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Offene Geheimnisse: Córdobas Festival der Patios 2023 - Eine Fiesta der Ruhe

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Von: Marco Schicker

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Fiesta de los patios de Córdoba
Zur Fiesta de los patios de Córdoba werden die Höfe besonders üppig geschmückt. © Salas/EFE

Vom 2. bis 14. Mai 2023 macht sich Córdoba wieder selbst den Hof. Die berühmten Patios de Córdoba öffnen sich dann für neugierige Blicke. Es ist eine Fiesta der Besinnlichkeit, zwischen Blumen und murmelnden Brunnen in Córdoba, der Stadt mit den meisten UNESCO-Kulturerbestätten der Welt.

Córdoba – Die besten Hotels, Pensionen und auch AirBnB-Angbote in Córdoba sind schnell vergriffen, wer es erleben will, muss spätestens einen Monat davor buchen. Denn das jährliche „Festival de los Patios de Córdoba“, führt zu einer quasi ausgebuchten Stadt, es steht nicht nur auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes, sondern bei vielen auch auf der Liste dessen, was man in Spanien einmal im Leben besucht haben sollte. Reisegruppen kommen aus den USA und Japan extra dafür nach Good Old Europe und auch die Spanier selbst haben die Patios als sinnlich-ruhige Abwechslung in ihrem sonst tösenden Fiesta-Kalender auf dem Schirm. Sind Semana Santa und Feria de Abril in Sevilla vorbei, kommen schon die Frühjahrs-Ferias, dann die Flamenco-Nächte in den Dörfern, dann Strand, Chringuito und die besonders lauten Ferias de Agosto, die nahtlos in Erntefeste übergehen.

Córdobas berühmte Höfe: Andalusische Philosophie zwischen vier Wänden

Patio in Córdoba
Córdobas Höfe stehen oft auch außerhalb des Patio-Festivals offen. © Marco Schicker

Wer rechtzeitig ein Zimmer in Córdoba findet, könnte es sogar erleben, nicht nur Zuschauer, sondern als Bewohner eines Patios selbst Teil des Geschehens des Festivals der Patios zu werden. Vom 2. bis 14. Mai 2023 machen sich die Cordobeser wieder selbst den Hof und erlauben Besuchern staunende Blicke in eine eigentlich intim gedachte Welt. Die „patios abiertos“, das Festival der offenen Höfe, ist ein Event, ein Labyrinth, ein Wettbewerb und gleichzeitig eine Entschleunigungsübung. Täglich von 11 bis 14 und nochmals von 18 bis 22 Uhr (14. Mai nur bis 20.30 Uhr) stehen dann hunderte Höfe in Hütten und Palästen gleichermaßen offen, übertreffen sich ihre Bewohner in ausladendem Blumenschmuck, mal geschmackvoll, mal zu viel. Doch es geht um mehr, um eine Lebensart, eine Philosophie, die sich eine Welt in der Nussschale schafft, die gerade wegen ihres sorglosen Multikulti-Stilmixes so durch und durch andalusisch ist.

Schlendern, schauen, riechen sind die meditativen Tätigkeiten dieser Fiesta der Ruhe. Freilich, die kleinen privaten Patios, die offiziellen in alten Palacios, Konventen oder Amtsgebäuden, bieten auch Konzerte, Umtrunke und sogar Theater an. Doch eigentlich sollte man sich in jedem Hof auf ein Bänkchen setzen und „nichts“ tun. Die Gerüche nach Orangenblüten und Eintopf, das Gemurmel der kleinen Brunnen, ohne die ein andalusischer Patio nur ein Hof wäre, die Schattenspiele der Arkaden und Säulen, die „Strickmuster“ blauer Blumentöpfchen an den Wänden und auch die Rufe und Klänge von Bewohnern und Besuchern in verschachtelter Akustik befördern die Besucher ins mittelalterliche Córdoba, in die Zeit der Mauren, sogar der Römer und zurück zur Kittelschürze der 50er Jahre, die sich sehr hartnäckig hält.

Flanieren durch Córdobas Altstadt: Patios im Weltkulturerbe

Patios de Córdoba
Patios de Córdoba: Stolz der Stadt und ihrer Bewohner © Salas/EFE

Seit 1921 gibt es den städtischen Wettbewerb um den schönsten Patio von Córdoba, der heute in vier Kategorien ausgetragen wird, Preise gibt es durch Jury und Publikum dann in der traditionellen Liga, für Innovatives, Ausgefallenes und für „junge Höfe“. Doch wie gesagt, das Flanieren ist das eigentliche Event, Córdobas Altstadt ist quasi endlos, eine Zeit- und Stilreise durch zwei Jahrtausende, durch die Viertel der vertriebenen Sepharden und Mauren rund um die Moschee-Kathedrale, über römische Brücken und natürlich die Paläste der spanischen Könige. Das Straßenraster der Altstadt blieb teils über 2.000 Jahre gleich und so lange werkeln und entspannen Cordobesen auch in ihren Patios.

Die Blüte erlangte die Patio-Kultur Córdobas unter den Mauren, damals wurde der Innenhof zum Wohnzimmer, zunm Salon, beschützt durch die Mauern und den zaguán, wie der Eingangsbereich, einst als verwinkelter Blick- und Feindesfang, noch heute im Spanischen heißt, der aber von einem arabischen Wort stammt, wie fast jedes zehnte der spanischen Sprache. Der Patio wurde Refugium vor der lauten Welt, vor lüsternen Blicken auf die Ehefrau(en), vor der Hitze. So finden sich in jedem andalusischen Patio, der was auf sich hält, auch alle Elemente wieder, die die Mauren zum Kult erhoben: eine Galerie aus Säulen und Arkaden, fein gepflegte Pflanzen, die Schatten und Kühle spenden und eine zentrale Wasserquelle, dazu mit Azulejos oder Reliefs geschmückte Wände.

Córdobas Weltkultuerbe: Tempel, Schlösser, Ochsenschwanz und „die schönsten Frauen der Welt“

Brunnen in Córdoba.
Schönheit kommt von Innen: Details eines alten Hofes in Córdobas Altstadt. © Marco Schicker

Die individuelle Ausgestaltung wiederum verrät, für jene, die Einlass bekamen, den Stand der Familie, die hier lebt, aber auch ihren Geschmack. Vom Puristen bis zum ausschweifenden Poseur war und ist alles vertreten. Daran hat sich nicht viel geändert, auch wenn heute öfters christliche Heiligenbildchen in den Höfen hängen, die Pflanzen blieben ähnlich, ergänzt um Zuchtblümchen in Töpfen, die Hitze ist mindestens so stark wie damals und das Wasser genauso wertvoll.

Córdoba habe drei Weltkulturerbe vorzuweisen, ist einer der schnell dahingeklecksten Stehsätze in Magazinen und Reiseblogs, wenn es um die Kalifatsstadt im Norden Andalusiens geht. Die Schreiberlinge sollten nochmal nachzählen: Die Moschee-Kathedrale samt Altstadt, die maurische Palastanlage Medinat Azahara und – als immaterielles Erbe – die „patios“, die Innenhöfe und ihre Beschmückung. In Wirklichkeit sind es „mindestens sechs Welterbe“ klärte mich einst ein naseweiser Kellner auf, der, da aus Córdoba stammend, mehr Autorität als die Unesco hat.

Blick in einen Patio von Córdoba.
Blick in den „Salon“: Córdobas Patios sind nicht nur Deko, sondern Lebensraum. © Marco Schicker

Denn auch der Flamenco, seit 2010 auf der Unesco-Liste, hat in Córdoba Bühnen und Wiegen, sodann seien Córdobas Leibgericht der Rabo de Toro (Ochsenschwanz) und der Salmorejo (kalte Tomatencreme) als gastronomisches Welterbe zu benennen. Der Kellner zählte noch Auberginen mit Honig und die Flamenquines auf und wollte gar nicht mehr aufhören. Auch die real caballeriza, die von Felipe II. gegründete Königliche Hofreitschule mit ihrer pura raza andaluca gehöre dazu, sowie, schmunzelte der Kellner am Ende, die „natürlich weltschönsten Frauen“, „unsere Frauen“ betonte er mit bohrendem Blick. Dass Gastronomie, Flamenco und auch die Patios am Ende alle diesem ganz besonders lebendigem Erbe zuarbeiten, das ist in Córdoba auch ein offenes Geheimnis, aber ganzjährig.

Zum Thema: Córdoba unter Tränen - Ein Reisebericht aus der „neuen Normalität“

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