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Untergang der Gneisenau 1900: Málaga und Deutschland durch Tragödie verbunden

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Von: Sandra Gyurasits

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Ein Schifff mit drei Masten aus dem Jahr 1900 sinkt an einer Hafenmauer, eine Gruppe von Menschen schaut zu.
Das sinkende deutsche Kriegsschiff „Gneisenau“ vor dem Hafen von Málaga am 16. Dezember 1900. © Rathaus Málaga

Vor 122 Jahren geht das deutsche Kriegsschiff „Gneisenau“ vor Málaga im Mittelmeer von Spanien unter. Mutige Bürger aus Málaga versuchen das Schlimmste zu verhindern. Das Unglück schweißt Málaga und Deutschland bis heute fest zusammen.

Málaga – Ein tragisches Unglück, viele Tote, mutige Retter und Dankbarkeit schweißen Málaga und Deutschland seit 122 Jahren fest zusammen. Am 16. Dezember 1900 sank das deutsche Kriegsschiff „SMS Gneisenau“ der Kaiserlichen Marine während eines starken Sturms vor dem Hafen von Málaga an der Mittelmeerküste von Spanien. 41 Offiziere und Besatzungsmitglieder kamen ums Leben. Auch zwölf Männer aus Málaga sollen bei dem Versuch, die Schiffbrüchigen zu retten, gestorben sein.

Die Tragödie an der Küste von Andalusien ist bis heute nicht in Vergessenheit geraten. Regelmäßig wird dem Untergang und der Opfer gedacht, den selbstlosen Helfern aus Málaga gedankt, ohne deren Einsatz es wohl sehr viel mehr Tote gegeben hätte. Kränze werden auf dem Englischen Friedhof in Málaga niedergelegt. Ein Denkmal, unter dem die deutschen Seemänner begraben wurden, erinnert an den 16. Dezember 1900. „Immer, wenn ein Schiff der Bundesmarine an die Küste von Málaga kommt, wird der ‚Gneisenau‘ gedacht“, sagt der deutsche Konsul in Málaga, Arnulf Braun.

Málaga und Deutschland fest vereint: Gemeinsame Geschichte durch den Untergang der „Gneisenau“

Erst kürzlich hat sein Konsulat dem Rathaus von Málaga drei riesige Ordner mit Unterlagen, Fotos, Briefen und Schriftstücken über den Untergang der deutschen Fregatte übergeben. „Dabei handelt es sich nicht um offizielle Dokumente“, sagt Arnulf Braun. „Eine engagierte Mitarbeiterin, eine Spanierin, die in Deutschland geboren wurde, hat während ihrer 40-jährigen Tätigkeit im Konsulat mit großem Interesse gesammelt, was sie über die Katastrophe finden konnte.“

„Im Konsulat waren die Dokumente nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Sie sollten aber keinesfalls untergehen. Deshalb haben wir sie dem Rathaus gegeben.“ Im Museum Archivo Municipal in Málaga gibt es Ausstellungsräume für historische Dokumente. Hier sollen auch die Schriftstücke über die „Gneisenau“ gezeigt werden.

„Wir haben eine gemeinsame Geschichte, die Málaga und Deutschland eng verbindet“, sagt Arnulf Braun. Die Tragödie der „Gneisenau“ spiegle sich in den Gemälden an der Decke des Plenarsaals im Rathaus von Málaga wider und auch im Wappen der Stadt, das noch heute die Inschrift „Muy hospitaliaria“ (Sehr gastfreundlich) trägt. Die Auszeichnung wurde damals von Königin Maria Christina verliehen, nachdem die nationale und internationale Presse über die Katastrophe der „Gneisenau“ berichtet hatte. Málagas Einwohner wurden für ihre Solidarität und Fürsorge für die Schiffbrüchigen geehrt und vor allem als großzügige Bürger gepriesen, die ihr Leben aufs Spiel setzten und auch verloren, um das der Mitmenschen zu retten.

Deutscher Kaiser bedankt sich bei Málaga mit einer Brücke

Gerührt von der Gastfreundschaft der Stadt und dem Mut der Bürger soll der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. jeder Familie aus Málaga, die einen Schiffbrüchigen aufnahm und pflegte, einen persönlich unterzeichneten Dankesbrief geschrieben haben. Später spendete er der Stadt eine neue eiserne Fußgängerbrücke über den Fluss Guadalmedina, nachdem schwere Überschwemmungen im September 1907 fast alle Brücken der Stadt zerstört hatten. In den bis zu fünf Meter hohen Wassermassen voller Geröll und Schlamm ertranken 21 Menschen, viele wurden verletzt. Es dauerte zwei Monate, bis die Straßen wieder gereinigt waren.

Der Bau der 4,30 Meter langen stählernen Brücke begann im August 1909. Eröffnet wurde sie am 16. Dezember, genau neun Jahre nach der Gneisenau-Katastrophe. Offiziell heißt die Brücke Puente de Santo Domingo, weil sie die Altstadt mit dem Viertel mit der gleichnamigen Kirche verbindet, doch bekannt ist sie eher als Puente de los Alemanes (Brücke der Deutschen).

Die deutsche Dankbarkeit beschränkte sich nicht nur auf den Bau der Brücke. 1984 ließ die Regierung den im Verlauf der Jahre verfallenen Steg restaurieren. Auf einer Tafel, die an einem der Bögen der Brücke befestigt ist, ist zu lesen: „Deutschland spendet Málaga diese Brücke zum Dank für die heldenhafte Hilfe, die die Stadt den Schiffbrüchigen der Kriegsfregatte Gneisenau gewährt hat. 1900-1909“.

Warum die „Gneisenau“ vor dem sicheren Hafen sank

Aber was genau geschah an jenem unheilvollen 16. Dezember 1900? Die 82 Meter lange „Gneisenau“ mit ihren imposanten drei Segelmasten brach im September im Hafen von Kiel im Dienst eines Schulschiffes zu einer Übungsfahrt auf. Die Fregatte steuerte im November den Hafen von Málaga an und machte vor der Hafenmole rund 800 bis 900 Meter vom Ufer entfernt fest, um Schießübungen durchzuführen. Am 16. Dezember bahnte sich am Vormittag die Katastrophe an. Das Wetter verschlechterte sich, ein Sturm zog auf.

Kapitän Karl Kretschmann ordnete an, die Schiffsmotoren zu starten, um die „Gneisenau“ in Málagas Hafen in Sicherheit zu bringen, wie deutsche Quellen berichten. Demnach kam es offenbar zu einem fatalen Missverständnis zwischen Maschinenraum und Kommandozentrale. Kretschmann ließ die Anker lichten in der Überzeugung, der Maschinist habe eine Propellerdrehzahl von 50 pro Minute gemeldet. Doch die tatsächliche Drehzahl betrug nur 15 pro Minute und reichte nicht aus, um das Schiff anzutreiben.

Spanischen Quellen zufolge soll Kapitän Kretschmann die Warnung des Hafenamts von Málaga vor der Schwere des Wellengangs und die Aufforderung, in den schützenden Hafen zurückzukehren, in den Wind geschlagen haben. Vermutlich habe er die Widerstandsfähigkeit seines Schiffes über- und die Stärke der Unwetter an der spanischen Levante-Küste unterschätzt, hieß es.

Dramatische Rettungsversuche bei Sturm und hohen Wellen

Sturm und Wellengang rissen die Anker der „Gneisenau“ aus dem Meeresboden. Das Schiff war nun dem starken Wind schutzlos ausgesetzt und schlug mit dem Heck gegen die Mole, drehte sich im Wind, wurde mit dem Bug auf den Hafendamm geschoben. Die manövrierunfähige „Gneisenau“ geriet in Schräglage, während die Wellen den Rumpf gegen die Mole schlugen.

Als das fast 3.000-Tonnen-Schiff zu sinken begann, kletterte ein Teil der 470-köpfigen Besatzung an den Seilen die Masten hinauf, das Bild war auf den Titelblättern der Zeitungen zu sehen. Andere versuchten, sich in Rettungsbooten in Sicherheit zu bringen. Doch die Boote prallten gegen die Felsen oder wurden von den gewaltigen Wellen umgeworfen.

Ein Handelsschiff, das sich in der Nähe befand, und Fischerboote eilten zur Hilfe. Zahlreiche Menschen aus Málaga strömten zur Unfallstelle. Einige warfen Seile von den Felsen, um die Schiffbrüchigen an Land zu ziehen, andere stürzten sich mit Booten ins Meer, ungeachtet der Gefahr, selbst in den Wellen zu kentern und zu ertrinken.

Eine Gruppe von Menschen, darunter Militärangehörige stehen an Gräbern auf einem Friedhof.
Auf dem Englischen Friedhof in Málaga wird den deutschen Opfern der „Gneisenau“ gedacht. © Deutsches Konsulat Málaga

Tote Deutsche auf dem Englischen Friedhof von Málaga begraben

Die Hunderten von Verletzten wurden von den Krankenhäusern der Stadt, dem deutschen Konsulat und privat von Familien aufgenommen. Die Überlebenden wurden am 2. Januar 1901 an Bord der SS Andalusien nach Deutschland zurückgebracht. Die Toten blieben in Málaga und wurden auf dem Englischen Friedhof begraben, darunter auch erst 15-jährige Schiffsjungen.

Zu den Opfern zählen auch der Kapitän Karl Kretschmann und der Erste Offizier Richard Prüfer. Sie bekamen jeweils ein eigenes Grab. Auf dem Grabstein von Richard Prüfer ist über die in Stein gemeißelte untergehende „Gneisenau“ zu lesen: Hier ruht mit Gott der Kaiserliche-Marine-Ingenieur Richard Prüfer, Geb. 2. Juni 1880, Gest. 16. Dez. 1900, Getreu seinem Fahneneide starb er für Kaiser und Reich beim Untergang S.M.S. Gneisenau, Sein Andenken ehren durch dieses Denkmal seine Kameraden, Das Marine-Ingenieur-Corps.“

„Das deutsche Konsulat unterstützt die Pflege und Instandhaltung der Gräber auf dem Friedhof mit 2.000 Euro pro Jahr“, sagt Konsul Arnulf Braun, „in diesem Jahr waren es sogar 4.000 Euro“. Der Englische Friedhof in Málaga wurde 1831 als erster protestantischer Friedhof in Spanien eröffnet und steht seit 2012 als Kulturgut unter Denkmalschutz.

„Gneisenau“ wird gesprengt und verschrottet

Die durch den Untergang der „Gneisenau“ entstandene enge Verbindung zwischen Málaga und Deutschland spiegelt sich auch in der Städtepartnerschaft mit Passau wider. Der deutsche Konsul Arnulf Braun, dessen Aufgabe es ist, „Deutschland und Andalusien zueinander zu bringen, in wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen“, bezeichnet die Partnerschaft als vorbildlich. „Die Freundschaft wird seit Beginn im Jahr 1987 aktiv gepflegt. Studenten aus Málaga besuchen Passau, und Passauer Málaga, um ihre Sprach- und Universitätsausbildung zu vervollständigen. Zudem hält ein reger Austausch von Künstlern diese Partnerschaft am Leben.“

Was aus der gesunkenen „Gneisenau“ geworden ist? Die Kaiserliche Werft in Wilhelmshaven ließ das Wrack untersuchen und stellte fest, dass das Schiff, das 1879 in Danzig vom Stapel lief, zu stark beschädigt war und nicht mehr geborgen werden konnte. Stattdessen wurden die Kanonen und andere wertvolle Ausrüstung abmontiert und der Rumpf gesprengt. Der Rest wurde verschrottet.

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