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Genialer Spötter: Picasso Auge in Auge mit den Alten Meistern - Ausstellung in Málaga

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Von: Marco Schicker

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Sonderausstellung „Von Angesicht zu Angesicht. Picasso und die alten Meister“ im Picasso-Museum Málaga
Sonderausstellung „Von Angesicht zu Angesicht. Picasso und die alten Meister“ im Picasso-Museum Málaga © Museo Picasso Málaga

Bis 26. Juni 2022 zeigt das Museo Picasso de Málaga die Sonderausstellung „Cara a cara. Picasso y los maestros antiguos“. Dort trifft Picasso auch auf El Greco, den er verehrte, aber eben auf seine Weise.

Málaga – Picasso „Aug‘ in Aug‘“ mit alten Meistern zu präsentieren, – ein erhellendes Capriccio, das sich das Picasso Museum Málaga zusammen mit dem Museum der Schönen Künste Sevilla im Jahr vor dem 50. Todestag des Meisters erlaubt. In zwei Sälen sind Werke von El Greco, Pacheco, Caracciolo, Zurbarán, Gijsbretchs, Lorente Germán und Diego Bejarano zu Gast, denen Werke Picassos gegenübergestellt werden. Nicht als Pendants, sondern als Vergleichsmaterial und Reibungsflächen.

Lorente Germán: Portrait des Prinzen Don Felipe
Lorente Germán: Portrait des Prinzen Don Felipe. © Pepe Morón/Museo de Bellas Artes de Sevilla
Pablo Picasso: Busto de hombre, 1970
Pablo Picasso: Busto de hombre, 1970 - Karikatur und Weiterentwicklung der typischen Heldenpose spanischer Portraitmalerei. © Faba, Soko-studio ,Sucesión Pablo Picasso, Vegap Madrid 2022

Zunächst sollte der Besucher jedoch die Dauerausstellung durchlaufen, denn dort wird ihm schnell aufgehen, dass Picasso nicht nur ein äußerlicher Kenner der alten spanischen Meister gewesen ist, sondern in ihrer direkten Nachfolge steht. Er studierte und beherrschte ihre Techniken, was vor allem auch an Zeichnungen zu sehen ist, die manch simplen Geist zum Schweigen bringen, der es auch hier, in den heiligen Hallen, nicht lassen kann, Picassos Werke mit „das könnte ich auch“ (auf Hessisch!) kommentieren zu müssen. Nein, kann er nicht.

Picasso gleichzeitig Erbe der alten Meister und Revolutionär der Kunst - Ausstellung im Picasso-Museum Málaga

Picasso dekonstruiert und setzt neu zusammen, inszeniert, karikiert, konzentriert, transformiert in Form und Gehalt. Schön zu sehen ist das in der Sonderausstellung an Stillleben, die auf Spanisch bezeichnenderweise Bodegón genannt werden, als hätte Picasso diesen Begriff selbst geprägt. Seinem „Restaurante“ von 1914 stellt das Museum die „Vanitas“ Gijsbretchs von 1660 gegenüber. Picasso entzieht sich schon in diesem Frühwerk jedem Naturalismus und lässt so mehr erkennen als das Offensichtliche. Und das ist der Job der Kunst, die laut Picasso „eine Lüge ist, die uns die Wahrheit offenbaren hilft“.

Büste eines Musketiers, Pablo Picasso
Büste eines Musketiers, Pablo Picasso, 1968. © Museo Picasso de Málaga
El Greco: Portrait seines Sohnes
El Greco: Portrait seines Sohnes, Juan Manuel Theotocópuli, 1600-1605. © Pepe Morón/Museo de Bellas Artes de Sevilla

Dieses Um-die-Ecke-sehen und -denken hilft auch, die Werke der Alten unter neuen Aspekten zu betrachten. Am eindrucksvollsten sind natürlich die Portraits, bei denen Picasso so richtig aufdreht. Auf den ersten Blick sieht alles nach Veralberung, Karikatur der alten Meister aus, wenn Picassos Männerbildnisse von 1970 den schmalschultrigen Prinzen Felipe von Lorente Germán aus dem 18. Jahrhundert oder El Grecos berühmtes Portrait seines Sohnes von um 1605 quasi in die Ecke drückt.

Doch um das Auffliegenlassen absurd gestellter Helden oder beschönigenden Manierismus‘ geht es Picasso gar nicht vordergründig. Vielmehr verneigt er sich in höchster Verehrung vor dem Parade-Genre der spanischen Malerei, allerdings in Picasso-Vokabular und verschmitzter Mimik. Da genügen einige dicke Striche, um ein aufwendiges Kostüm genauso wirkungsvoll entstehen zu lassen wie es die Alten mit feinem Pinselstrich mühsamst taten.

Spaniens Kunst und Gloria: Picasso tobt sich an Alten Meistern voller Verehrung, aber respektlos aus

Die gloriose Pose scheint alles und die beherrscht Picasso perfekt, seine „Männerbüsten“ werden durch ein paar absurd anmutende ins deformierte oder neu formierte Gesicht „gekleckste“ Details zu Held und Clown gleichzeitig, wie zwei Seiten einer Medaille, die, wenn man draufbeißt nicht aus Gold, sondern ein Keks sein könnte.

Und selbst El Greco, den Picasso verehrte, muss damit leben, dass dessen spanischer Zeremonienkragen beim großen Spötter so tief nach unten rutscht, dass man ihn für eine Windel halten könnte. Nun ist auch verständlich, warum es sich die Kuratoren der Sonderausstellung wohl verkniffen haben, Picasso einige religiöse Gemälde zum lustvollen Fraße vorzuwerfen. Die Jungfrau Maria zu einigen seiner Frauenakte? Nur Mut!

Bodegón „Restaurante“, Pablo Picasso, 1914
Bodegón „Restaurante“, Pablo Picasso, 1914. Es geht mehr um die Stimmung als um die Details. © Fabq, Sucesión Pablo Picasso, Vegap Madrid 2022

Am Ende steht die Erkenntnis, dass Picasso, innovativ und revolutionär, im Grunde selbst auch Barockmaler war, Gestalter seines eigenen Barocks voll Üppigkeit, Formen- und Farbenlust, Humor und Allegorien. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass er sich frei von Auftraggebern und äußeren Zwängen entfaltete. Mal abgesehen vom Exil in Frankreich, das in seinem Fall aber sogar mehr befruchtete als es unterband.

„Cara a cara“ stellt ihn sozusagen in eine Reihe als einen „alten“ Meister mehr, der die Farbpalette in die Gegenwart weiterreicht, die Freiheit der Kunst mit jener des Künstlers und des Kunstbetrachters verbindend, – nicht mehr als Facette, sondern als Grundton.

Picasso Museum Málaga - Ein Glück für die Welt

Dass Málaga, Picassos Geburtstadt, überhaupt eine maßgebliche Sammlung seiner Werke vorweisen kann, ist ein großes Glück, denn zu Francos Zeiten scheiterte ein solcher Versuch wegen behördlichen Verbots und die Gefahr war nicht gering, dass Picassos Werke gänzlich im Exil oder in Privatsammlungen verblieben. Christine Ruiz-Picasso, Witwe von des Meisters ältestem Sohn Paul, machte das zusammen mit der Stadt über eine Stiftung möglich, seit 2003 residiert das MPM im 500 Jahre alten Palacio de los Condes de Buenavista in Málagas Altstadt.

Rund 450 Originalwerke aller Stilistiken, Materialien und Epochen umfasst die Sammlung, etwas mehr als die Hälfte werden im Wechsel gezeigt, die vor allem die Universalität eine der wichtigsten Künstlergestalten des 20. Jahrhunderts offenbaren. Eintrittskarten samt Zeitfenster unter: www.museopicassomalaga.org. Zur Stiftung gehört auch das Geburtshaus Picassos, das neben Dauer- und Sonderausstellungen Seminare, Talkrunden und Konzerte anbietet: museocasanatalpicasso.malaga.eu

Zum Thema: Das Russische Museum Málaga - Ein Dilemma im Lichte des Ukraine-Krieges.

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