Für beides hätte es kein neues Gesetz gebraucht. Zudem sollen die sogenannten Peñas de Flamenco, Freundeskreise, oft mit eigenen Lokalen, die als Schulen, Kneipen, Auftrittszentren in Dörfern und barrios dienen, reguliert werden. Sie funktionieren oft in einer Grauzone zwischen Unternehmen und Verein, sind mitunter aber weder als das eine, noch das andere angemeldet.
Während große Flamenco-Schulen und Institute sowie bezuschusste Vereinigungen an dem Gesetz mitarbeiteten, stößt der Entwurf, der in spätestens 18 Monaten in Kraft treten soll, bei nicht subventionierten Teilen der Flamenco-Szene auf einige Skepsis, weil sie keinen Sinn in der Normative erkennen kann. Zunächst, weil die im Text aufgeführte Definition des Flamenco als „Kulturerbe des andalusischen Volkes“ sachlich auf mehreren Ebenen falsch ist.
Der Flamenco hat auch Wurzeln an der Levante-Küste und in der Extremadura, sogar in Südfrankreich, Katlonien oder im Baskenland. Sodann gibt es historisch gesehen kein „andalusisches Volk“ in einem immer multikulturellen Land. Tatsächlich sei der Flamenco nämlich ein Kulturerbe der Gitanos, das sich zur Weltmusik entwickelt hat. Selbst beeinflusst von allen nur denkbaren Kulturen: Mauren, Juden, europäischer Hofmusik, spanischer Folklore und offen für alle Varianten.
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Schwerwiegender noch sei aber, dass das Gesetz die Gitano-Spezifik bei der Entstehung und Bewahrung des Flamenco ausblendet, bzw. vereinnahmt: Der Flamenco ist für viele Gitanos mehr als eine Kunst, auch Lebensphilosophie und ein zentrales Element der Identifikation. Dazu gehört auch das Informelle, die mündliche Überlieferung, der stete Wandel und eben die uneingeschränkte Freiheit der Entfaltung. Unter Franco gab es bereits einmal Versuche der Normierung der Flamenco-Künstler im Dienste einer höheren Sache. Damals entstanden übrigens die „typischen“ gepunkteten Kleider, sozusagen als Standard-Kostümierung für die Auftritte vor Touristen, um den Flamenco als Marke „Made in Spain“ zu etablieren.
Das Volk, „das niemanden beherrschen will, aber auch nicht beherrscht werden will“, brauche für seine Musik und Tänze keine Anleitungen oder Normen aus dem Palacio San Telmo in Sevilla, heißt es in einer Erklärung mehrerer Ensembles und Künstler im Netz. Der Flamenco lebe aus sich selbst heraus. Eine sozial gestärkte und gerecht behandelte Community (nicht nur der Gitanos, sondern aller sozial und kulturell marginalisierten Menschen) sei die beste Voraussetzung für eine lebendige Entwicklung von kultureller Tradition und so auch des Flamenco, so die Erklärung.
Sie nimmt auch Bezug auf die Arbeit von Gitano-eigenen Vereinen, die durch Musik- und Tanzunterricht in sozial benachteiligten Vierteln die identitätsstiftende Wirkung des Flamenco und die allgemeinen Vorteile des gemeinsamen Musizierens nutzen, um Kinder gegen Gewalt und Perspektivlosigkeit abzuhärten, sowohl gesellschaftlicher, als auch innerfamiliärer. Der Flamenco, so das Fazit, sei daher nicht nur „ein künstlerisches Erbe, sondern auch politisch". Am besten sei es, die Landesregierung fördere das soziale Umfeld, kümmere sich um die Gedenkhäuser für Paco de Lucía usw., lasse aber den Flamenco als Kunst und Lebensart selbst bitte in Ruhe.
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