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Allegorien und Alegrías: Teatro Cervantes Málaga wird zum hochklassigen Flamenco-Tablao

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Von: Marco Schicker

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Die Flamenco-Sängerin Alba Molina.
Alba Molina ist eine der Stars beim Flamenco-Festival in Málaga im April 2023. © Alba Molina

Ein Bild fällt aus dem Rahmen: Málagas schmuckes Teatro Cervantes wird im April zum Flamenco-Tablao. Traditionen treffen auf ambitionierte Künstler, die sich frisch und frei durch Genres und Kulturen bewegen.

Málaga – Seit 1870 durchgängig bespielt, ist das Teatro Cervantes in Málaga eines der ältesten Spaniens. Von außen eher noch unscheinbar, vernimmt man von Erstbesuchern oft gedämpftes Raunen, wenn sie den Zuschauerraum betreten, sie sich in Italien wähnen zwischen verzierten Logen und purpurrotem Samt. Ein Blick zur Decke holt sie nach Málaga zurück, auf dem gigantischen Deckengemälde des Valencianers Bernardo Ferrándiz Bádenes „Allegorie auf das Leben in Málaga“ gibt es Sehenswertes für eine hartnäckige Genickstarre. Wir erkennen die Alcazaba, die Montes, die Alameda mit ihrem Palmengürtel. Das monumentale Bild aus der „Gründerzeit„ singt ein Loblied auf Fabriken und Modernisierung, was auch zur heutigen Boom-Town Málaga passt, eine Muse, wohl Thalia, sitzt in Marmor auf einem Podest, darunter picknickt eine viktorianisch aufgebrezelte Familie.

Weinen und über sich lachen: Flamenco als Allegorie auf Leben und Leiden

Im Vordergrund hat der Maler nicht, wie damals üblich, die Herrlichkeit Ihro Majestät umrankt von lieblichem Firlefanz besungen, sondern er bietet einfachen Menschen eine Bühne. Da krümmen sich Bauern beim Heu abladen, können wir das Knarren alter Karren fast hören, Maultiere riechen, während junge Menschen im Fischfang am Ufer mühsam ihren Erwerb suchen. Die meisten sind ärmlich gekleidet, aber vom Künstler hübsch gruppiert, ja, alles ähnelt dem, was man früher „Zigeunerlager“ genannt hätte. Auch eine Maid, die mit verträumt angeschrägtem Kopf an einer mit bunten Bändchen verzierten Gitarre zupft, darf da nicht fehlen.

Deckengemälde des Teatro Cervantes in Málaga
Das Deckengemälde des Teatro Cervantes in Málaga. Das Original hängt im Stadtmuseum im Palacio de Aduana. © Museo de Málaga.

Im April erlebt das Theater vier Tage, in denen diese Szene sozusagen vom Dach auf die Bühne steigt, aus dem Rahmen fällt. Dann verwandeln einige der maßgeblichsten Flamenco-Künstler unserer Zeit das bürgerliche Szenario in ein Flamenco-Tablao, auf dem gestampft, gelitten, auf das elendige Leben geflucht und gesungen wird. Die musikalisch-theatralische Allegorie auf das Leben wird dargebracht von Künstlern, die die traditionellen Stile mit Avantgarde würzen, auf höchstem technischen Niveau ihren künstlerischen Individualismus ausleben und sich nicht vor Kontakt und Fusionen mit anderen Spiel- und Stilarten scheuen. Ein Kinderspiel, möchte man meinen, ist der Flamenco doch selbst einem lustig brodelnden Schmelztiegel der Kulturen entstiegen.

Stars des Flamenco nuevo in Málaga - Mini-Festival im April: Bitte nicht mitklatschen

Ob traditionell oder progressiv, am Ende bleibt die Essenz, mal in einer einfachen Melodie, mal im komplizierten Umtänzeln eines Paares, das sich im wallenden 12er-Takt der Bulerias jauchzend und leidend ver- und entliebt, bis einer oder beide mit gebrochenem Herzen auf der Strecke bleiben. Um dann wieder davon zu singen und, wenn alle Tränen vergossen sind, über sich selbst zu lachen. Die Lebensweisheiten, die Cervantes Quijote und Panza in Spaniens Landschaft verteilen lässt, ihre unendliche Ironie, stimmen mit den Einsichten des Flamenco überein, die Symbiose im Teatro Cervantes ist also nicht gar so zufällig. Die Karten werden schnell rar sein, das Mini-Festival lässt sich wunderbar mit einem Ausflug ins überall swingende, manchmal quietschende Málaga verbinden. „Flamenco lo serás tú“ heißt die Reihe vom 19. bis 23. April, in etwa, „Flamenco, das wirst Du sein“, was aber keinesfalls als Aufforderung gedacht ist, mitzuklatschen. Tun Sie es bitte nicht, wir „guiris“ haben andere, weniger schmerzhafte Möglichkeiten, uns lächerlich zu machen.

Am 19. April wird der Flamenco-Sänger Bonela Hijo sein neues Album vor Live-Publikum aufzeichnen, das somit auch unsterblich wird. Daniel Casares und Rubén Lara an den Gitarren garantieren feinste Begleitung. Am 20. April ist es dann ein Flügel, an dem Pepe Rivero Alba Molina begleiten wird. Durch das Piano verfärbt die Stimmung ins Chansonhafte, eine besondere Erfahrung, zumal mit dieser besonderen Sängerin. Am 21. April wird es instrumental, die Gitarristen der „neuen Generation“ Diego del Morao und Dani de Morón loten Grenzen des Genres ins Jazzige, mitunter Experimentelle aus, ohne den „palo“ und den „compás“, den Pfad der rhythmisch-harmonischen Tugend im Flamenco ganz zu verlassen. Percussion und Gesang kommen als Farbtupfer hinzu. Sie stehen in einer Tradition, die einst Paco de Lucía und Manolo Sanlúcar zur Perfektion brachten.

Flamenco-Tanz in seiner Reinform kommt am 22. April von Superstar Farruquito, begleitet von einer hochkarätigen Gruppe Sängern und Instrumentalisten. Am 23. April versammelt der Gitarrist Juan Requena die Besten das „Flamenco nuevo“ um sich, E-Bass und Keyboard ergänzen die traditionellen Besetzungen, der Sänger Miguel Poveda als Stargast sowie Jesús Carmona und andere Tänzer machen das Bild rund, bevor es wieder in seinen Rahmen steigt und das Dach des Teatro Cervantes ziert. Tickets für 24-31 Euro, Videos der Künstler und alle Details auf www.teatrocervantes.com.

Zum Thema: Unartige Schwester - Die Gitarre im Flamenco.

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