Die Mauer mit den eingewebten Wachtürmen, schlängelt sich nicht einfach nur durch das Albaicín-Viertel bis hinab ins heutige Zentrum, sondern wurde über die Jahrhunderte zu Häuserwänden und Gartenmauern. Andere Abschnitte wurden abgetragen, mit Graffiti vandalisiert, zugemüllt und ein Mauerstück brannte vor einigen Jahren sogar lichterloh. Die Stadt kam schwer hinterher, denn zu fragmentiert schien das Ensemble, zu teuer das Projekt, fünf Jahre schon tüfteln die Stadttechniker an einem „Wie“.
Jetzt ist Geld da, auch aus EU-Töpfen und so soll ein rund ein Kilometer langer Spazierweg von der Puerta de Monaita bis zum Torre de las Tres Caras an der Plaza Larga durchgezogen werden, die Restaurierung der Mauer samt ihrer Wachtürme, Verzierungen und Inschriften eingeschlossen. Eine Kraftanstrengung von Stadt, Land, Kulturministerium, die Granada nicht nur einen weiteren romantischen Pfad erschließt und alte Gemäuer erhält, sondern eine historische Erinnerungslücke schließt.
Denn zwar dauerte die Episode der Zirí-Dynastie nicht einmal hundert Jahre (1020 bis etwa 1090), doch gründete sie, nach dem Auseinanderbrechen des Kalifats von Córdoba, das Taifa, also Königreich Granada und definierte damit den Staat, der unter ihren Nachfolgern, den Nasriden, die späte und schönste Blüte der islamischen Kultur auf der Iberischen Halbinsel erreichte, in Stein gehauen in der Alhambra und ihren Palästen, in deren Schatten die Zirí auf ewig verdammt sein werden.
Die Zíri waren ein arabisierter und islamisierter Berberstamm der Amazigh aus den Bergen Algeriens, die das Zerbrechen das Kalifats zu ihren Gunsten nutzten. Sie dienten sich Anfang des 11. Jahrhunderts dem berühmt-berüchtigten Almansor, Großvesir des letzten, minderjährigen Kalifen als Hilfstruppen an, als der im Größenwahn dutzende Feldzüge anzettelte und die Macht im Kalifat an sich riss, – bis es zerriss.
Almansor fiel auf dem Schlachtfeld, die Zirí schnappten sich „Garnata“, wie Granada in Al-Ándalus hieß, als Beute. Bis zu 40 solcher Taifas genannten Fürstentümer entstanden und wetteiferten um die hellsten Köpfe und güldensten Paläste von Al-Ándalus. Radikal-islamistische Stämme, ebenfalls Berber, wie die Almoraviden und Almohaden, homogenisierten im 11. bis 13. Jahrhundert das Reich wieder, ihre kompromisslos-brutale Herrschaft, die ganz im Gegensatz zu der relativ toleranten Geisteswelt des Kalifats stand und die endlosen maurischen Bruderkriege ebneten letztlich der Reconquista den Weg.
Abgesehen von Granada, das mit den Nasriden eine neue Dynastie beherbergte, die quasi als Vasallen Kastiliens bis 1492 durchhielten. Ohne die strategische Vorarbeit der Zíri, die durch Bewässerungssysteme auch die Landwirtschaft voranbrachten und so für Wohlstand sorgten, wäre es soweit vielleicht nie gekommen. Bei den Arbeiten an der Zirí-Mauer wird die Stadt höchste Vorsicht anlegen, denn Archäologen vermuten so manche Überraschungen am Fuße der Bauten, zu denen alte Wasserdepots (aljibes), Lager und Militärposten gehören.
Die Arbeiten sind daher auch noch in der Berechnungsphase, die Kosten werden mit 3,5 Millionen als Minimum angesetzt. Streit gibt es darüber zwischen der Stadt und der Landesregierung Andalusiens. Denn die Muralla Zirí gehört zwar auf dem Papier zum „Plan Alhambra“, aber nur, damit Sevilla das letzte Wort haben kann, Geld wolle die Junta nicht hergeben, wirft ihr Granadas Bürgermeister vor.
Zum Thema: Praktische Tipps für den Besuch der Alhambra in Granada.