Beschädigte Mauern im Wandbilder-Viertel von Orihuela

Auf den vielen Regen im Frühling folgt in Orihuela ein politisches Gewitter. Auf einmal ist das bunte Viertel am Ortsrand in aller Munde.
Orihuela – Wer Spaniens Volksseele erforschen will, kommt an der Costa Blanca erforschen nicht an den Murales de San Isidro vorbei. Das Viertel der Wandbilder am Berghang von Orihuela ist ein einmaliges Freilichtmuseum voller Farbe und Poesie, wie etwa im Zusammenhang der Geschichte der Witwe Josefina Manresa, die Francos Diktatur austrickste, zu erfahren ist. Momentan aber bilden die Mauern auf eher unschöne Weise die Zustände im Ort ab: Zig Schäden weisen die bemalten Häuser auf. Abgebröckelt ist der bunte Lack. Die Lage passt allerdings zu den aktuellen Zuständen in Orihuelas Rathaus.
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Costa Blanca: Beschädigte Mauern nach viel Regen im Wandbilder-Viertel
Was das Rathaus Orihuela angeht, hat kürzlich - nach dem vielen Regen an der Costa Blanca - ein politisches Gewitter ein brüchiges Gemälde zu Boden gerissen: Den Regierungspakt der himmelblauen PP mit der liberalen C’s. Die orangenfarbene Partei wechselten per Misstrauensvotum ihren Partner und regiert nun mit den roten Sozialisten weiter. Doch rasch hat die PP, die konservative Volkspartei, in den Oppositions-Modus umgeschaltet. Und für ihren Schlag gegen die neue Regierung wählte sie ein plakatives Motiv: Die Murales de San Isidro. Ausgerechnet, die beschädigten Mauern im Viertel der Wandbilder.
Noch vor der ersten Pressemitteilung der neuen rot-orangenen Regierung hatte Orihuelas PP eine herbe Beschwerde an die Medien ausgesandt: Es ging um den Zustand im Viertel der Wandbilder. Ein „Schmuckstück unserer Kultur und jüngeren Geschichte“ erhalte nicht die angemessene Pflege. Die beschädigten bunten Mauern seien der Beweis dafür, wie haarsträubend die C’s-Partei arbeite. Die ist schließlich – schon seit Jahren – für die Murales zuständig. Der Vorwurf mag in dieser Form überraschen. (Video: Wandbilder können starke Botschaften vermitteln, siehe Mexico City.)
Schließlich hängt in Orihuela niemandem mehr als der PP der Ruf nach, die kulturellen Schätze der Stadt trotz großer Versprechen nie angemessen zu bewahren. Mit großer Förderung von San Isidro tat die PP sich zudem nie groß hervor. Das hat nicht zuletzt ideologische Gründe. Wer die Wandbilder aufmerksam anschaut, wird viele Embleme des PP-konträren Spektrums finden. Neben republikanischen Farben in mehr oder weniger abstrakten Ausführungen auch eindeutige kommunistische Symbole. Das ist ganz konform mit der Gedankenwelt des geistigen Vaters der Murales: Dichter Miguel Hernández.
Schneller Pinsel: Mauern seit Monaten nass
Die Poesie des Miguel Hernández bildeten bereits in den 70er Jahren, als es in der Diktatur in Franco-Spanien noch verboten war, Künstler in San Isidro ab. Über jene Umstände verliert die konservative PP Worte eher ungern. Aber sie weiß genau, dass Hernández gerade, in seinem 80. Todesjahr, einen starken Aufwind erlebt. Da nimmt man doch schnell einen Pinsel zur Hand und schmückt sich mit den Farben einer vermeintlichen Sorge um die beschädigten Mauern im Viertel der poetischen Wandbilder. Doch ist die Attacke – das sollte die PP wissen – wegen der allein klimatischen Rahmenbedingungen nicht ganz fair.
Die Gemälde an den Mauern von San Isidro wurden unter C’s ja kontinuierlich erneuert und erweitert: Allerdings immer zum Festival Murales de San Isidro. Doch fiel dieses wegen der Pandemie zweimal aus. Am ersten Mai-Wochenende 2022 stand eigentlich das Comeback des Fests an, mit Theater, Routen, Konzerten und frischen Malereien. Das Event wurde aber wegen des vielen Regens im Frühling an der Costa Blanca abgesagt. Für die Erneuerung der Bilder seien nämlich gänzlich trockene Wände nötig, erklärt uns das Kulturamt auf Nachfrage.
Wegen der nassen Monate habe das Rathaus die Schäden an den Mauern des Wandbilder-Viertels nicht beheben können. Am ersten Juniwochenende, vom 3. bis 5. Juni, werde das Festival aber nachgeholt. Dann sollte San Isidro wieder erstrahlen. Hoffen wir, dass es klappt: Und dass Orihuelas neue Farben sich als nachhaltiger erweisen als die alten.