr Flexibilität bietet Madrid den Gemeinden an. Galt bisher, dass das Auslaufen einer Lizenz für ein Gebäude im Zuständigkeitsbereich des Amtes meist keine neue nach sich zog, wird in sofern verändert, dass Chiringuitos, die beliebten Strandbars, die von häufigen Überschwemmungen bedroht sind, nun umziehen dürfen, weiter ins Land gesetzt, auf künstliche Hügel.

Badegäste liegen am Strand von Malaga unter Sonnenschirmen.
Nicht allem der alten Zeiten sollte man nachtrauern... © Álex Zea/dpa

„Wir brauchen Verteidigungsmechanismen gegen den Anstieg des Meeresspiegels und müssen die Besetzung der Küstenlinie neu überdenken“, so Morán. „Dazu gehört auch der Umzug“, der bei Strandbars, die „per Gesetz als mobile Bauten“ gelten, am schnellsten umzusetzen sei. Doch es geht natürlich um mehr: um Abwasserleitungen, die durch Hochwasser versagen, um Sedimente aus Flüssen, die früher die Strände formten, aber wegen der Bebauung nicht mehr bis ans Meer gelangen. „Küstennahe Ökosysteme“ kommen dagegen als Schlagwort aus Madrid. Es geht um allgemeinen Wassermangel in Spanien als einer Folge des Klimawandels und spezifische Verschwendung von Trinkwasser in Málaga, wo drei von vier Litern ungenutzt versickern.

Zeichen der Zeit erkennen: Costa del Sol braucht Alternativen zu Strand, Strand, Strand

Dem PSOE-Bürgermeister aus Benalmádena ist die Position des Küstenamtes zu abstrakt. Er freut sich zwar über 13 Millionen Euro, die er in den letzten Jahren für Küstenschutz und -entwicklung aus EU-Fonds allein für seine kleine Gemeinde bekam, ist aber der Meinung, „dass die Bürger der Küstenorte mit den notwendigen Transformationen konfrontiert werden müssen und selbst über ihre Zukunft entscheiden sollten, welches Modell - im Rahmen der möglichen Alternativen - sie wünschen“.

Mülltrennung an der Costa del Sol.
Mülltrennung ist ja wichtig, aber keine Antwort auf die wahren Herausforderungen der spanischen Mittelmeerküste. © Rathaus Fuengirola

Umweltschützer und Stadtplaner haben ein paar Ideen, einige davon, dürften vor allem der Tourismusindustrie wenig Freude bereiten. „Die Daten sagen uns, dass das bisherige Strandmodell nicht haltbar ist“, heißt es unter anderem von Ecologistas en Acción. Um eine großflächige Renaturalisierung, einschließlich Rückbau, sprich Abriss von strandnahen Gebäuden käme Spanien, käme die Costa del Sol nicht herum. Die Daten des Klimawandels - ganz egal, wie sehr vom Menschen gemacht - seien eindeutig, die Unwetterphänomene nehmen zu, werden weniger vorhersagbar, sind gewalttätiger. Millionen werden in den Sand gesetzt, immer neuen Sand, der auch irgendwo herkommen muss.

Wie sieht die Costa del Sol in 15, 20 Jahren aus? Balnearios, hölzerne Badehäuser auf Stelzen, künstliche, vorgelagerte Bade-Inseln, Chringuitos wie Food Trucks auf Rädern, weniger Autos und Hotels, dafür mehr Fahrrad-Tourismus und öffentliche Zubringer, Verlagerung des Tourismus ins Hinterland, sind Teile dieser Modelle für eine Zukunft, die, so die Ökologen, „die Mehrheit der Entscheidungsträger noch nicht wahrhaben wollen“. Der Bürgermeister von Benalmádena will nun zumindest herausfinden, ob die Bürger die Zeichen der Zeit erkennen. Das nächste Unwetter kommt bestimmt.

Zum Thema: Klimaschutz in Andalusien: grüne Revolution oder großer Bluff?

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