Doch selbst die Besucher, sonst ein nicht abreißender Strom, blieben wegen Corona 2020 weitgehend aus. 2021 konnten wieder 1,2 Millionen Besucher im traumhaften Garten des Generalife begrüßt werden, in den Festungsanlagen der Alcazaba des 12. und 13. Jahrhunderts, dem Maurenstädtchen Medina, dem Renaissance-Palast von Kaiser Karl V, den er übrigens nie fertig zu Gesicht bekam. Und natürlich strömen und fiebern die Besucher in die unbeschreiblich schönen, chronologisch bis ins 15. Jahrhundert angelegten Nasriden-Palästen, einem Höhepunkt maurischer und Mudéjar-Handwerkskunst und Architektur, sozusagen dem steinernen Schlussakkord von Al-Ándalus.
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2020 war das schlimmste Jahr für das Patronato der Alhambra (für die Alhambra selbst dürfte das eher 1492 gewesen sein), die Verwaltung im Dienste der Landesregierung Andalusiens, als die Anlage wegen der forcierten Schließung 70 Prozent ihrer Besucher einbüßte. Jene, die hier waren, genossen den Umstand, sich Pracht und Details in Ruhe besehen zu können und nicht in Indianerreihe wie Ameisen durch die Anlage trippeln zu müssen. Denn schließlich ist die Alhambra nicht nur eine Ansammlung historischer Bauten voller Zier aus 1.001 Nacht, sondern Kronzeuge einer Epoche, die Spanien in Europa einmalig macht und den Besucher zum Philosophieren einlädt, so wie es die "drei Kulturen" in Al-Ándalus während seiner friedlichen Abschnitte lust- und geistvoll taten.
Nicht zuletzt war und ist die Alhambra auch Schauplatz großer Feste, der gastronomischen Kultur der spanischen Mauren, Bühne für Legenden und Dramen und Geschichten, wie jener der „besten Feinde“ Pedro I von Kastilien und Mohammed, Emir von Granada.
Für die Restauratoren und Archäologen war die Corona-Hölle das Paradies, denn sie konnten während der Schließung fast ungestört weitere Ausgrabungen im unendlichen Buddelkasten der Historie umsetzen - die Alhambra ist bis heute fast wöchentlich für eine Überraschung gut - oder lange aufgeschobene Konservierungsarbeiten angehen, darunter die überfällige erstmalige Generalsanierung der Fassade des Palacio de Carlos V. mit seiner Kuriosität, im Inneren der rechteckigen Renaissance-Anlage einen runden Hof zu beherbergen. Hier findet sich auch das Museum der Alhambra, für alle jene Fundstücke, die man nicht den äußeren Wetterbedingungen aussetzen kann. Darunter seit kurzem auch ein kunstvoll verzierter Deckenbalken, der einst, wie so viele Stücke, geplündert und in die USA verkauft, von einem wahren Kunstfreund aber der Öffentlichkeit zurückgegeben wurde.
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Die Vor-Corona-Werte von 2,7 Millionen Besuchern im Rekordjahr 2019 sind mit den 1,2 Millionen 2021 natürlich noch lange nicht wieder erreicht worden, doch 2020 waren es nur 776.000 Menschen, denen die Alhambra Einlass gewährte. Aber Corona brachte nicht nur Ruhe in die Anlage und finanzielle Verluste, sondern über die Covid-Hilfsfonds auch zusätzliche 20 Millionen Euro für Restaurierungsmaßnahmen. So musste die andalusische Landesregierung 2021 nur fünf Millionen Euro zuschießen, während die Alhambra sonst ein Profitcenter ist. Im Grunde ist das ein sehr kleiner Preis für das weltweit einmalige Ensemble. 2022 beginnt wegen der Omikron-Welle zwar auch mit angezogener Handbremse, doch sind Patronato wie Kunst- und Geschichtsfreunde in aller Welt guter Hoffnung, dass das Jahr ohne Reise- und Zutrittseinschränkungen verlaufen wird.
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