Es ist, so merkten wissende Kritiker sogleich an, das gleiche Amt, das den Hamam Jahrzehnte links liegen und so verkommen ließ, wohl, weil er nicht so nah an der „Rue de Galoppe“ der maurischen Attraktionen zwischen Alhambra mit ihren prächtigen Palästen und Albaicín gelegen ist. Im Volksmund wurde das frühere Bad sogar „Casa de las Tumbas“ genannt, Haus der Gräber, weil die Verbauung und der Verfall an eine Gruft erinnerten, in der es natürlich auch spukte. Noch vor wenigen Jahrzehnten war es eine Mutprobe der Kiezjugend, dort allein hineinzuklettern und ein Steinchen als Beweis mitzubringen.
Die Restaurierung des Bades wird keine Kleinigkeit, denn der Hamam hat eine bunte Geschichte hinter sich, die sich in Umbauten und Überlagerungen bemerkbar macht. Er stammt ursprünglich aus dem 11. Jahrhundert, also der Ära der Zirí-Berber-Dynastie, die rund ein Jahrhundert Granada beherrschte und als relativ tolerante und sinnenfreudige Truppe galt, im Unterschied zumindest zu den Almoraviden und Almohaden, die mit ihrem Radikalislamismus zur gleichen Zeit die vergleichsweise liberalen Taifas und das Erbe des Kalifats von Córdoba (bis 1030) in Al-Ándalus plattwalzten.
Das Bad liegt im Barrio de Elvira, eigentlich Bab IIbira, wie es unter den Mauren hieß. Die Calle Elvira verläuft bis zur Puerta de Elvira, einem der vielen gesprächigen Tore Granadas, von der Plaza Nueva senkrecht gen Norden, also weg von der Alhambra und verweist so auf die erste größere Medina, maurische Stadt, während Alhambra und Albaicín vor allem die letzte Epoche, jene der Nasriden bebildern bis zu deren Dynastie eigentlich vor allem Militärstadt und Festung waren.
Kurios ist die Widmung des Bades für Hernando de Zafra. Er war bis zu seinem Tode 1509 nämlich wichtiger Ratgeber der in der hiesigen Kathedrale und nicht im El Escorial bestatteten Katholische Könige. Also ausgerechnet jener Herrscher, die den Mauren endgültig den Garaus in Spanien machten. Sie schenkten ihrem treuen Diener das Bad, obwohl der aus einer sogenannten „neuchristlichen“ Familie stammte, sprich von Konvertiten des Islam oder Judentums. Aus welcher Ecke, das weiß man bei Zafra nicht, denn er verlor darüber begreiflicherweise kein Wort. Dass er Sepharde, also jüdischer Spanier war, liegt anhand seiner Tätigkeit nahe, schon die Emire Córdobas des 9. Jahrhunderts schickten jüdische Verhandler zu den Feinden, die sogar im Auftrag von Al-Ándalus mit Karl dem Großen verhandelten. Später, in den kleinen Taifas genannten Splitter-Fürstentümern, stiegen sie mitunter zu Ministern, Ratgebern, Hauslehrern auf und waren im geistigen Leben an den maurischen Höfen eine feste Größe, bis die radikalen Berberstämme der Almoraviden und Almohaden kamen und der Koexistenz ein grausames Ende bereiteten.
So ähnlich lief es auch auf christlcher Seite. Die Toleranz, die vor allem in Kastilien und vor allem in der Oberschicht aus pragmatischen Gründen vor dem Ende der „Reconquista“ noch geübt wurde, endete gegenüber „moriscos“ und „marranos“ (wörtlich: Hausschweine als beleidigendes Etikett für konvertierte Juden) wie für alle „conversos“, weil die spanische Katholische Kirche alles verfolgte, was nicht bei drei auf die Dreifaltigkeit schwor und selbst dann war man nicht sicher, wovon die Gitanos bis heute viele Lieder singen. Hernando, auch Fernando de Zafra organisierte den Katholischen Königen die Kriegskasse, sorgte in den eroberten Gebieten für Steuereintreibung und Beschlagnahmungen und die Übergabe der Verwaltung. Sein größtes Verdienst war indes die kampflose Übergabe Granadas durch den letzten Emir, Boabdil, was sowohl tausende Leben verschonte als auch unschätzbare Kunst und Baudenkmäler.
Doch Großinquisitor Kardinal Cisneros, der sich auf Granadas Plaza de Bib-Rambla bereits durch die Verbrennung von 4.000 wertvollsten Schriften aus der Bibliothek der Alhambra bekannt gemacht hatte, wollte gegen Zafra ein Exempel statuieren und ließ gegen ihn ein Inquisitions-Tribunal einleiten, - nach dessen Tode! Das jagte seine Brüder und Kinder aus dem Land, was auch als Statement ans Königspaar zu deuten war, wer im Lande nun das Sagen hatte, denn ohne die kirchliche Macht, die Lüge vom „Kreuzzug“ im göttlichen Auftrag, wären sie nie bis Granada gekommen. Das „Edikt von Granada“, unterzeichnet von den Katholischen Königen Isabel und Fernando bestimmte die Ausweisung aller Mauren und Juden, die nicht konvertieren wollten. Die Inquisition erweiterte dieses Edikt bald auch auf die Konvertiten und alle „Verdächtigen“. So gelangte das prächtige Bad übrigens auch wieder in den Besitz Andalusiens.
Die Touristen am Paseo de los tristes wissen meist nichts von diesen Grausamkeiten. Sie können dort immerhin zum wunderschönen Mudéjar-Renaissance-Palast des Hernando de Zafra schlendern, der erhalten blieb und heute das Archäolgische Museum Granadas beherbergt. Das Badehaus Zafras, sozusagen die Prämie für den Granada-Feldzug, soll nun auch wieder in altem Glanz erstrahlen, wenn auch nur als Museum, nicht als dampfendes Bad wie einst. In Heiß-, Warm- und Kaltbadezonen, im Dampfbad und den Arkaden wurde früher gespielt, getratscht, geraucht, Haare geschnitten und allerlei Geschäfte abgewickelt, – offiziell immer Frauen und Männer tageweise getrennt und natürlich ohne Alkohol, woran sich die Mauren genauso streng hielten wie die Christen an ihre zehn Gebote.
Der Hamam, oft fälschlich als „arabisches“ oder „türkisches“ Bad bezeichnet, baut auf einem Erbe der Römer auf (mit Ideen der Ägypter), das fast in Originalform über Byzanz in den Orient und von dort über Nordafrika nach Hispanien wanderte. Als Vorbild für die Restaurierung des Zafra-Bades kann das „El Bañuelo“ aus gleicher Epoche gelten, das am Paseo de los tristes besichtigt werden kann. Über 40 große öffentliche Bäder gab es vom 12. bis 15. Jahrhundert in Granada, darunter auch einige Mikve, jüdische Kultbäder neben Synagogen, die mit fließendem Wasser zu betreiben waren. Der Hamam de Zafra lässt Restauratoren vor allem wegen seiner filigranen Säulen schwärmen, die allerdings auch extrem zerbrechlich sind. Einen Termin für die Fertigstellung gibt es noch nicht. Wer wirklich in einem Hamam baden möchte, dem bietet Granada etliche moderne Spa-Bäder im alten Hamam-Look, die oft aufwendig und mit viel Liebe zum Details im alten Stil aufgebaut, oft von Marokkanern im alten Geiste betrieben, sozusagen den zurückgekehrten Erben von Al-Ándalus.
Zum Thema: Der Mond über Sacromonte - Ausflug in ein mythisches Viertel von Granada.