Manuel Muñoz Alcón hieß er eigentlich, wechselte aber schon als 14-Jähriger seinen Nachnamen, um seiner Heimatstadt, in der er 1943 geboren wurde und wo er bis zuletzt lebte, zu Ruhm zu bringen. Sein Vater fuhr in seiner Freizeit mit dem Fahrrad zu einem Gitarrenlehrer bis nach Jerez, um das dort Erlernte dem Sohn beizubringen, ohne, dass dieser die Schule verlässt. Manolo wuchs, wie die meisten seiner Branche, in einem Ambiente auf, in dem der Flamenco dazugehörte, wie die Luft zum Atmen.
Schon mit acht Jahren fiel Manolos Talent Sängern und Tänzern und natürlichen Gitarristen in den Bars und Tablaos der Gegend auf. Es folgte der kurvige, aber durchaus übliche Weg über die Lande, viel Musik für sehr wenig Geld, auf Festen Betuchter, für Touristen, in Dorfkneipen. Doch als Teenager begleitete Manolo bereits Legenden wie Pastora Pavón und Pepe Marchena, die seinen speziellen Klang schätzten. Das Theater von Campillos in Málaga war eine wichtige Station, bald ging es durch die Tablaos von Madrid, vor allem ins legendäre "Las Brujas".
Mitte der 70er arbeitete Manolo Sanlúcar immer häufiger solistisch, machte seine Gitarre vom Begleitinstrument zum Solisten, Konzerte in Europa und auf der halben Welt folgten, auch Plattenaufnahmen, eine lange Reihe von Wettbewerben gewann der noch junge Meister. Es war ein langsamer, aber ein unaufhatlsamer Durchbruch, auch wenn Sanlúcar nie den medialen Ruhm wie sein Freund und Kollege Paco de Lucía erlangte. In Flamencoland war er zumindest Vizepräsident.
Sanlúcar hinterließ Dutzende Alben, deren Spektrum vom traditionellsten Flamenco der alten Schule, wohl sortiert nach "palos" von Alegría über Granaínas, Fandangos und Bulerías bis Tangos und gar Sevillanas reicht, bis hin zu gewagten Ausflügen. So komponierte er für das Spanische Nationalballett, kombinierte die Flamenco-Gitarre, diese eigentlich unartige Schwester der klassischen Gitarre mit sinfonischen Orchestern, lieferte Solowerke ab, die fast transzendent den Flamenco umspielten, mysteriös mit den warmen Tönen seiner "flamenca negra", seiner Gitarre, die - wie bei Paco - neben der Fichten- oder Zederndecke aus edlem, komplex tönenden Palisander, statt der direkten, schnell ansprechenden Zypresse bestand, wie sie sonst im Flamenco meist Standard ist.
Als Solist war er Inspiration und Lehrer für ganze Generationen, gab seinem Flamenco eine besondere Grandezza, eine ernste Note und viel Tiefe, beherrschte alle Spielarten und traute sich, seinen Stücken eine intellektuelle Note zu verpassen, ohne die Wurzeln aus den Armenvierteln Andalusiens zu verleugnen. Immer wieder trieb ihn der Kosmos Flamenco auch analytisch um, fühlte er ihm sich verpflichtet, "meine Gitarre ist immer meinem Volk zu Diensten, wo dieses ist, werde ich sein", sagte er noch in einem seiner letzten Interviews.
Manolo Sanlúcar und Paco de Lucía im Duett:
Die letzten 15 Jahre gab er immer weniger Konzerte, arbeitete aber an einem Monumentalwerk, der "Enzyklopädie des Flamenco", bestehend aus einem Dutzend DVDs, eingespielt mit über 40 Künstlern, etlichen Büchern und Partituren, mit der Sanlúcar seine Kunst und seine Gitarre an kommende Generationen weitergibt. Es ist das umfassendste und direkt am Puls, am compás, geschaffene audio-didaktische Kompendium des Flamenco geworden.
Jerez, Algeciras, Cádiz, Sanlúcar, die Städte im Sherry-Dreieck, sind auch die ergiebigsten des Flamenco. Camarón de la Isla, der uns vor nun 30 Jahren verließ, stammt von hier wie auch Paco de Lucía, dessen Name mit Manolo Sanlúcar eng verbunden wird, denn beide spielten gemeinsam Gitarre, hinterließen mitreißende Aufnahmen und Manolo Sanlúcars Tod erinnert viele an den Verlust Pacos vor acht Jahren nochmals schmerzlich, so als hätte die Flamenco-Gitarre der Neuzeit nun beide Eltern verloren, wäre verwaist.
Auch wenn einige dieser Waisenkinder sehr gut gerieten, es seien hier nur Tomatito, Antonio Rey, Gerardo Nuñez oder Vicente Amigo genannt, immer wieder Talente nachrücken, die diesen speziellen Ton treffen, der mit brillanter Technik Tradition und künstlerische Freiheit verbindet. Mit Manolo Sanlúcar ist ein Künstler gegangen, der mit Paco und Camarón aktiver Teil eines künstlerischen wie sozialen Umbruchs der Flamenco-Szene in der Post-Franco-Ära war und dessen Musik mitten ins Herz trifft, daher wird er immer ein besonderer Stern am Gitarren-Himmel sein. Und, auch so ein Kommentar aus der Flamenco-Gemeinde, Paco de Lucía hat endlich einen würdigen Duo-Partner da oben.
Zum Thema: Andalusien im Dreivierteltakt - Sevillanas.