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Umweltzonen in Málaga: Fake-Aktionen gegen Luftverschmutzung und Verkehrschaos

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Von: Marco Schicker

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Umweltzone in Spanien
Viele spanische Städte lassen sich Zeit und tricksen bei den Umweltzonen in den Innenstädten. © Enric Fontcuberta/EFE

Málagas Rathaus kündigt verblümt an, bei den von der EU vorgeschriebenen Umweltzonen bummeln und tricksen zu wollen. Dabei sind Luftverschmutzung, Lärm und die zugeparkte Stadt ein echtes Problem. Auch aus Mangel an Alternativen.

Málaga – Málagas Verkehrsstadtrat José del Río bittet die Bürger wörtlich um „Ruhe und Gelassenheit“ bei der Aussicht auf die Einrichtung der sogenannten Umweltzonen oder Niedrig-Emissions-Zonen, so als wäre die Reduzierung der Abgase und des exzessiven Autoverkehrs in Städten eine Naturkatastrophe. Weil die EU auch Málaga, wie alle Städte über 50.000 Einwohner in Europa dazu „zwingt“, wird auch hier ab 1. Januar 2024, also zum spätestmöglichen Termin, eine solche Zone eingerichtet sein, in die man dann nur noch mit der entsprechenden Umweltplakette der Straßenverkehrsbehörde DGT einfahren können wird. Für Spanien ist das insofern eine Herausforderung, weil das Durchschnittsalter der Autos mit das höchste der EU ist. Außerdem steht Spanien beim Kauf von Elektroautos und Hybriden ganz am Ende in Europa, trotz hoher Förderungen.

Umweltzonen in Spanien: 149 Städte sollen Verkehr im Zentrum beruhigen, Luftverschmutzung reduzieren

Insgesamt werden in Spanien laut EU-Vorgabe 149 Städte diese Umweltzonen, also Zonen mit niedrigen Emissionen, ausweisen. Doch die Umsetzung ist oft halbherzig, mancher Bürgermeister, vor allem im konservativen Spektrum, nutzt die Debatte darüber, um sich bei Autofahrern zu profilieren, schließlich steht Spanien 2023 in einem Superwahljahr, Ende Mai geht es dabei auch um die Sessel der Bürgermeister. Dass Spaniens Autofahrer im Schnitt pro Jahr 150 Stunden, also über 6 Tage durch Staus und Parkplatzsuche vergeude, das ist ein halbes Lebensjahr in 30 Jahren, sagen sie ihnen freilich nicht.

Plakette für Umweltzone in Spanien.
Málagas Verkehrsstadtrat hat schon großzügige Ausnahmen bei der Plaketten-Pflicht für die Umweltzone in Aussicht gestellt. © EFE

Derzeit, erklärt der Verkehrsstadtradt Málagas, würden Sensoren an verschiedenen Stellen von Málaga installiert, um zu ermitteln, wo das höchste Verkehrs- und Abgasaufkommen zu finden sei, so als sei das nicht allen bekannt. Doch zwischen den Zeilen kündigte die PP-regierte Stadt bereits an, dass der EU-Norm wohl genüge getan sein wird, wenn das unmittelbare historische Zentrum Málagas zur ZBE, also Zona de Bajas Emisiones, zur Umweltzone, deklariert wird, das ohnehin schon weitgehend Fußgängerzone ist und so die Auflagen ohne jede weitere Verkehrsberuhigung erfüllen könnte.

Málaga: So gut wie keine Einschränkungen durch Umweltzonen

Möglicherweise würde das benachbarte angesasgte Soho-Viertel, in dem Antonio Banderas sein Theater betreibt, einige Restriktionen hinnehmen müssen, aber viel mehr wird wohl nicht passieren. „Das heißt aber nicht, dass dann Autos ohne Plakette nicht ins Zentrum fahren dürfen, wer einen öffentlichen oder privaten Parkplatz anfährt, habe Zugang. Wir wollen nur die Durchfahrt und das Herumfahren“ verhindern, so der Stadtrat.

Málaga müsse aufgrund seiner Größe 473 Hektar als Umweltzone ausweisen, rechnet die Stadt vor, glaubt aber, das meiste davon ohne zusätzliche Verkehrsberuhigung zusammenzubekommen. 97 automatisierte Kontrollpunkte sollen dann ab kommenden Jahr die Plaketten bei der Einfahrt scannen, das System würde mit den Verkehrswachtkameras gekoppelt. Der Stadtrat konnte indes nicht erklären, wie er an den Kontrollpunkten jene Autos ohne Umweltplakette herausfiltern wolle, die aber „bloß ins Parkhaus fahren wollen“, das ginge ja nur durch aufwendige Ausfahrkontrollen anhand von Parkscheinen.

Chance verpasst: Málaga verkauft sich als grüne, nachhaltige Stadt - ist sie aber nicht

Entwurf für einen Stadtwald in Malaga.
In Málaga mangelt es an Grünflächen. Dieser Entwurf für einen Stadtwald auf dem früheren Respol-Gelände wurde gerade zu Gunsten von Höchhäusern und damit mehr Autos beerdigt. © Plataforma Bosque Urbano Málaga

Málagas Pseudo-Umsetzung der EU-Vorgabe ist in vielen spanischen Städten an der Tagesordnung, wo einfach Gegenden mit ohnehin schwachem Verkehr zu einer ZBE zusammengeflickt werden. Eigentlich wollte die EU mit der Maßnahme die Lebensqualität in Städten erhöhen, vorzeitige Erkrankungen und Todesfälle durch die Luftverschmutzung in spanischen Großstädten sowie den Lärm verringern und gleichzeitig alternative und moderne öffentliche Verkehrsmittel fördern und auch mehr Platz für Bürger, Kinder, Grünanlagen ermöglichen. Die Menschen sollten ein Stück weit die Städte zurückerobern, die seit Jahrzehnten von Autos dominiert, zugestellt und verschmutzt werden.

Lieber im Stau als im Bus: Mangel an Öffi-Alternativen

In der Boom-Town Málaga steigt das Verkehrsaufkommen praktisch täglich und damit auch Staus, Unfälle und der Anblick der Blechlawinen. Doch aufgrund eines defizitären öffentlichen Nahverkehrs und nicht besonders nutzerfreundlicher Pender-Anbindungen an das Umland mit Bahnen und Bussen, bekommen viele Malagueños beim Stichwort „Begrenzung des Autoverkehrs“ schlicht die Panik und halten an ihrer heiligen Blechlawine fest, mehr aus Angst, denn Überzeugung und oft auch schon wider besseren Wissens, aber eben mangels sichtbarer ebenso bequem erscheinender Alternativen, auch wenn viele Straßen im Umland, wie die A-45 rund um Antequera, regelrechte Todesfallen geworden sind. Was Politiker jahrelang versäumt haben, den Umbau der Verkehrskonzepte, verkaufen sie ihren Wählern nun als „mobilitätsfreundlich“ und „für die Freiheit“, während Fahrradfahrer unter permanenter Lebensgefahr leben - auch jene, die sich an die Verkehrsregeln halten.

Die Stadt Málaga, die baulich aus allen Nähten platzt, bietet ihren Bewohnern weniger als zwei Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner, die WHO empfiehlt „wenigstens 15“. Doch ein seit Jahren von Bürgern gefordertes Projekt für einen Stadtwald auf einer früheren Industriebrache, dem Repsol-Gelände, hat das Rathaus abgelehnt, drei Wolkenkratzer sollen dort gebaut werden - natürlich mit Straßen und Parkhäusern für noch mehr Autos in der „nachhaltigen und grünen“ Bewerberstadt Málaga für die Weltausstellung Expo 2027.

Zum Thema: Kostenlos Bus fahren an Costa del Sol - Fuengirola wird 2023 Vorreiter.

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