Früh verstorbene Kinder: Figur im Palmenpark tröstet Eltern

Laut Künstler Jesús García lädt die unter den Palmen von Elche platzierte Skulptur zur Interaktion ein. Schon am ersten Nachmittag legten Familien kleine bemalte Steine und Blumen hin.
Elche – Eines der Wunder von Palmenoasen ist ja, dass sie einsamen, durstigen Seelen nach einer verzweifelten Wüstenwanderung Erfrischung, neue Energien und Hoffnung schenken. Dieser Vorteil ist den tausendjährigen, maurischen Palmenparks von Elche in heutigen Zeiten der wilden Bebauung und touristischen Ausbeutung ja ziemlich abhanden gekommen. Ein neues Detail im Palmeral jedoch bringt den alten Gedanken zurück. Zumindest Menschen, die ein bestimmtes, verborgenes Leid mit sich tragen, finden in der zauberhaften Oase an der Costa Blanca nun Trost und neue Stärkung.
Costa Blanca: Früh verstorbene Kinder - „Das wird schon wieder“?
Gemeint sind Frauen, aber nicht nur. Menschen, die viel zu früh ihr Kind verloren. Noch während der Schwangerschaft, bei der Geburt oder kurz danach. Von solchen Todesfällen gibt es auch in Spanien im Jahr 2022 noch jede Menge. Jedes fünfte gezeugte Kind stirbt bei einer Fehlgeburt oder wird tot geboren. Und auch heute noch sterben vier von 1.000 Neugeborenen. Das Leid der Eltern - Frau und Mann - aber bleibt völlig unverstanden. „Das wird schon wieder“. „Nächstes Mal klappt es bestimmt“. Das sind nur einige der hohlen Phrasen, die oftmals eher wehtun, als dass sie wirklich Trost spenden würden.
„In Wirklichkeit hat man jemanden verloren, den man von Anfang an bei sich spürte.“
Im städtischen Palmenpark (Parque Municipal) von Elche steht seit dieser Woche eine Skulptur für betroffene Eltern und Familien. Auf einem Sockel befindet sich eine abstrakte Form. Beim genaueren Hinsehen ist es ein Frauenkörper mit einer schalenförmigen Ergänzung: Der leere Mutterleib. An dessen Rand sitzt ein zarter Schmetterling, der fliegen will. Ein kleines Fünkchen Hoffnung. „Die Liebe beginnt nicht mit der Geburt und endet nicht mit dem Tod“, erklärte bei der Vorstellung der Figur Marian Mahmood vom Betroffenen-Verein El Hueco de mi Vientre (die Lücke in meinem Bauch). Das Netzwerk betreut in ganz Spanien Mütter und Väter, die den viel zu frühen Tod ihres Kindes erlitten, aber sich mit der Trauer völlig allein fühlen.
Kein steriles Dastehen: Sensibilität im richtigen Moment
In Elche fand der spanische Verein, der sich um Eltern von früh verstorbenen Kindern kümmert, ein offenes Ohr. Gemeinsam mit Vertretern der Stadt, darunter Ortschef Carlos González (PSOE), und des Krankenpfleger-Kollegs Alicante enthüllten die Aktivistinnen im Sommer 2022 die Skulptur an einem prominenten Platz des Palmenparks, nahe der Touristeninfo. „Amor sin latido“ – Liebe ohne Herzschlag. Den Namen verlieh Künstler Jesús García seiner kleinen Figur, die keineswegs nur steril dastehen soll, sondern vielmehr zu Interaktion einlade. Und die gab es schon am ersten Nachmittag. Mehrere Familien versahen kleine Steine mit Namen ihrer verstorbenen Kinder und legten sie mit Blumensträußen vor die neue Säule.
Tränen flossen, während Musikerin Paula Romero „Recuérdame“ (Erinnere dich an mich) spielte, ein Lied aus „Coco“, einem wunderbaren Film über die Kraft der Erinnerung an die Verstorbenen. Aldara Fernández war eine der Betroffenen, die unter den Palmen der Costa Blanca Zeugnis von ihrem Leidensweg ablegten. Im siebten Monat der Schwangerschaft hatte sie erfahren, dass das Herz ihres Kindes nicht mehr schlug. Ein böser Schlag für sie und ihren Partner. Ein Glück, dass die Pfleger des Krankenhauses im tragischen Moment die nötige Sensibilität hatten und es den schockierten Eltern ermöglichten, sich zumindest am toten Leib des Kindes von ihm zu verabschieden.
Schmerz beim Namen nennen: Mit Identität und Bindung
Einen solch offenen Umgang mit der Trauer um früh verstorbene Kinder empfiehlt in Elche Psychologin Reyes López. „Es herrscht die Meinung vor: Es ist nichts Schlimmes passiert. Vor allem, wenn das Paar schon ein Kind hat“, kritisiert die Expertin für perinatale (den Zeitraum um die Entbindung betreffende) Psychologie. „Doch in Wirklichkeit hat man jemanden verloren, den man von Anfang an bei sich spürte.“ Den Eltern müsse nach dem Tod eines sehr kleinen Kindes die Chance auf „wirkliche Trauer“ gegeben werden. „Wie, wenn ein naher Mensch stirbt.“ Schließt man die Episode nicht ab, könne sie einen jahrelang verfolgen. „Sogar als körperlicher Schmerz“, warnt Psychologin Reyes López, tröstet aber: „Auch nach Jahren kann man einen Schlussstrich ziehen.“
Wichtig seien dafür gute Gespräche. Nicht unbedingt mit einem Spezialisten – wenn Angehörige in der Lage sind, zu helfen. „Man kann auch eine Art Tagebuch schreiben, gerichtet an das verlorene Kind.“ Den Schmerz annehmen, ihn beim Namen nennen, sei vonnöten, um mit dem Trauma abzuschließen. Doch trotz wissenschaftlicher Einsichten ist in der Gesellschaft die Einsicht, dass das Körperchen im Bauch der Mutter eben auch ein Mensch mit Identität und Liebesbindungen ist, noch längst nicht angelangt. Deshalb wandern immer noch – still und leise mitten unter uns – Unmengen an Frauen und auch Männern innerlich allein und nach Verständnis dürstend durch die Wüste ihrer Trauer.