Natürlich, ein bisschen Klimbim an der Strandbar reicht vielen auch - oder die große Show auf diversen Festivals an der Küste, sie sind auch Flamenco, die Gipsy Kings auf ihre Weise auch eine Facette davon. Die Flamenco-Tablaos in Madrid, die Bodegas von Jerez bieten großartigen Künstlern Bühnen. Unverzichtbar sind die großen Festspiele, die Flamenco-Biennale in Sevilla 2022 (ab 8. September), Cante de las Minas in La Unión bei Cartagena 2022 (ab 27. Juli), die stimmungsvollen Konzerte in der Alhambra von Granada.
Doch wer den echten Flamenco dort kennenlernen will, wo er entstanden ist, als subtil-ironische, hysterisch-melancholische Lebenslieder der Gitanos zwischen Gebet und Fluch, Zote und Liebeserklärung, der muss dorthin, wo es wehtut, in die Gassen der Armenviertel Sevillas, in die verkommenen Hafenkneipen von Algeciras oder auf den Campo de Gibraltar. Oder er geht im Sommer mal weg von den Stränden, in die hintersten Dörfer Andalusiens, wo Spanien erst anfängt, die Künstler in den Kulissen weißer Dörfer es bunt treiben, in erster Linie für sich spielen und gerade deshalb das Publikum so mitnehmen. Wo der Duende, der Hausgeist des Flamenco, eine Dauerkarte hat.
Casabermeja, an der A-45, 25 Kilometer nördlich von Málaga in den Montes, hat auf den ersten Blick nicht viel zu bieten und ist nur deshalb nicht ausgestorben, weil die Mieten in der Provinzhauptstadt unbezahlbar werden. Im Arroyo del Carnicero stehen drei über 1.000 Jahre alte Olivenbäume, auf einem Berg der Torre Zambra, nachdem sich auch die örtliche Peña flamenca benannt hat, die Zambra mora ist ja auch eine Spielart des Flamenco, wenn auch eine fast ausgestorbene. Apropos: Der surreal wirkende Dorffriedhof, einer der ersten Spaniens, der ganz außerhalb der Stadtmauern gebaut wurde, und der kleine jüdische Friedhof vermitteln den Eindruck einer Totenstadt.
Doch zumindest am 23. Juli wird Casabermeja für Flamenco-Freunde sehr lebendig, quasi zu ihrer Hauptstadt für eine Nacht, mit dem 51. Festival de Cante Grande, das unter Kennern besonders für seinen sanglichen Purismus geschätzt wird. Gemeinsam mit Ramón de Algeciras, Bruder von Paco de Lucía, trat hier 1971 und nochmals 1982 die Legende Camarón de la Isla auf, sein diesjähriger 30. Todestag wird natürlich vertont werden. Jose Mercé war hier Dauergast und kein Interpret von Namen ließ sich Casabermeja entgehen.
Acht Sänger, ebenso viele Gitarristen und Tänzer sind 2022 angesagt, wenn sich ab 22 Uhr der Polideportivo zur Bühne verwandelt. Davor stromern Bewohner und Gäste durch die Gassen, werden Getränke ausgeschenkt, macht man Picknick, die Straßen werden mit Kräuter-Büschen ausgelegt, die einen betörenden Duft abgeben, eine Verdiales-Gruppe tritt auf, die diesen uralten Bauerntanz unbestimmbarer Herkunft am Leben erhält. Infos und Tickets unter Telefon 952 758 275 sowie auf dieser Ticket-Webseite.
Ein sympathisches sevillanisches Provinznest ist Marchena an der A-92 zwischen Estepa und Sevilla. Dem Maler Zurbarán haben sie hier ein eigenes Museum gewidmet, ansonsten Patios, Kirchen, Palacetes, aus denen Bäume wachsen, und schöne Brunnen. Die Besetzung der 48. Fiesta de la Guitarra am 29. und 30. Juli würde selbst das große Sevilla vor Neid erblassen lassen: Diego del Morao, Tomatito, José del Tomate, Antonio Reyes, Ramon Trujillo, Rafael Rodríguez an ihren Gitarren. Es sind mit die besten Flamenco-Gitarristen Spaniens. Gesungen wird auch, unter anderem von Rosario La Tremendita und Capullo de Jerez. Jeweils auf der Plaza de Ducal ab 22 Uhr, 29. Juli gratis, 30. Juli in der Nacht der Superstars: 15 Euro. Tickets: turismo@marchena.org, Telefon: 955 321 010.
Aguilar de la Frontera, ist eigentlich ein verschlafenes Nest in Córdoba, von Málaga einfach über die N-331 erreichbar. Eine gigantische Plaza Mayor, die dazu noch achteckig ist und auf der man sich fast auf einer Stierkampfarena wähnt, macht die Kleinstadt besonders. Diese Plaza de San José ist der Langeweile eines Bürgermeisters geschuldet, der seine Gemeinde und sich etwas wichtiger machen wollte. Eine ganz hervorragende Bauernküche wird in den preiswerten Lokalen stolz mit Weinen der eigenen Montilla-Moriles-Region begleitet. Am 30. Juli feiert der Ort seine 43. Nacht des Flamenco, ab 23 Uhr auf dem Festgelände (recinto ferial) mit einer erlesenen Besetzung. Ticktes gibt es problemlos vor Ort.
Am 5. August feiert Álora sein 48. Festival de Cante Grande, ab 22 Uhr an der Sporthalle. Es ist eines jener weißen Dörfer Málagas, die von den meisten Reiseführern übersprungen werden, weil die Gassen nicht so ganz geleckt daherkommen, wie es die Instagram-Generation wünscht. Im oberen Tal des Guadalhorce unweit des Touristen-Hot-Spots Caminito del Rey gelegen und über El Chorro sogar an die Eisenbahn angebunden, ist Álora mit 14.000 Einwohnern gar nicht so klein. Es fehlt die Maurenburg nicht, die auf phönizischen Fundamenten ruht, ohne je Ruhe zu finden, und in die über die Jahrhunderte kleine Wohnhäuser hineingewachsen scheinen.
Álora will nicht weniger als die Wiege der Malagueña sein, der regionalen Variante der Fandangos, mehr gesungen als getanzt. Einer ihrer originellsten Botschafter war der 1884 hier geborene Diego El Perote, der als Schäfer zum Sänger, in den Bodegas und auf den Festen in Málaga berühmt wurde und dann einen Job bei der Eisenbahn annahm, um günstig durchs ganze Land fahren und auftreten zu können. Der Geist des mit fast 100 Jahren Verstorbenen weht durch Álora und belebt das Festival mit den gefeierten Stars der Szene, Arcángel und María Terremoto, weiteren Sängern, vier Gitarristen und einer Tanzschule. Tickets.
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