„Amontillado!“ ruft der schon angetrunkene Fortunato gleich dreimal ungläubig und aufgeregt, was zeigt, wie exklusiv der trockene Wein aus Jerez im 19. Jahrhundert in Europa gewesen sein muss. Und dann empört sich der Weinkenner: „Luchesi kann doch einen Amontillado nicht von einem Sherry unterscheiden“, als Montresor ihn spitzfindig reizt, er könne statt ihn auch Luchesi bitten, zu testen, ob es sich bei dem Fass um einen echten Amontillado handelt. Wobei Poe sich mit Sherry hier vermutlich auf den Oloroso bezieht, der zu jener Zeit vor allem beim britischen Adel der am meisten konsumierte (und wohl auch fälschlicherweise als Amontillado verkaufte) „Jerez“ war.
Der am Ende gar nicht mehr „glückliche“ Fortunato folgt Montresor immer tiefer in die Gewölbe unter dessen Palazzo. Die Glöckchen am Karnevalsgewand des Weinkenners klimpern, während die beiden feuchte, salpetrige Wände und aufgetürmte Knochen passieren. Sie kommen auf das Familienwappen der Montresors zu sprechen. „Und das Motto?“, fragt Fortunato. „Nemo me impune lacessit (niemand beleidigt mich ungestraft)“, antwortet Montresor so trocken wie sein Amontillado. „Schön!“ lobt der ahnungslose Fortunato, während er am Ende der Katakomben angelangt, wo das Schicksal auf ihn wartet.
Nein, wir wollen hier sicherlich nicht spoilern für diejenigen, die „The Cask of Amontillado“ noch nicht gelesen haben. Nach dem Literaturtipp für kalte, feuchte, salpetrige (?) Winterabende kommt jetzt noch der Musiktipp. Fortunatos Schicksal, so wie das anderer Charaktere aus Edgar Allan Poes Schauergeschichten, hat die britische Band The Alan Parsons Project auf ihrem Debüt-Album in sieben Songs musikalisch interpretiert.
Als „Tales of Mystery and Imagination“ – benannt nach einer Kurzgeschichtensammlung Edgar Allan Poes – 1976 herauskam, wurde es von Musikkritikern höchst unterschiedlich aufgenommen, bei den Fans hat das Konzeptalbum Kultstatus erreicht. 1987 brachte die Band eine Neuauflage heraus, bei der einige Lieder mit Passagen untermalt sind, in denen Orson Welles Auszüge aus den Poe-Geschichten intoniert, die Erzählung war bereits 1976 für das Original aufgenommen worden. Die eindringliche, reife Stimme des zu der Zeit bereits verstorbenen Schauspielers und Radiosprechers macht Poes Horror und Alan Parsons musikalische Umsetzung, mit einem Glas Amontillado in der Hand, versteht sich, perfekt.
Wer Lust bekommen hat, „The Cask of Amontillado“ im englischen Original oder in der deutschen Übersetzung zu lesen, findet beide Versionen im Internet, etwa bei Doppeltext oder Zeno.