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Mörderische Eierfrucht: Die Aubergine fand über Spanien nach Europa - Mit Rezepten

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Von: Marco Schicker

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Verschiedene Auberginen-Arten liegen in Kisten in einem Supermarkt.
Die Aubergine ist in Spanien auch ein Wintergemüse: Die Feldsaison ist von Oktober bis April. © Marco Schicker

Die Aubergine ist eine „Königin“ der islamischen Küche. Als solche fand sie auch nach Spanien, von den Christen erst ängstlich verschmäht, von den jüdischen Spaniern in 50 Varianten verehrt. Heute erleben die Eierfrüchte eine Renaissance, nicht nur in der veganen Küche.

Murcia - Sie hat einen langen Weg hinter sich und auf dem ergaben sich einige Missverständnisse. Die Aubergine, auch Eierfrucht, Melanzane, wissenschaftlich: Solanum melongena, ist heute eines der Synonyme der Mittelmeerküche. Doch sie stammt aus Südostasien, wo sie bereits vor fast 4.000 Jahren angebaut wurde, wie forensische Spuren bei Ausgrabungen in Birma und China ergaben. Ihr heutiger Name kommt aus dem Persischen, die Araber übernahmen ihn als bâdhinjân, im europäischen Sprachraum tauchte sie erstmals in der katalanischen Küche als alberginia auf, immer ist die Übersetzung Eierfrucht.

AubergineFrucht
Wissenschaftlicher NameSolanum melongena
Höhere KlassifizierungSolanum
RangArt

Das ist ein Hinweis. Denn interessanterweise wird die keulenartige Frucht des eigentlich subtropischen Strauchgewächses in keinem der klassischen Gastronomie-Texte des Altertums – weder in Griechenland noch in Rom – erwähnt. Ihren Weg nach Europa fand sie nämlich über Al-Ándalus. Die Mauren brachten die Aubergine über Nordafrika mit nach Spanien, wo sie ebenso Fuß fasste wie alsbald in Italien.

Missverständnisse mit Aubergine: Melancholisch bis tödlich

Allerdings mit Hindernissen. Während die Mauren Auberginen nachgewiesenermaßen ab dem zehnten Jahrhundert als universell einsetzbares Gemüse nutzten, ist von dem Chronisten Alonso Herrera in seinem Werk „Agricultura General“ von 1513 keine gute Meinung überliefert. Die Frucht verursache Krankheiten wie schwere Melancholie, ja mehr noch: „Sie wurde von den Mauren von Afrika auf unsere Halbinsel eingeführt, um uns Christen damit umzubringen.“ Die Araber konnten über so viel Unwissenheit nur müde lächeln. Die Christen hatten offenbar bloß keine Ahnung, wie man die Aubergine zubereitet.

Zwei Auberginen liegen auf einem Grill.
Berenjena asada: Die Aubergine auf dem Grill eröffnet viele Möglichkeiten der Zubereitung. © Pixabay

Aubergine in Spanien: Interreligiöser Fleischersatz

Tatsächlich ist es so, dass die Aubergine roh gegessen nicht nur bitter schmeckt, sondern sogar leicht toxisch wirkt, ja sogar Nikotin enthält – bis zu 100 Milligramm auf das Kilo. In syrischen, ägyptischen und irakischen Aufzeichnungen finden sich schon Jahrhunderte vor dem christlichen Fehlurteil viele Rezepte und Anwendungen, hätten die Reconquistatoren die ihnen zugefallenen Bücher doch besser gelesen als geächtet oder verbrannt.

Der Schriftgelehrte Ibn Razin Al-Tugibi, geboren in Murcia 1227, schuf die erste schriftliche europäische Überlieferung der Aubergine und übrigens auch der Küchenkunst in Murcia. Er adelt sie als die „pflanzliche Königin der islamisch-arabischen Kochkunst“. Die Sefardí, also die jüdischen Spanier, hatten wenig Berührungsängste mit dem jungen Gemüse, denn sie kannten sie noch aus den Überlieferungen aus dem gelobten Land und ihre Frauen rühmten sich, „fünfzig verschiedene Arten der Zubereitung zu kennen, bevor wir heiraten“. Zwar ist überliefert, dass die liberaleren spanischen Moslems sowohl Wein tranken als zuweilen auch Schweinefleisch aßen, in allen drei Religionen diente die Aubergine jedoch auch als Fleischersatz, in Zeiten der Not, des Verbots oder des Fastens.

Aubergine als Tapa: frittiert mit Honig

Heute noch bekannt ist die „Morcilla de guerra“, die Kriegs-Blutwurst, die erfindungsreich bis in den Spanischen Bürgerkrieg Not linderte und Textur und Geschmack von Fleisch simulierte. Doch auch sie ist keine christliche Erfindung, denn ihr eigentliches Rezept, mit Safran, Kreuzkümmel, Muskat und auch Oregano ist genuin arabisch beziehungsweise berbersich, lediglich anstelle der postkolumbischen Paprika nutzte man früher Sumach. Das Rezept feiert heute unter Veganern eine regelrechte Renaissance, wie die Aubergine durch ihre Vielfalt und Kombinationsfähigkeit generell.

Mehrere halbierte Ofen-Auberginen liegen nebeneinander.
Die einfachsten Rezepte sind oft die besten: Auberginen im Ofen gegart, raffiniert gewürzt, mit Sauercreme und Kräutern belegt. © Pixabay

Am häufigsten aber begegnet man der Aubergine in Spanien heute als Tapa. Große Würfel oder feine Scheiben der berenjena werden frittiert, ganz leicht gesalzen und anschließend mit etwas Honig getränkt. Das Gericht stammt – wie so viele Leckereien, etwa die Flamenquines, Salmorejo, Rabo de Toro – aus Córdoba, das zu Zeiten des Kalifats neben Konstantinopel die führende Metropole Europas und offenbar auch Trendsetter in der Gastroszene war. Zu den Auberginenwürfeln in Honig soll man einen kräftigen Tee aus frischer Minze gereicht haben. Ein schöner trockener Weißwein oder ein Sherry haben aber eine ähnlich belebende Wirkung.

Die Aubergine hat in Spanien von Oktober bis April Saison, leider dominieren auch auf Märkten immer mehr die genormten Treibhausfrüchte, die es das ganze Jahr über gibt. Die Standardvarietät ist die keulenförmige mit dunkler lila Haut, innen weiß bis gelblich, doch auch grüne, knallgelbe sogar weiße, kleine runde Varianten gibt es heute.

Aubergine geschichtet: Escalivada - Ofengemüse, Rezept

An Spaniens Levante-Küste ist Escalivada oder Espencat eine beliebte Möglichkeit, Gemüse haltbar zu machen. Auberginen, Paprika und Zwiebeln werden in der Schale, je nach Größe rund 45 Minuten bis eine Stunde bei 180 Grad im Ofen gegart. Dann kratzt man das Innere heraus, schichtet einen Salat auf und sättigt ihn großzügig mit gutem Olivenöl, Knoblauch, Zitrone und etwas Petersilie. Vor dem Genuss gut durchziehen lassen, am besten in Konservengläsern kühl lagern und immer wieder mit Öl bedecken. Eignet sich besonders als Tapa auf getoastetem Brot, belegt mit Anchovi-Filets (anchoas de cantabria) oder auch sauer eingelegten Boquerones (en vinagre).

Rezept: Aubergine gefälscht - Kriegs-Morcilla oder Fake-Bolognese -

Das älteste überlieferte Auberginen-Rezept der „Morcilla de guerra“ stammt aus dem Taifa de Murcia. Über Jahrhunderte haben sich regionale Vorlieben entwickelt, das christliche Spanien reduzierte vor allem den Anteil exotischer Gewürze. Das maurische „Originalrezept“ der Kriegs-Wurst:

Zubereitung: Aubergine und Zwiebel in Stücke schneiden, in Olivenöl anbraten, salzen und mit wenig Wasser wie ein Gulasch eine Stunde köcheln. Das Gemisch danach gut ausdrücken. Aubergine und Zwiebel Olivenöl kräftig anbraten, Gewürze hinzufügen, die Masse immer wieder andrücken, bis das Gemisch bräunt, und weiterbraten, bis man in etwa Bolognese-Konsistenz erreicht. Zum Schluss Oregano und Pinienkerne hinzu, nochmals abschmecken. Eignet sich als Brotaufstrich, als Pasta-Sauce, als Füllung für Teigtaschen oder als Kick an Suppen und Saucen.

Rezept: Aubergine gestampft - Baba Ghanoush

Auberginen-Dip auf einem Porzellan-Löffel und Fladenbrot.
Baba Ganoush, der orientalische Dip aus Aubergine, hier in einer Variante mit frischem Koriander und Sesam. © dpa/Julia Uehren

Auberginenwürfel, Knoblauch und Chili in etwas Olivenöl anbraten, bis die Auberginen gleichmäßig gebräunt sind. Mit braunem Zucker karamellisieren. Mit Limettensaft ablöschen und rund fünf Minuten leise simmen lassen. Masse mit einem Kartoffelstampfer oder einer Gabel zu einer Paste verarbeiten, Sesampaste (tahín) untermengen, mit einem Hauch Zimt, Kreuzkümmel, Muskat, Salz würzen, ziehen lassen. Eignet sich gut zum Einwecken.

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