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Gemalte Lebenslieder: Spanischer Realismus trifft in Málaga auf andalusische Klischees

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Von: Marco Schicker

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Museum Carmen Thyssen Málaga
Flamenco auf Leinwand. Das Museum Carmen Thyssen Málaga vereint die besten Maler Andalusiens. © Museo Carmen Thyssen Málaga

Ein Anflug von Avantgarde hält Einzug im Museum Carmen Thyssen Málaga, das sonst vor allem für andalusische Genremalerei bekannt ist. Große Namen wie Dalí, Miró und Picasso nehmen sich der „kleinen Leute“ an.

Málaga – Das Museo Carmen Thyssen ist in Málaga für die meisten Touristen nur zweite Wahl, zu hypnotisch zieht sie Picasso, der hier Unausweichliche, in seinen Bann. Die Erbin des deutschen Stahl- und Aufzugsbarons prahlt mit ihren hunderten Alten Meistern in Madrid, in Málaga hat sie die „Folklore“ aufgehängt. Andalusische Künstler, vor allem Maler, aus drei Jahrhunderten. Die besten. Wer das Museum besucht, taucht in einen Farbenrausch ein, Flamenco auf Leinwand. Farbenvolle, nicht immer -frohe Lebenswelten mit Zwischentönen, Schnellkurs Andalusien, Tupfer eines überreichen, armen Landes.

Keine Zeiten für Geplänkel: Spanischer Realismus im Museo Thyssen Málaga

Die beste Sammlung andalusischer Kunst überhaupt, lose Sitten in Stil und Sujet. Aber auch viel Schminke und Kostüme einer Welt, deren dunkle Seiten nur manche Künstler offenlegen wollten oder konnten. Die am 5. April eröffnete Sonderausstellung „Real(ismos). Nuevas figuraciones en el arte español entre 1918 y 1936“, bis 4. September 2022, öffnet den Blick auf Ansätze abseits der Klischees. Auf Meisterhände, denen der Effekt nicht genügte.

Es ist die andalusische Interpretation jenes europäischen Realismus in der Kunst der Zwischenkriegszeit, der Wahrheiten entblößte, ohne das Künstlerische aufzugeben. Eine Zeit, in der alle Gewissheiten zerstört werden, öffnet Künstlern neue Wege. Weniger Farben, mehr Ausdruck. Kunst wird politisch. Jetzt auch mit Ansage. Es war keine Zeit für Geplänkel und Weichzeichner.

Dali Gemälde im Museum Thyssen Malaga.
Ein Dalí, der so gar nicht Dalí aussieht: Anna María von 1924. Das Museo Thyssen Málaga zeigt Einblicke in den spanischen Realismus der Zwischenkriegszeit. © Museo Carmen Thyssen Málaga

Picasso und Dalí: Große Namen malen kleine Leute

Dass die harte Realität dieser Zeit im Spiegel der Kunst nicht hart aussehen muss, ohne sie zu verleugnen, dieser Spagat scheint fast natürlich auf „andalusische Art“ zu gelingen. Das Museum versucht das mit Werken von Picasso, Dalí, Ponce de León, Miró, Palencia, Mallo, Gargallo usw. dem Besucher vorzuführen.

Ein Hauch Avantgarde, der sich wie ein Frühblüher durch die harte Decke der Tradition kämpfte. Spaniens latente freiheitliche Dürre machte fruchtbare Erde lange hart. 1936 verendete die Kreativität schon wieder in der nächsten Barbarei. Was blieb, waren die Andalusier mit den alten Leiden in neuen Dimensionen. Und die Künstler im Exil. Oder angepasst ans System. Und es blieb ihre Kunst. Gemalte Lebenslieder singen von den Wänden. Und so sind wir doch wieder beim Flamenco, dem echten.

Zum Thema: Genialer Spötter - Pablo Picasso, Auge in Auge mit den Alten Meistern, in Málaga

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