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Zwischen Romantik und Wahnsinn: Maler Roberto Calvo sorgt in Dénia für Aufsehen

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Von: Stephan Kippes

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Roberto Calvo vor seinen Bildern.
Roberto Calvo stellt im Kultursalon von Daniela Gerlach in Dénia aus. © Daniela Gerlach

Auch wahre Kunst kann für Aufsehen sorgen: Warum man die Ausstellung von Maler Roberto Calvo im Kultursalon ñ von Daniela Gerlach in Dénia sehen sollte.

Dénia - Sie wünschen sich ein Ölgemälde über dem Kamin, eine pittoreske Bucht vielleicht mit einem charmant-morbiden Fischerkahn am Strand? Schauen Sie bitte in der Kulturagenda der Costa Blanca Nachrichten unter der Rubrik Ausstellungen, vielleicht werden Sie dort fündig. Impressionen dieser Art erhalten Sie im kleinen Kultur-Salon la ñ in der Altstadt von Dénia derzeit nicht. Macht weiter nichts, es wollen ohnehin nur wenige wirklich sehen, was Roberto Calvo zu Stift und Pinsel treibt. Und Ihr Kamin ist es nicht. „Kunst beginnt immer aus einer Notwendigkeit heraus“, meint Roberto Calvo.

Kunst mit Wucht: Roberto Calvo macht Poesie mit dem Pinsel

Die Bilder sind eine Wucht. „Sie sind stark“, meint auch Daniela Gerlach, deutsche Gastgeberin dieser kleinen Auswahl, die „Bilanz der Einsamkeiten“ genannt wird. Die Werke wirken keineswegs so niederschmetternd, wie Roberto Calvo die Welt zeigen mag. Die Farben und die Formen, sie sind klar. Das Auge findet den Anker und es greift nach diesem Paar, das umarmt und in sich versunken über einem Meer quaderförmiger Häuser zu schweben scheint. Ein Moment perfekter Harmonie und ein Schein, der trügt. Alles Künstliche wirkt perfekt konstruiert, nur die Seiltänzer eben nicht. Unerreichbar spannt sich ein Seil neben ihnen über den Abgrund. Menschen im Kosmos von Robert Calvo schweben nicht erhaben, sie fallen wie der Apfel vom Stamm. Der Aufprall ist unausweichlich und kolossal. „Y la hostía que se darán“, kommentiert der Künstler trocken.

Zwei Bilder des Künstlers Roberto Calvo in Dénia
Die Menschen im Kosmos von Roberto Calvo fallen. © Stephan Kippes

Und das haut Sie nicht von den Füßen? Dann gehen Sie zu dem Gänsespiel und werfen Sie Ihre Würfel in eine Welt von Roberto Calvo, die sich wie eine Felge ein ums andere Mal zwischen Extremen wie Wahnsinn und Vernunft, Romantik und Humanismus dreht und die eine Achse zusammenhält, in der sich die Einsamkeit mit jeder Umdrehung einen Komplizen sucht. „Es ist der Überlebende, der dieses Rad dreht“, sagt der Künstler. Die farbige Version des spanischen Gänsespiels stellt unser aller Schicksal dar, die Schwarz-Weiß-Version ist die harte Nummer. In dem Spielbrett ist er in seinem Rad – schauen Sie genau hin, Sie sind drauf und dran, etwas von ihm mit nach Hause zu nehmen.

Würfeln in einer absurden Welt: Roberto Calvo und seine Version des Gänsespiels

„Im Grunde ist es immer der Kampf gegen den Pessimismus. Das ist ein Grundbedürfnis. Wir sind voller guter Absichten – aber am Ende kommt immer Mist raus.“ Ein Humanist mag er nicht sein, gegen die Romantik sträubt er sich wie gegen alles, was mit -ismus endet, auch wenn er selbst in seinem Werk mit Referenzen eher klotzt als kleckert. Dieses Grundbedürfnis macht ihn zu einem Sisyphus, dem Rebellen auf der Suche nach Sinn und Verständnis, der aus seiner Isolation ausbrechen will, aber am Ende scheitern muss. Ein Vergnügen ist es nicht, diese Bilder anzuschauen. Aber sie packen und man hat Sie ja gewarnt.

Besucher der Ausstellung von Roberto Calvo im Kultursalon ñ in Dénia.
Besucher der Ausstellung von Roberto Calvo im Kultursalon ñ in Dénia. © Stephan Kippes

Inzwischen dürfte es Ihnen dämmern, dass Sie weniger in eine Apokalypse blicken als in einen Spiegel mit Farben und Formen. Man muss Spaß verstehen in dieser absurden Welt und Roberto Calvo tut das. Der Mann hat Humor, wenn er gut gelaunt ist, wehrt sich mit Ironie und Sarkasmus gegen die Laus, die ihm über Leber und Leinwand läuft. Daniela Gerlach sieht seinen „künstlerischen Ursprung und seine Stärke“ in der Zeichnung, er hält seine Kunst für Poesie. Vielleicht führt ihn die Linie des Bleistifts zu seiner konkreten und auch konservativen Malerei, einer klaren Bildersprache, die wenig verwischt oder vertuscht, aber sich auch erst nach einer gewissen Zeit des Betrachtens ganz entfaltet. Man sieht diese Symbolik an seinem Baum, wie sparsam er mit welch knallharter Ehrlichkeit den Lauf des Lebens und der Natur darstellt. Und dieses Bild ist schön. Roberto Calvo ist sehr elitär im Denken, aber äußerst bescheiden in der Form.

Eine absurde Welt, in die der Mensch seit eh und je fällt. Wie der gefallene Engel Lucifer, der in „Fall“ aus dem schwarzdunklen Horizont in einen Embryo fällt, im Sonnenaufgang zwischen fallendem Laub seine Geliebte findet, um dann in der höllischen Hitze einer Wüste als Totenkopf zu enden. Dieses Bild zeigt die Welt ohne Maske, die bei vielen seiner gesellschaftskritischen Bilder Einsamkeit und den Mangel an Verständnis und Zuneigung verbirgt. Etwas von „Eros und Thánatos“ und seiner Sichtweise über die Evolution spiegelt sich in seinen urbanen und modernen Bildern wider.

Bild von Maler Roberto Calvo im Kulturhaus ñ in Dénia.
Das Ende ist unausweichlich. Der Baum von Roberto Calvo im Kulturhaus ñ in Dénia. © Daniela Gerlach

Der humanoide Affenmensch aus dem Kubrick-Film „Odyssee im Weltraum“ führt die Menschheit direkt zur Atombombe, als er entdeckt, dass er einen Knochen als Werkzeug nutzen, damit ein rivalisierendes Mitglied eines anderen Stamms erschlagen und die Herrschaft an sich reißen kann. Auf diesem langen Weg kreuzigt der Mensch seine Rebellen mit seiner Brutalität wie Goya sie auf der Leinwand einfangen kann und lebt seine Sexualität zweidimensional aus – ohne jede Verbundenheit mit dem teilnahmslosen schizophrenen Ziegenblick, wie man ihn in den antiken erotischen Darstellungen sieht.

Und er ist hervorragender Zeichner, macht auch Comics und Karikaturen. Die Graphic Novel „El Paseo“ folgt dem Flaneur bei einem Spaziergang, wie dieser „Überlebende“ in einer ständigen Wechselwirkung von äußeren Eindrücken und dem inneren Wesen durch die Gesellschaft spaziert, in seiner Verletzlichkeit vereinsamt und entfremdet, von Niedertracht, Neid, Schadenfreude und Gewalt umgeben wird und durch den Tag spaziert wie „Ulysses“ durch Dublin.

Kunst kann weh tun: Wie Roberto Calvo mit der Roten Garnele ins Gericht geht

Mit Dénia und der Huldigung der Roten Garnele springt er in den in der Online-Zeitung „La Marina Plaza“ veröffentlichten Karikaturen um wie Jonathan Swift mit den irischen Familien in der Hungersnot, denen der Meister der Ironie rät, zur Linderung ihrer Not doch die Kinder an reiche Familien zum Verzehr zu verkaufen. Nun wundern Sie sich nicht mehr, dass der Bürgermeister und sein Hofstaat nicht zu dieser Ausstellung kommen. Es war auch jemand da, dem das Bier zu warm war. Aber Sie haben es bestimmt nicht bereut, die Ausstellung gesehen zu haben. Sie werden noch von ihm hören.

Roberto Calvo im Kultursalon ñ in Dénia

Die Ausstellung „Balance de Soledades“ von Roberto Calvo ist bis 25. März im Kultur-Salon la ñ von Daniela Gerlach in der Calle Cavallers 7 in Dénia freitag- und samstagabends oder nach Anmeldung unter 0034 649 717 533 zu sehen. Beachten Sie auch den hervorragenden Aufsatz von Daniela Gerlach auf Deutsch dazu. Das Werk von Roberto Calvo ist auf seiner Internetseite einsehbar.

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