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Körper, Geist und Witz: Picasso lebte sich auch als Bildhauer voll aus - Ausstellung in Málaga

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Von: Marco Schicker

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Picasso lebte sich auch in der Bildhauerei voll aus.
Phantasie, Witz und Freiheit: Picasso lebte sich auch in der Bildhauerei voll aus. Zu sehen bis September in Málaga. © Museo Picasso Málaga

Picasso in drei Dimensionen: 61 Werke aus sechs Jahrzehnten gibt es in einem Rundflug durch das plastische Erbe im Picasso Museum in Málaga und anschließend im Guggenheim in Bilbao zu sehen.

Málaga - Vor 50 Jahren starb Pablo Picasso. Dort, wo er vor 142 Jahren geboren wurde, in Málaga, feiert man das besonders ausgiebig, nicht nur im Geburtshaus an der Plaza de la Merced und im Museo Picasso in der Altstadt, sondern mit etlichen touristischen, sogar taurinischen Events, die den künstlerischen Tausendsassa und Leitwolf des 20. Jahrhunderts einmal mehr zur Popikone demolieren, ihn zum Málaga-Maskottchen machen, wobei das Werk dann häufig nur Staffage ist. Das ist ganz schön anmaßend für eine Stadt, die Pablito mit nur sieben Jahren für immer verlassen hat, gen La Coruña, wo er auch seinen künstlerischen Weg begann.

Materie und Körper: Picasso-Skulpturen auch 60 Jahren in Málaga zu sehen

Sozusagen als Nebeneffekt lässt das Picasso-Jahr sehenswerte Ausstellungen in der Stadt, das Picasso-Geburtshaus wurde runderneuert und neu bestückt, sogar im „Russischen Museum“ in der alten Tabakfabrik sind sonst versteckte Picasso-Werke, Drucke und Zeichnungen, zu sehen. Bis dahin sei immer wieder die Dauerausstellung im Museo Picasso empfohlen. Als Palacio de Condes de Buenavista errichteten die Grafen „Zum schönen Ausblick“ auf römischen Fundamenten einen Renaissance-Palast. Für einen Renaissance-Menschen des 20. Jahrhunderts. Jährlich pilgert eine knappe Million Menschen durch diese Heiligen Hallen, um einen sehr kompletten, chronologisch und stilistisch gut sortierten Einblick in das Phänomen Picasso zu erhaschen. Täglich 10-19 Uhr, der Ticketkauf über das Internet sei wegen des Andrangs dringend empfohlen: www.museopicassomalaga.org.

Skulpturen von Picasso
Bis 10. September zeigt das Museo Picasso Málaga 61 Skulpturen aus der Hand des Meisters. © Museo Picasso Málaga

Die temporären Schauen dort, mehrere davon im Jahr, ergänzen diesen Picasso-Schrein, machen ihn lebendig und heutig. Besonders lohnenswert erscheint mir „Picassos Echo“, das ab 3. Oktober 2023 gar keine Picasso-Werke zeigen wird, sondern das, was er bei den nachfolgenden Generationen „angerichtet“ hat. Bis 10. September 2023 hingegen steht der Meister selbst im Zentrum und zwar in 3D. 61 Picasso-Skulpturen aus allen Himmelsrichtungen zusammengetragen, werden in „Picasso, der Bildhauer - Materie und Körper“ gezeigt, eine Spanne von 1909 bis 1964 abdeckend und bei den Materialien nicht gezeind, von Holz, über Eisen, Gips und Zement, Keramik natürlich, aber auch Bronze und Papier ist alles dabei.

Das Genie gedeiht in der Freiheit: Der Maler als Plastiker - und umgekehrt

Wie alle Medien, so war auch die Skulptur, das räumliche Formen, Picasso ein Fest. Das triebgesteuerte Künstlertum, das sich bei ihm zum Glück für uns alle mit Genie, Können und unendlichem Fleiß (den man immer zu erwähnen vergisst, ohne den aber nichts wird) verband, kennt kaum ein bevorzugtes Medium, weil es keine Grenzen mag oder sie nur als überwindenswert anerkennen kann. Der menschliche Körper als formbare Masse, Ideen, die sich physisch manifestieren lassen, Experimente mit Wirkung und Materialien, all dies lässt sich an den Stücken ein bisschen mitleben, als fragende Bewunderung, ignorante Ablehnung im Dünkel des Unterlegenen oder als kleiner Akt der Befreiung, der inneren wie äußeren, eine Inspiration zur Gedankenfreiheit und Lebensfreude, deren Potenz wir Picasso angesichts seiner Werke und dokumentarischen Materials nur unterstellen können, an uns selbst aber können wir diesen Prozess auch sehend nachvollziehen, ohne selbst zu basteln.

Sammlung des Museo Picasso Málaga
Die Sammlung des Museo Picasso Málaga ist ganzjährig von 10 bis 19 Uhr zu sehen und gibt einen grandiosen Überblick über das Werk und das Leben des Genies. © Museo Picasso Málaga.

Picasso befand, so erklärt es die Schau, keine Kunstform als der anderen überlegen. Skulpturen und Gemälde sind die ältesten bekannten künstlerischen Äußerungen des Menschen. Aber doch nur, weil damals niemand Gesang aufzeichnen konnte und sich Flöten- oder Lautenspiel schwer in ein Museum hängen lassen. Ob Picasso singen konnte? Pierre Daix, der französische Picasso-Biograph und lebenslange Fanboy behauptet, dass „Picasso mindestens ein so guter Bildhauer wie Maler war“. Wahrscheinlich war er auch als Liebhaber mindestens ebenso gut wie als Koch. Picasso ließ sich im Wechsel zwischen beiden Medien hochschaukeln. Bedenken wir, dass er komplette Köpfe auf 2D-Leinen bannen konnte, wird erkennbar, dass die Malerei für ihn wohl nur Bildhauern mit begrenzten Dimensionen war - und umgekehrt, die Plastik eine Art Malerei im Raum.

Phantasie ist das Stichwort das hier noch fehlt, eine fast kindliche Freude an der Spielerei vielleicht auch, genau jene Dosis Albernheit, die am Ende viele Kuratoren und Kunstkritiker so lustig nackt dastehen lässt, wenn sie sich gezwungen sehen, Picassos Werke ins sehr ernste und wichtige Worte und Analysen zu fassen, um den genialsten Spielmatz der Kunstgeschichte irgndwie einzufangen. Könnte ich auch versuchen, erspare ich Ihnen und mir aber. Die Ausstellung, die vom Pariser Picasso-Museum und weiteren französischen Einrichtungen unterstützt ist, wandert von Málaga im Herbst ins Guggenheim nach Bilbao, wo sie bis ins Jahr 2024 hinein zu sehen sein wird. Und Bilbao ist auch sehenswert.

Das ganze Ausmaß der Feiern zum 50. Todestag Picassos 2023 in Spanien und weltweit.

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