Vor 250 Jahren begann die Geschichte der heutigen Grupo Osborne, als Thomas Osborne Mann aus dem südwestenglischen Exeter 1772 in Puerto de Santa María bei Cádiz eine kleine Sherry-Bodega direkt am Hafen kaufte. Schon der Urgroßvater im 17. Jahrhundert handelte von Devon aus mit Sherry aus dem Hafen von Cádiz, diesem mit Sprit haltbar gemachten Weißwein, den die Briten erst plünderten, dann kauften, den aber die Spanier durch ihre raffinierte Solera-Technologie zu viel mehr machten als einer Notlösung.
Umspielt von Geheimnissen der Gär- und Kellertechnik, dem flor de velo, den auf der Oberfläche des Mostes treibenden Hefen in den nie ganz gefüllten Fässern, umspielt auch vom Flamenco in rohen Hafenkaschemmen, von Geschmäckern von Fino bis Cream und Ausreißern wie dem Palo Cortado, angereichert von der Patina der Zeit und so manchem Bodega-Latein, wurde der Sherry zum ureigensten Getränk der Spanier, auch wenn die Briten mitunter mehr davon tranken als die Iberer. Deren Fässer dienten den Whisky-Destillen bald als Geschmacksverstärker, während die Spanier den Sherry zu Brandy brannten und damit dem Cognac der Franzosen Konkurrenz machten.
Als dieser Tage König Felipe VI. ins Osborne-Stammhaus zu Besuch kam, um zum 250. zu gratulieren, betonte er den Stolz auf „eines der ältesten Familienunternehmen Spaniens“ und den fünftältesten Weinkeller der Welt. Dabei wurde Osborne erst mit der Zeit spanisch. Denn der britische Gründer heiratete 1825 eine Deutsche, Aurora Böhl von Faber, Tochter des preußischen Gesandten in Cádiz, des Konsuls Johann Nicolas Böhl von Faber. Deren Mutter war Spanierin, auch aus gutem Hause und sie selbst wurde spanisch erzogen und unter dem Pseudonym Fernán Caballero zu einer lange unbekannterweise gefeierten Salonschriftstellerin.
Viel Sherry floss seitdem die Kehlen hinab, heute ist Osborne eine Firmengruppe, aber nach wie vor in Familienbesitz, auch wenn das ein weites Feld ist. Die sechste Generation der Osbornes kontrolliert den Laden, Eigentümer sind 340 Aktionäre, alle irgendwie untereinander verwandt oder verbandelt. Im 19. Jahrhundert begann Osborne konsequent mit Zukäufen, zur Bodega kam noch eine, dann Weinberge hinzu, nicht nur im Sherry-Gebiet, auch im Duero. In Kastilien wurden zwei Destillerien hochgezogen, der Anis-Schnaps mit dem Affen drauf, eigentlich ein Katalane wurde ein Osborne, dann natürlich Veterano, Magno, Carlos I. als die berühmtesten Schnäpse, aber natürlich gehören weiterhin Sherry-Marken wie Montecillo zum Portfolio, seit einigen Jahrzehnten auch eine Bodega in Porto mit Portwein, sodann Gin, Wodka und Rum im Edelsegment.
Insgesamt 30 Marken produziert und vermarktet Osborne in über 70 Ländern. In den letzten Jahren wurde der Export immer mehr ausgebaut, weil die Wachstumspotentiale in Spanien ausgereizt scheinen. Mit Kaviar (Riofrío), Sekt und Champagner sowie reinrassigstem Ibérico-Schinken will Osborne die Gourmet-Palette abdecken.
Das berühmteste Familienmitglied ist heute – neben dem Stier – Bertín Osborne, der seit Jahrzehnten als TV-Moderator, Showmaster, auch mal Sänger und Content-Lieferant für die Boulevard-Presse durch Medien und Lande tingelt. Er ist der Prototyp des andalusischen „señorito“, des feinen Herrchens, der seinen Wohlstand ererbt hat und mit seinen politischen Ideen aus der Zeit gefallen scheint wie der Stierkampf. Doch beide sind noch real, auch das selbstgefällig postfeudale Gehabe Bertíns wie so mancher hochgelobte „Familienbetriebes“ in Andalusien.
Für Osborne zahlte sich das jedenfalls aus. So gesehen war der Besuch Felipes, der ja seinen Job und Stand auch erbte, die Aufwartung eines Gleichgesinnten. Felipe wurde die Ehre zuteil, eines der feinsten Sherry-Fässer zu signieren. Ob nach ihm aber, wie nach seinem Amtsvorgänger Carlos I., jemals ein Brandy benannt wird, darf bezweifelt werden. In 250 Jahren vielleicht.
Zum Thema: Schwitzen für den Sieg: Victoria - Das „deutsche“ Bier aus Málaga