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Kampf gegen Zwangsräumungen in Málaga: Die Kinder haben keine Schuld

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Von: Marco Schicker

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Zwangsräumung in Malaga.
Es ist fast ein Ritual: Aktivisten von PAH protestieren gegen Zwangsräumungen aus sozialer Not in Málaga. Doch ihre Hilfe geht weiter. © PAH Málaga

Aktivisten der Plattform PAH versuchen in Málaga die Zwangsräumung und damit Obdachlosigkeit von Minderjährigen zu verhindern. Auch bei Verhandlungen mit Stadt und Banken helfen sie. Doch der soziale Druck steigt.

Málaga - „In Málaga gibt es im Schnitt fünf Zwangsräumungen am Tag. Wenn die Leute wüssten, was sich da abspielt, sie würden sich an den Kopf fassen“, erklärt eine der Aktivistinnen von PAH, der Plattform gegen Zwangsräumungen, die immer dann mobilisiert, wenn es die Schwächsten treffen soll, ältere Menschen oder alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern. Oder, wie im aktuellen Fall von Cristina im Barrio Carlinda, eine Mutter mit fünf Kindern, wovon eines zu 86% behindert ist. Die Szenarien ähneln sich: Eine Familie gründet sich, sie nehmen einen Kredit für den Kauf einer Wohnung auf, die Kinder kommen, die Frau gibt ihren Job auf, weil sie Haushalt und Kinder sonst nicht packt. Dann macht sich der Mann irgendwann aus dem Staub oder ist insolvent oder beides, Frau und Kinder bleiben auf den Trümmern sitzen, eine Abwärtsspirale setzt ein, bis die Polizei anrückt.

Schwierige Rechtslage in Spanien: Recht auf Wohnung gegen Schutz von Eigentum

Die von PAH stehen dann nicht nur mit ihrem Transparent vor der Tür und schlagen Lärm - die Polizisten grüßen sie schon mit Namen - sondern helfen den Betroffenen auch vor Gericht und den städtischen Behörden. „Auf der einen Seite ist der Räumungsbescheid wegen der Einforderung der Hypothek, doch auf der anderen Seite gibt es das Gesetz zum Kinderschutz“. PAH versucht, die Verantwortlichen zu überzeugen, dass man eine Familie mit vielen Kindern und sehr geringen Einkünften „nicht einfach auf die Straße setzen kann, sie haben das Recht auf eine Wohnung“. Wenn die Bank oder deren Immobilien-Filiale für Objekte mit „faulen Krediten“ eine Lösung verweigern, zum Beispiel eine an die Möglichkeiten der Familie angepasste Miete, bleibt noch, die Stadt um eine alternative, bezahlbare Unterkunft zu bitten. Weigert die sich auch oder redet sich raus, könnte ein Richter die „Verletzlichkeit“ der Familie deklarieren, was zumindest die Räumung aufschiebt, bis eine Lösung ohne Obdachlosigkeit gefunden wird.

Typische Fälle in Málaga: Alleinerziehende Mutter mit mehreren Kindern - Wo sind die Väter?

Aktivisten gegen Zwangsräumungen in Málaga.
Junge Menschen mit sozialem Gewissen: PAH Málaga. © PAH Málaga

Bei Cristina, ihren drei minderjährigen Kindern, einer Tochter mit schwerer Behinderung und einer 21-jährigen Tochter, die selbst Mutter ist, will die UCI-Santander an die Wohnung. Die Familie lebte zuletzt nur von der Schwerbehindertenrente der Tochter, es sei auch müßig Fragen nach „Schuld“ oder „falschen Lebensentscheidungen“ zu stellen, denn die Kinder seien daran nicht Schuld, sie seien zu schützen, so die Einstellung von PAH, deren Aktivisten oft erstmals stapelweise Papierkram aufbereiten und die Angelegenheiten überhaupt in verhandelbare Bahnen lenken. Ihnen gelang in letzter Minute ein Aufschub, zunächst bis Ende April. „Wir werden nochmal versuchen, mit der Bank zu verhandeln, vielleicht gemeinsam mit dem Rathaus“. Ein paar Tage später haben sie weniger Glück, Luisa und ihre Kinder müssen aus ihrer Wohnung raus, mit der Firma BTL war nicht zu reden, ein Richter gab zwar Aufschub bis Juni, aber „mit Immobilienentwicklern, die klare Zeitpläne und Renditeziele haben, lässt sich noch weniger verhandeln als mit Banken“, so PAH. Auch hier geht es um eine alleinerziehende Mutter, drei Kinder, eines mit Einschränkungen.

Andalusien an der Spitze bei Zwangsräumungen

2022 gingen die Räumungen etwas zurück, 2023 werden sie wieder anziehen. Per Gesetz sind Zwangsräumungen „sozial verletzlicher Personen und Familien“ untersagt, doch dazu braucht es ein Gerichtsurteil. Andalusien führt die Liste der Räumungen wegen der „Zwangsexekution von Hypotheken“ mit 5.668 im Vorjahr an, Katalonien folgt mit 4.660, dann Madrid und Murcia. Speziell in Málaga fehlten rund 10.000 Sozialwohnungen, bemängelt die linke Opposition im Rathaus und der Bedarf - auch wegen steigender Hypothekenzinsen und Inflationsdruck, vor allem aber wegen Ferienwohnungsschwemme und Luxusbaurausch - steige massiv. Der Bürgermeister negiert das, man würde das „falsche Zeichen“ setzen, eine prosperierende Stadt würde für Jobs, Einkommen und allgemeinen Wohlstand sorgen, sprich, der Markt soll es richten, verliert sich die regierende PP gerne in Allgemeinplätzen.

In Málaga stiegen die Mieten in nur einem Jahr um 25 Prozent, so stark wie nirgends sonst in Spanien, unter 2.000 Euro gibt es keinen Quadratmeter Eigenheim mehr und die Hypothekenraten stiegen in vielen Fällen um 40 bis 60 Prozent, manche haben sich sogar verdoppelt. Die Aktivisten von PAH wollen dennoch nicht aufgeben. Sie können nicht die sozialen Probleme einer außer Rand und Band boomenden Stadt lösen, „aber wir können in einzelnen Härtefällen helfen“. Denn echte Hilfe, ist immer konkret.

Infos und Mitwirkung unter www.pahmalaga.com.

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