Wie Josefina Manresa später zugab, war ihre Beziehung mit Miguel Hernández jedoch auch eine „voller Scheu und Distanz“. Das sei damals halt unter jungen Verliebten so gewesen, erklärte sie. Aber sie habe die Unschuld auch nicht vorschnell verlieren wollen, denn „es war das einzige, was ein Mädchen damals besaß“, schrieb die Witwe in ihren Memoiren 1980, ganz poetisch.
Den Dichter von der Costa Blanca aber machte die reservierte Haltung seiner Freundin wütend, und es kam zum Bruch. In Madrid, in das er 1935 auf der Suche nach Glück aufbrach, lebte Miguel Hernández seine Passionen mit der aufregenden Malerin Maruja Mallo aus. Sie – und eben nicht Josefina Manresa, wie man lange vermutete – war die Muse für den heißblütigen Band „El Rayo que no cesa“ (Der Blitz, der nicht erlischt), der dem Dichter in Spanien den Durchbruch brachte.
Aber Josefina Manresa verzieh ihm. Sie kamen 1936 wieder zusammen. Und blieben bis Miguels Tod doch fern. Im spanischen Bürgerkrieg wurde der Dichter zum großen Abwesenden, gerufen an die Fronten oder als Kulturkommissar zu Reisen ins kommunistische Russland. Dass seine ständige Abwesenheit sie ärgerte, darauf lassen nur seine Rechtfertigungen in Briefen schließen, die sie später vor der Franco-Diktatur versteckte. In Aussagen über Miguel Hernández hielt die Witwe ihm aber immer die Treue.
Nur ein kleines Paradies auf Erden war dem Paar noch vergönnt. Die Flitterwochen in Jaén, Josefina Manresas geliebter Heimat, so jäh unterbrochen durch die Nachricht vom Tod ihrer Mutter. In Wirklichkeit weilte das Paar aber in dieser andalusischen Gegend auch deshalb, weil der Dichter dort an die Front bestellt war. Den Faschismus zu stoppen, wurde seine Mission. Die ihre: Die Familie zu ernähren. Nach Hause brachte Miguel Hernández kaum Geld, höchstens Lebensmittel. Als er 1939 gefasst wurde, war auch das vorbei.
Der Hunger im Haus war groß, immer größer. Nur Zwiebelsuppe gab es, jeden Tag. Als Josefina darüber im Brief klagte, schrieb Miguel ein Gedicht. Es wurde sein berühmtestes, die ikonischen „Nanas de la Cebolla“ (Wiegenlieder der Zwiebel), die etwa Joan Manuel Serrat später als gefeiertes Lied aufnahm.
In der Wiege des Hungers war mein Kind.
Mit Blut der Zwiebel wurde es gestillt.
Aber dein Blut ist bestreut mit Zucker, Zwiebel und Hunger. (...)
Eine braunhaarige Frau, im Mond aufgelöst,
ergießt sich Faden für Faden über der Wiege.
Lache Kind, und schlucke den Mond, wenn es Zeit ist.
Um ihrem Mann Essen in die Zelle zu bringen, suchte Josefina Manresa sich einen Job in Alicante und zog in die Stadt, in der sein Gefängnis stand und in der das Paar später am Friedhof im Grab gemeinsam ruhen würde. Kurz vor seinem Tod am 28. März 1942, machte Miguel Hernández ihr dort ein Geschenk: Die kirchliche Heirat. Darauf hatte die fromme Frau lange gehofft. Nun würde es ihr zumindest ein Witwen-Geld ermöglichen. Denn: Franco akzeptierte keine Zivilehen.
Wie tickte Josefina Manresa eigentlich politisch? Das ist schwer zu sagen. Schmerzhaft hatte die Witwe an den ideologischen Lagern von Spanien gelitten. Ihr Kampf dagegen war nicht politisch, sondern einer ums Überleben gegen die täglichen Widrigkeiten. An der Nähmaschine, „von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr nachts“, wie sie erzählte. Und mit den versteckten Briefen und Gedichten in der Wäschekiste, mit der sie Franco austrickste. In der Diktatur wurde sie durchaus dazu gedrängt, ja erpresst, diese Texte herzugeben. Oder zu unterschreiben, dass sie nie veröffentlicht werden würden.
Was das Regime mit dem versteckten Erbe gemacht hätte? Wahrscheinlich vernichtet. Wie mit dem Band „El hombre acecha“ (Mensch auf der Lauer) geschehen, der 1939 veröffentlicht werden sollte. Längst nicht so ideologisch, dafür umso nachdenklicher waren diese Texte des Dichters. Dennoch ließen Francos Mannen die frisch gedruckten Ausgaben verbrennen. Josefina Manresa rettete das Werk für die Nachwelt. Und als ihr einflussreiche Franquisten versprachen, dass ihr Kind auf eine gute Schule kommen würde, wenn sie die versteckten Texte hergäbe, sagte sie nein. Sie glaubte an ihren Mann und liebte ihn, trotz allem.
Und: Josefina Manresa glaubte, dass bessere Zeiten kommen würden. 40 Jahre wartete sie darauf. Die Witwe des sogenannten „Universaldichters“ – sie selbst, ein Sinnbild für so viele Menschen in Spanien. Für Arme, für Witwen, für Leidende des Alltags, für Trauernde, für ihrer Unschuld Beraubte. Für Menschen ohne politisches Lager, für Menschen, die nicht einmal Fußnoten der Geschichte sind, doch von Poesie erfüllte Hoffnungen in Wäschekisten verstecken. Auch an ihnen und ihrer Muse Josefina Manresa ist am 21. März kein Vorbeikommen.
Die Wandgemälde, von denen einige im Artikel zu sehen sind, besichtigen Sie gratis im Viertel San Isidro in Orihuela an der Costa Blanca. In der Touristeninfo erhalten Sie zu diesen „Murales de San Isidro“ eine Broschüre. Auf unseren Seiten lesen Sie sowohl einen Text über das Leben und Wirken von Miguel Hernández, als auch, warum der Dichter in Zeiten der Corona-Pandemie wieder besonders angesagt ist.