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Nach Waldbränden in Málagas Bergen: Streit um richtigen Naturschutz an Costa del Sol

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Von: Marco Schicker

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Wandern in der Sierra de Mijas.
Ein Paradies für Wanderer war die nun leider in weiten Teilen abgebrannte Sierra de Mijas und Sierra Bermeja. © WikiLoc

„Erst nachdenken, dann aufforsten!“ - Umweltschützer warnen nach drei verheerenden Waldbränden in Málagas grüner Lunge in einem Jahr vor blindem Aktionismus und Schuldzuweisungen von Politkern.

Mijas / Málaga – Während fast täglich zum Teil mehrere neue Brände an der Costa del Sol gemeldet werden, wird um die Zukunft der verkohlten Sierra de Mijas und der Sierra Bermeja gestritten. 170 Quadratkilometer hat die „grüne Lunge“ Málagas in nur einem Jahr eingebüßt. Zweimal brannte die Sierra Bermeja nördlich von Marbella, zuletzt im Juni 2022, ungewöhnlich früh, zeitgleich mit der ersten Hitzewelle der Saison. Am 14. Juli dann stieg eine Rauchwand an der Costa del Sol in den Sommerhimmel, als hätte sich eine gigantische Explosion ereignet. Nun brannte die Sierra de Mijas, rasend schnell breitete sich der Brand in Richtung Alhaurín El Grande und Alhaurín de la Torre aus, praktisch schon ein Vorort von Málaga, der Airport in der Nähe.

Waldbrand an der Costa del Sol
Wieder ein Waldbrand, jetzt an der AP-7 bei Cala de Mijas unweit von bewohntem Gebiet. © INFOCA

Der Levante-Wind rettete die Touristenorte von Torremolinos bis Marbella und auch die Großstadt Málaga, fachte aber gleichzeitig das Feuer unkontrollierbar an. Schon Stunden nach dem ersten Alarm mussten Siedlungen evakuiert, Sommercamps von Schülern geräumt werden, Golfplätze wurden zu Wasserreservoirs für Löschhubschrauber. Die Blicke der zigtausenden Touristen an den Stränden, sonst entspannt auf dem Meer ruhend, richteten sich nun starr in die Berge.

Waldbrand von Mijas: Kontrolliert nach einer Woche - Blasebalg Klimawandel

3.200 Menschen mussten zwischenzeitlich aus den Häusern, nur wenige Touristen darunter, die Feuerwehren konnten mit großer Mühe verhindern, dass die beiden Alhauríns mit je mehr als 20.000 Einwohnern komplett geräumt werden mussten. Eine Woche dauerte der Kampf gegen die Flammen, 6.000 Hektar verbrannten komplett, 11.30 Uhr am 19. Juli verkündete ein erschöpfter Einsatzleiter der Infoca-Feuerwehr das „kontrolliert“. „Entweder Fahrlässigkeit oder kriminelle Energie“ stünden hinter dem Ausbruch des gewaltigen Brandes in der Sierra de Mijas, so die Guardia Civil, die ebenso fieberhaft ermittelt wie eine Sondereinheit des Innenministeriums. "Es deutet alles daraufhin, dass der Brand gelegt wurde", hieß es bisher. Hitze, Winde, niedrige Luftfeuchtigkeit und unkontrolliert üppiger Bewuchs halfen den Flammen, machten das Feuer zu einem "Brand der neuen Generation", einem Phänomen, bei dem der Klimawandel, der gerade unsere alte Welt abbrennt, wie ein Blasebalg wirkt.

Nach dem Waldbrand: Sierra de Mijas und Sierra Bermeja brauchen Ruhe und einen Plan

Sowohl die Rathäuser von Alhaurín de la Torre als auch die andalusische Umweltministerin Carmen Crespo verkündeten noch während des Brandes die umgehende Wiederaufforstung der Gegend, des „Naturerbes“. Umweltschützer schlagen über diesen Aktionismus die Hände über den Köpfen zusammen, man würde damit nur „naiv in die alte Falle tappen, die nächsten Großfeuer geradezu heraufbeschwören“, kommentiert das Ecologistas en Acción, eine der führenden Umweltgruppen Spaniens.

Im Gegenteil, man solle „die Gegend erst einmal in Ruhe lassen“, „am besten gar nicht betreten, denn die feine Aschekruste ist im Moment der einzige Erosionsschutz, den die Sierra noch hat“. Dann sollte man sich zunächst ein Konzept zurechtlegen und die nötigen Ressourcen organisieren, um diese Naturlandschaft, die schon immer auch eine Kulturlandschaft war, nachhaltig zu renaturieren.

Neben Bäumen und Grün brauche es Pläne, die eine Koexistenz zwischen betreuten Biotopen für Flora und Fauna, Platz für Wanderer und Sportler sowie bewirtschafteten Abschnitten schaffe. Die vielen privaten Waldbesitzer müssten in diese Konzepte eingebunden werden, auch für die Jagd sei Platz, wenn sie verantwortungsvoll umgesetzt werde. Jäger, die ihr Revier lieben, hegen und pflegen es nämlich.

Umweltschützer Schuld? Proftgier hat Naturlanschaft zerstört - Klimawandel gibt ihr den Rest

Mehrere Umweltgruppen wehren sich derzeit gegen Vorwürfe, ihre Politik habe "unberührte" Naturgebiete geschaffen, die nun wie Zunder brennen, die "grüne Verbotskultur" sei Schuld an allem. Ein Vorwurf, den die Landesregierung in Kastilien und León, wo es noch heftiger brannte und auch Todesopfer gab, gerade noch einmal bekräftigte. Die Umweltschützer erinnern daran, dass der Waldbrand in der Sierra Bermeja im Juni von Arbeitern einer Finca mitten im Naturgebiet ausging, die meisten Flächen, die bei Málaga brannten, sind Privatbesitz. Und zudem hätten Kommunen wie die andalusische Landesregierung mit der übereilten Deklarierung von Naturparks "greenwashing" betrieben, aber weder das Personal noch die Gelder und Konzepte bereitgestellt, die es für eine vernünftige Flurpflege brauche.

Ecologistas en Acción verfolgen einen komplexeren Ansatz und wollen dem Ökosystem Sierra de Mijas zunächst Zeit lassen, sich selbst zu erholen. Diese Regeneration, auch ökologische Sukzession genannt, sei nachhaltiger als wenn immer gleich der Mensch eingreife. Als Begleitmaßnahmen sollten Schranken die Einfahrt von privaten Autos in das Berggebiet unterbinden, öffentliche wie private Waldgebiete sollten zur Anlage von Löschteichen verpflichtet werden. Die andalusische Landesregierung sei allerdings zuerst in der Pflicht. Sie müsse klare Brandschutzrichtlinien für öffentliche wie private Naturgebiete erlassen.

Hubschrauber vor einer Flammenwand bei Waldbrand in Spanien.
Dichter Kiefernbestand, extreme Temperaturen und Trockenheit und heftiger Wind fachen den Waldbrand in der Sierra de Mijas zum Inferno an. © Daniel Pérez/EFE

Auch sei die Infoca-Feuerwehr gegen Waldbrände, eine Einheit, die Feuerwehrleute für bescheidene Löhne nur saisonal anstelle und sie im Herbst in die Arbeitslosigkeit schickt, genau dann, wenn eigentlich die Prävention für die nächste Saison starten müsste. Auch Schäfer müssten wiederkehren, die "Ökos" waren nie dagegen, im Gegenteil, es war vor allem die Lebensmittelindustrie, die mit ihrem Zwang zur Intensivierung, Stichwort Massentierhaltung, viele der alten Viehtrieb-Traditionen und einfachen Höfe zur Aufgabe zwang, weswegen die Landschaften überwucherten. Zudem mache gerade in Andalusien die Aufforstung noch zu Franco-Zeiten zu schaffen, wo minderwertige Kiefernarten viel zu dicht gesetzt wurden.

Umweltschützer fordern generelles Umdenken

Eine neue Katastrophe könne man nicht kurzfristig verhindern, die Sommer werden heißer, schlagartige Regenfälle und erhöhte Durchschnittstemperarturen führten zu mehr Biomasse, lange Trockenperioden und Dürre verwandelten diese in Zunder. Der Klimawandel zwinge zum Umdenken, Prävention bedeute nicht nur das Verhindern von Grillpartys und illegaler Müllentladung - was zweilfelos wichtig sei -, sondern es brauche „eine ganz neue Sicht auf die Natur“. Das ginge nur mit überregionalen Programmen, Bildung und Gesetzesänderungen, Fördergeldern und Kooperation der vielen sich oft überschneidenden Verwaltungsebenen. Die Natur nur ausbeuten, das zerstört sie, sie nur sich selbst überlassen auch. Doch die Politiker wollen schnell Erfolgsmeldungen mit ihren Fotos aussenden und die Blicke der Touristen richten sich längst wieder auf das Meer.

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