1. Costa Nachrichten
  2. Kultur

Musik zum Leben Retten: Spanische NGO fördert Gospel aus Afrika

Erstellt:

Von: Stefan Wieczorek

Kommentare

Aus einem spanischen Waisenhaus-Projekt in Uganda entsprang die Band Aba Taano. Ihre tiefe Seelenfreude will sie 2023 im deutschsprachigen Raum verbreiten. Bühnen werden noch gesucht.

„When peace like a river attendeth my way. When sorrows like sea billows roll...“ (Wenn Frieden wie ein Fluss meinen Weg begleitet. Wenn Sorgen wie Meereswogen rollen...). Beim Erklingen des bebenden Basses wundert man sich fast, dass die Stimme einem dunkelhäutigen Menschen gehört. Melodie und Gesangsstil klingen so abendländisch, zumindest laut der Raster, die man als Europäer unfreiwillig auch in den Sinnen trägt. Doch Aba Taano brechen Vorurteile wie diese auf – etwa auf ihrer jüngsten adventlichen Tour vor Weihnachten in Spanien. Im Jahr 2023 geht die Reise nach Deutschland. Ein Auftritt in Berlin steht fest, weitere Bühnen werden noch gesucht.

Weihnachten in Spanien: Musik zum Leben Retten, Gospel aus Afrika

„Gospel aus Afrika“: So oder ähnlich werden Auftritte der Gospel-Band aus Uganda angekündigt. Aber wer auf der Bühne eine Kirchenshow mit wehenden Kleidern und furiosen „Hallelujah“-Einlagen erwartet, wird überrascht. Zunächst stehen da fünf Menschen andächtig und konzentriert in Reihe und lassen mal heiterere, mal ernstere Lieder erklingen, in denen aber eine stetige Tiefe zu erspüren ist. Die Darbietung ist nüchtern, ohne Instrumente oder irgendwelches Tamtam. Nur hin und wieder gesellt sich Englisches oder gar Deutsches (bei „Stille Nacht“) hinzu.

„Und so standen wir da, mit 22 Kindern ohne Familie“

Elisabeth Michot, Leiterin von „Musik zum Leben Retten“

Zum Großteil sind es Afrikas Sprachen – von Uganda über Kenia bis Südafrika –, in denen Aba Taano, was „die Fünf“ bedeutet, singt. „Afrikanischer Gospel hat wenig mit US-Gospel zu tun“, erklärt uns später Elisabeth Michot, Leiterin der spanischen NGO Música para Salvar Vidas - Musik zum Leben Retten -, dank der die Gruppe aus dem Kreise eines Waisenhauses in Uganda erwuchs. Vor 17 Jahren beschloss die nach Spanien ausgewanderte Französin mit ihrem Mann, sich an humanitärer Hilfe in Afrika zu versuchen. So erfüllend die erste Erfahrung war, so schief ging damals einiges.

Waisenkinder auf der Straße: Weihnachtalbum trotz Corona-Rückschlag

Am Rand der Hauptstadt Kampala hatte sich ein Waisenkinder-Chor gegründet. 22 kleine Sänger nahm das Paar mit – für eine Charity-Tour durch Spanien. „Erst als wir alles gebucht hatten, stellte sich heraus, dass der Leiter des Heimes hoch korrupt war.“ Dem nicht genug: Bei der Rückkehr setzte er alle Kinder auf die Straße. „Und so standen wir da, mit 22 Kindern ohne Familie“, erzählt Elisabeth Michot. Erfolglos war die Suche nach einem neuen Heim. „Wir waren dazu gezwungen, ein eigenes zu gründen.“ Und dieses besteht bis jetzt. In Kireka haben dank Michots NGO Kinder ein familiäres Zuhause – und dadurch Lebensperspektiven.

Kinder sitzen auf Bänken in einem ärmlich wirkenden Schulraum.
Musik zum Leben Retten: Waisenkinder aus Uganda erhalten durch die spanische NGO Perspektiven. © Música para salvar vidas

Mechaniker, Näherinnen, Pfleger und Studenten entsprangen der Stätte, aber der Schwerpunkt liegt auf der Musik. Vier Bands entstanden bereits durch das Heim. Drei einstige Waisenkinder singen heute bei Aba Taano. Das Quintett ist das Aushängeschild von Música para Salvar Vidas, tourt seit 2008 durch Europa und räumte bereits elf internationale Preise ab. Ein Highlight war 2018 das A-Cappella-Festival in Leipzig, wo die fünf den zweiten Preis und im Finale sogar den Publikumspreis holten. 2019 schienen Aba Taano einem größeren Durchbruch nahe, aber bald schlug Corona dazwischen. Viele Events stoppten oder fielen gänzlich weg, was die Gruppe weit zurückwarf – aber nicht daran hinderte, ein neues Weihnachtsalbum herauszugeben.

Web-Auftritt von „Musik zum Leben Retten“ mit Shop und Spenden-Möglichkeit unter musicaparasalvarvidas.org, Kontakt zu Elisabeth Michot per Mail unter elisabeth@musicaparasalvarvidas.org. Die Band Aba Taano stellt sich unter abataano.com vor.

Brücken über Apartheid: „It is well with my soul“

Nun sucht die Band neue Bühnen, gern im deutschsprachigen Raum: Deutschland, Schweiz, Österreich. Nur in Berlin steht 2023 bisher ein Termin fest. Für weitere neue Kontakte ist Elisabeth Michot dankbar. „Es sind hochprofessionelle, begabte, fokussierte Menschen, die sich viele Gedanken bei der Song-Auswahl machen“, lobt die Leiterin von „Musik zum Leben Retten“. Nein, zum simplen Gute-Laune-Verbreiten sind Derrik Ssenteza (Direktor und Bariton), Joshua Kimeze (Bariton), Harriet Nabbaale (Alt-Sopran), Morris Kamoga (tiefer Bass) und Louis Manyanja (Bass) nicht zu haben. „Sehr inspiriert sind sie vom Soweto Gospel Choir aus Südafrika“, sagt Michot.

Es sei eine Musik, die zu Apartheid-Zeiten entstand und dabei half, die krude Rassentrennung zu überwinden: „Afrikaner nahmen Melodien und Stile der Weißen auf, schlugen so Brücken und milderten die vorherrschende Aggressivität ab.“ Ein Beispiel für diese Adaptierung zitierten wir eingangs: „It is well with my soul“ – die Kirchenhymne war seit dem 19. Jahrhundert im Westen verbreitet, feierte dann aber in Afrika Erfolge. Sicher auch durch ihre starke Trostbotschaft, selbst in schlimmen Tragödien – eine solche widerfuhr dem Autor Horatio Spafford – nicht zu verzweifeln: „Whatever my lot, thou hast taught me to say, it is well, it is well with my soul.“ (Was auch immer mein Los ist, du hast mich gelehrt zu sagen: Es ist gut, es ist gut mit meiner Seele.)

Umuja, die tiefe Zusammengehörigkeit: Am Ende zählt Gospel

Tief in geistlichen Sphären bewegen sich Aba Taano längst nicht nur in diesem Lied. Eine stetige Inspirationsquelle sei für die Band schließlich ein sehr innerliches Prinzip: „Umoja: Das bedeutet auf Suaheli Union, Zusammengehörigkeit – zwischen Menschen, wo sie auch herkommen“, sagt Elisabeth Michot. Umoja sei etwas tief im Herzen Verankertes, worauf man aber zugreifen könne – besonders durch die Musik. Als Zuhörer von Aba Taano ahnt man, was gemeint ist. Es hat etwas Kontemplatives, wie die Fünf singen. Ihr eigentliches Ziel vergessen sie aber nicht: „Gospel“, erinnert die Spanien-Auswandererin, „bedeutet nichts Anderes als frohe Botschaft.“ Und diese fehlt bei keinem Auftritt.

Fünf Menschen singen in einer Kirche vor stehendem Publikum.
Aus tiefster Seelenfreude: Aba Taano reißen Publikum in Spanien mit. © Stefan Wieczorek

Ein emotionales Highlight des Gospel-Auftritts von Aba Taano ist es, als die Fünf nach der stimmlichen Tour durch die Seelentiefen eine Reihe bilden und zum Rhythmus eines fröhlichen afrikanischen Songs durch das Kirchenhaus schreiten. Das Publikum, das die Gospel-Reise mit den Sinnen mitgemacht hat, kann nicht anders, als vom afrikanischen Fluss mitgerissen zu werden. Selbst ohne die Worte zu verstehen, stellt man – von innerlichen Rastern befreit – fest, dass es gut ist. Gut mit meiner Seele.

Auch interessant

Kommentare