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Zum Tod von Ricardo Bofill: Ein Architekt, der Spuren hinterließ - nicht nur in Calpe

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Von: Judith Finsterbusch

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Ein verwinkeltes Gebäude in rot, rosa, blau und lila umgeben von Bäumen.
Die Muralla Roja in Calpe an der Costa Blanca ist eines der berühmtesten Gebäude des spanischen Architekten Ricardo Bofill. © David Revenga

Spaniens Star-Architekt Ricardo Bofill ist im Alter von 82 Jahren gestorben. In Calpe baute er die berühmte Muralla Roja - in Spanien und der Welt hinterließ er viele Spuren.

Calpe - Knallrot über hellrosa, dann plötzlich blau – und immer wieder Treppen, Treppen, Treppen, selbst Treppengeländer in Treppenform: Keine Frage, Architekt Ricardo Bofill hat mit dem Wohngebäude Muralla Roja in Calpe die ganze Manzaneras-Bucht optisch geprägt und der Stadt an der Costa Blanca nicht erst seit Instagram und Co. zu einem gewissen architektonischen und Selfie-Ruhm verholfen. Am 14. Januar starb der Katalane im Alter von 82 Jahren.

Calpe trauert um Ricardo Bofill: Spaniens Star-Architekt prägte eine ganze Bucht

Just am Tag vor seinem Tod hatte Calpes Rathaus noch verkündet, nächstes Jahr eine Sonderbriefmarke zum 50-jährigen Bestehen der Muralla Roja herausgeben zu wollen – das ganze Jahr 2023 soll in der Peñón-Stadt zum Bofill-Jahr werden. Immer wieder ist das Gebäude Drehort für Werbespots, Filme oder Musikvideos – für den Vorspann der ProSieben-Show „Wer stiehlt mir die Show“ etwa tanzt Gastgeber Joko Winterscheidt treppauf, treppab durch Bofills berühmtestes Gebäude an der Costa Blanca. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, steht ein weiteres Wohnhaus des Star-Architekten aus Spanien: Xanadú, in einem fragwürdigen Olivgrün, sieht aus, als hätte Ricardo Bofill dafür viele kleine Häuser übereinander gestapelt – die Miniatur-Gebäude ragen dabei teils abenteuerlich weit über das Meer hinaus, für ein Gebäude aus den späten 60er Jahren sicherlich eine technische Herausforderung. Auch das Anfiteatro – plötzlich im klassischen Design – in der Bucht ist von Ricardo Bofill, vergleichsweise unspektakulär und geradlinig geht es neben den farbenfrohen Nachbargebäuden aus derselben Feder nahezu unter.

Calpes Bürgermeisterin Ana Sala machte sich denn auch gleich nach der Nachricht über Ricardo Bofills Tod auf in die Manzaneras-Bucht und stiefelte in Pumps und Wintermantel die Treppen hinunter zum einzigen Bofill-Schandfleck der Stadt: Der verlassene Sozialclub direkt am Meer, den das Rathaus mit einem umstrittenen Projekt wiederbeleben will. „Ricardo Bofills Erbe wird in Calpe für die Ewigkeit sein“, verkündete Sala aus der Ruine melodramatisch in die Kamera, die für Facebook mitfilmte.

Ricardo Bofills Schaffen: Vision von einer neuen Art zu wohnen

Calpes Manzaneras-Bucht ist nur eines von vielen Beispielen aus dem Schaffen Ricardo Bofills. Über 1.000 Bauprojekte hat sein Studio, das er selbst Taller de Arquitectura, Architekturwerkstatt, taufte, in den ersten 50 Jahren realisiert. Bofill galt als erster spanischer Star-Architekt der Postmoderne, der es auch im Ausland zu Ruhm brachte.

Innenhof eines Gebäudes mit blau angestrichenen Wänden und Treppen.
Die Muralla Roja von Architekt Ricardo Bofill mit ihren unzähligen Treppen hat Calpe auf Instagram berühmt gemacht. © David Revenga

Eines seiner ersten großen Projekte war das 1975 fertig gestellte Wohngebäude Walden 7 in dem Barceloner Vorort San Justo Desvern. Von außen ein Gebäudekoloss aus 18 Türmen in rostrot, von innen ein Labyrinth aus grün gefliesten Innenhöfen, Balkonen, Gassen. Die Idee dahinter: Ein Wohngebäude entwerfen, das wie eine kleine vertikale Stadt funktioniert und in dem die Menschen sich treffen, stehen bleiben, miteinander ins Gespräch kommen. Wie so oft scheiterte es an der Umsetzung einer an und für sich netten Idee, wegen Problemen bei der Finanzierung wurde nur einer der geplanten drei Gebäudekomplexe fertiggestellt, und schon in den 80er Jahren tauchten in den Wohnungen Risse auf, der Bodenbelag brach stellenweise auf, Fliesen stürzten ab. Auch die schöne Vorstellung, Nachbarn zusammen zu bringen, die Wohnungen bewusst klein zu halten und dafür die Gemeinschaftsräume groß, scheiterte: Walden 7 steht in einem Arbeiterviertel, die Bewohner hatten zwischen ihren Jobs vieles im Sinn, aber nicht unbedingt einen Plausch mit den Nachbarn.

Wohngebäude, Hotels und Firmensitze: Architekt Ricardo Bofill hinterließ Spuren

Doch Ricardo Bofill Leví, wie der Sohn eines Spaniers und einer Italienerin mit vollem Namen heißt, baute viel mehr als nur Wohnhäuser. In Valencia etwa gestaltete er den Teil der Turia-Gärten mit den Säulengängen (1988) im Bett des umgeleiteten Flusses. Der Terminal 1 des Flughafens El Prat in Barcelona (1991) stammt aus seiner Feder, das katalanische Nationaltheater (1997) ebenso wie die Firmensitze von Unternehmen wie Desigual (2012), Cartier (2002) oder Dior (1991). Dazu kommen Hotels – das bekannteste ist das riesige verglaste Segel des W Hotels am Hafen von Barcelona (2009) –, das Fußballstadion des FC Barcelona (2015) oder öffentliche Gebäude.

Der spanische Architekt Ricardo Bofill steht auf einem Spazierweg in einem Park.
Intelligent, gut gekleidet, eloquent: Spaniens Star-Architekt Ricardo Bofill auf einem Archivbild aus 2010. © David Revenga

Ricardo Bofill war ein Architekt der Postmoderne, wie er im Buche stand. Intelligent, aus einer gutbürgerlichen Familie, mit seinen mitunter abenteuerlichen und immer wieder wechselnden Designs, dem Image des gut aussehenden, eloquenten und stets korrekt gekleideten Mannes von Welt, der sich gerne mit Menschen umgab, die an der Macht waren – seien es Politiker oder Unternehmer. Über seine Entwürfe und Bauten lässt sich sicherlich streiten, manche, vor allem die Franzosen, lieben sie, manche kritisieren sie.

Fest steht, dass Bofills Bauten viele Städte und Gemeinden in Spanien und anderswo geprägt haben, als Hingucker und beliebte Foto-Motive, als Prestigeobjekte, Arbeitsplätze oder Wohnraum. Sein letztes Beispiel sind die noch nicht fertig gestellten Ikon-Türme an der nordwestlichen Einfahrt zu Valencia, die, wohl ganz im Sinne des Architekten, einen Superlativ darstellen: Sie sind mit ihren 29 Stockwerken die höchsten Wohngebäude der Stadt.

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