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Latino-Film zu Halloween und Allerheiligen: „Coco“ - zurück zu den Lebenden

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Von: Stefan Wieczorek

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Eine Familie aus Trickfiguren versammelt sich am Tisch um Jungen mit der Gitarre.
„Coco“ ist ein großartiger Latino-Film zu Halloween und Allerheiligen. © Disney/Pixar

Um die Feiertage für die Toten ist der Streifen „Coco“ in Spanien besonders angesagt. Ein optisches und musikalisches Wunderwerk über den Mut, Wahrheit zu suchen und Versöhnung zu finden.

Vor allem in Ländern, die wie Spanien an Allerheiligen ihrer Verstorbenen gedenken, ist um den Feiertag am 1. November der Film „Coco“ ein Klassiker. 2017 von den Pixar Animation Studios produziert, gewann der Latino-Streifen zwei Oscars und rund um die Welt die Herzen vieler Menschen von Jung bis Alt. Ein optisches und musikalisches Wunderwerk ist der Zeichentrickfilm, der nicht zuletzt die mexikanischen Traditionen zum Toten-Gedenken erstrahlen lässt, die sich von den spanischen Halloween- und Allerheiligen-Bräuchen gar nicht so sehr unterscheiden. Mit einer beeindruckenden Tiefe erzählt der Film um den jungen Miguel von der Kraft der Erinnerung sowie vom Mut, die Wahrheit zu suchen und Versöhnung zu finden.

Latino-Film zu Halloween und Allerheiligen: „Coco“ - Klassiker auch in Spanien

Welche Familie auch in Spanien hat sie nicht: düstere Kapitel der Vergangenheit, für die Pech, Schuld oder Fehler gewisser Personen gesorgt haben sollen. Themen, die zu Tabus werden, die aber jedem in der Familie ein festes Schema vorgeben – darüber, was gut, was schlecht, was sicher und was gefährlich ist. Kennen Sie nicht? Der zwölfjährige Miguel aus Santa Cecilia in Mexiko kennt das zu gut. Der Junge träumt davon, Musiker zu werden – so wie Ernesto de la Cruz, der große Star des Dorfes. Doch in Miguels Schusterfamilie kommt das nicht in Frage. Musik ist nämlich strengstens verboten. Der Grund: Miguels Ur-Ur-Oma wurde von einem Gitarristen fallengelassen. Als Coco, die Tochter des Paares, drei Jahre alt war, zog er für immer fort.

In einer Sequenz voller mexikanischen Elans erzählt der Vorspann die Story von „Coco“ – Disneys und Pixars Zeichentricksensation. Von den „Toy Story“-Machern erdacht und produziert, begann der Latino-Film am 20. Oktober 2017, auf dem Morelia Festival in Mexiko, den Siegeszug. „Coco“ erhielt Preis um Preis, bis im März 2018 der doppelte „Oscar“ folgte – je einer für den besten Cartoon und den besten Filmsong. „Remember me“ ist dabei nur eines der zahlreichen Lieder, die dem Film einen unnachahmlich mexikanischen Anstrich geben. Für die passende Optik sorgen die Traditionen des „Día de los muertos“ zu Halloween, Allerheiligen und Allerseelen: starke Farben, Friedhöfe voller Blumen und vor allem viele bunte Totenköpfe.

Nur einer darf nicht mit: Im Totenreich Abenteuer des Lebens

Am „Día de los muertos“ - dem Feiertag der Verstorbenen - beginnt auch die Geschichte: Gemäß der Tradition werden die Vorfahren auf einem Altar mit Fotos, Blumen und Kerzen geehrt. Nur einer darf nicht mit drauf – Miguels verräterischer Ur-Ur-Großvater. Doch dies macht den Jungen vor allem eines: neugierig. Durch eine Unachtsamkeit beim Nachforschen richtet er herben Schaden an, stellt aber auch fest, dass der Vorfahr auf dem Foto die Gitarre des großen Ernesto de la Cruz in seinen Händen hält. Miguel wusste es ja immer. Jede Sekunde der Musical-Filme mit de la Cruz kennt er auswendig, lernte so auch auf der Luftgitarre alle Akkorde. Den Starmusiker hatte er also immer schon im Blut, glaubt er. Allerdings nur er.

Denn für die Behauptung, der Nachfahr des Stars zu sein, schlägt dem Protagonisten des Allerheiligen-Films der Zorn der Familie entgegen. Trotzig macht sich Miguel abends zu de la Cruz’ Grab auf, in dem sich die Gitarre befindet. Er zupft die Seiten – und unfassbares passiert. Denn plötzlich sieht die Welt um Miguel ganz anders aus: Seltsame Figuren sieht er, aus Knochen und Totenköpfen. Über eine große Brücke strömen sie aus einer Stadt am Ende des Horizonts. Für Miguel beginnt die Reise, auf der er – ausgerechnet im Totenreich – das Abenteuer seines Lebens erlebt.

Im frommen Umfeld gegen die Moral: Ein Hauch von „Zurück in die Zukunft“

Jahrelang hatte Lee Unkrich an der Geschichte für den Latino-Film herumgekaut, und setzte sie schließlich mit Hilfe des Teams von Adrian Molina auf beeindruckende, da so leichte, Weise um. Um den Geist Mexikos darzustellen, besuchte das Produktionsteam mehrmals das Land, das wohl in der Ära Trump besonders schlecht dastand. So ist der Film einer, der gerade den Kleinen und Unterschätzten den Vortritt lässt. Allen voran Miguel, der Rebell, der im frommen Umfeld gegen die Moral zu verstoßen scheint. Auch andere Randfiguren werden zu Protagonisten: Héctor, der trottelige Gauner, der Miguel bei der Suche im Totenreich hilft – und vor allem die alzheimerkranke Ur-Großmutter Coco, die dem Film ja den Titel gibt.

Der Mut, die Wahrheit zu suchen, hinter falschen Fassaden, die sich nur auf Kosten anderer erhalten, ist ein Motiv des Films, das ihn gerade für Menschen, die sich benachteiligt fühlen, so kostbar macht. Genial umgesetzt ist das Reich der Toten mit seinen Regeln und Gesetzen, das an Marty McFlys Reisen „Zurück in die Zukunft“ denken lässt. So betritt die Brücke zu den Lebenden nur der, dessen Verwandte ein Foto am Tag der Verstorbenen aufstellen. Wenn niemand mehr an den Toten denkt, verschwindet dieser endgültig. Offenbar wird das in einer sehr bewegenden Szene des Halloween- und Allerheiligen-Klassikers.

Zum Thema Spanien und seine historische Erinnerung

Hispanische Lebens- und Sterbensfreude

Nein, das Düstere und Schreckliche des Sterbens nimmt der Streifen, den Kinder wie Erwachsene anschauen können, nicht aus. Statt aber Trost in religiöser Dogmatik zu suchen, findet er Glück und Befreiung in hispanischer Lebens- und Sterbensfreude. Wie verwandt die Traditionen dies- und jenseits des Atlantiks sind, hat man an Halloween, Allerheiligen und Allerseelen gesehen, wo Süßes auch an der Costa Blanca oder Costa del Sol genauso typisch ist wie die Bonbons der mexikanischen „Muertos“. Man sieht es übrigens auch am 22. November, dem Tag der Santa Cecilia, die Miguels Musikantendorf den Namen gibt, und hierzulande in Spanien ganze Dörfer und Städte zum Musizieren bringt.

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